Neue Verbote EU-Parlament verschärft Waffenrecht - offener Streit auf Pressekonferenz

Sportschütze
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/ dpaMehr als ein Jahr lang wurde verhandelt, jetzt ist es beschlossen: Am Dienstag verabschiedete das Europaparlament die neue Waffenrichtlinie. Die EU-Staaten haben nun 15 Monate Zeit, sie umzusetzen. Das Parlament hatte sich bereits im Dezember mit den Mitgliedstaaten auf die Richtlinie geeinigt, die auf einen Vorschlag der EU-Kommission nach den Anschlägen von Paris im November 2015 zurückgeht. Sie sieht Verschärfungen in diversen Bereichen vor.
Für Privatleute verboten sind künftig unter anderem:
- vollautomatische und militärische Waffen,
- vollautomatische Waffen, die zu halbautomatischen umgebaut wurden,
- Kurzwaffen mit Magazinen von mehr als 20 Schuss und Langwaffen mit mehr als zehn Schuss.
Zudem verbleiben Waffen auch nach einem Umbau zu Schreckschusswaffen in ihrer vorherigen Verbotskategorie. Bisher waren sie nach dem Umbau komplett unreguliert, was mitunter tragische Folgen hatte. Beim Amoklauf von München im August etwa benutzte der 18-jährige David S. eine reaktivierte Theaterwaffe, mit der er neun Menschen und sich selbst tötete. Auch müssen künftig alle wichtigen Teile von Schusswaffen markiert werden.
Besonders wichtig war der Kommission das Verbot halbautomatischer Gewehre. Während Vollautomaten im Dauerfeuer schießen, sobald man den Auslöser betätigt, feuern Halbautomaten nur einen Schuss ab und laden dann selbst nach. Das ermöglicht eine schnelle Schussfolge bei zugleich hoher Präzision. Derartige Zivilmarktversionen von Kriegswaffen - etwa von Kalaschnikow- oder amerikanischen AR-15-Gewehren - wurden wiederholt bei Amokläufen und Terroranschlägen eingesetzt, auch in Paris wurden mit solchen Waffen Dutzende Menschen umgebracht.
Weitgehende Ausnahmen für Jäger und Sportschützen
Dennoch dürfen sich Jäger und Sportschützen auch weiterhin halbautomatische Pistolen und Sturmgewehre zulegen - zumindest in EU-Ländern, die nicht von sich aus noch strengere Regeln erlassen. Museen und Sammler dürfen unter Auflagen sogar weiterhin Kriegswaffen kaufen, darunter Maschinengewehre oder Granatwerfer.
Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab sagte, die neuen Vorschriften orientierten sich an der deutschen Rechtslage. Eine "bürokratische Gängelung" von Jägern und Sportschützen gebe es nicht. Doch die sehen das mitunter anders. Die German Rifle Association etwa empörte sich auch nach der Einigung im Dezember über die "Entwaffnungspläne der EU" ; zuvor hatten Jagd- und Schützenlobby teils aggressiv lobbyiert.
Die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt wies zurück, dass es Einschränkungen etwa für Waidmänner gebe: "Haben Sie schon mal einen Jäger gesehen, der mit einer Kalaschnikow auf die Pirsch geht?" Der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht bezeichnete die Ausnahmen für Jäger, Sportschützen oder Sammler als "riesige Schlupflöcher". Es sei unklar, "warum sie mit halbautomatischen Waffen hantieren müssen". Das gesellschaftliche Interesse an mehr Sicherheit "überwiegt das Interesse einzelner Berufsgruppen oder gar Sportler deutlich", so Albrecht. "Diese Debatte ist noch nicht zu Ende."
Vorerst aber ist sie es. Die Richtlinie dürfte zumindest einige Jahre Bestand haben, ehe es eine Chance auf eine erneute Überprüfung gibt. Dennoch haben auch Kritiker der Neufassung am Ende zugestimmt - um zumindest etwas zu bekommen. "Das Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit ist dabei unter die Räder gekommen", meint Albrecht. Das liege auch am aggressiven Lobbying von Sportschützen, Jägern und Waffenliebhabern. "Opferverbände", meint Albrecht, "sind nicht in der Lage, ein vergleichbares Gewicht aufs Parkett zu bringen."
Pressekonferenz wird zur Streit-Show
Selbst nachdem das monatelange Geschacher mit der Abstimmung im EU-Parlament beendet war, gerieten sich die Kontrahenten noch in die Haare. Die Pressekonferenz mit den Verhandlungsführern der fünf Fraktionen geriet zu einem teils bizarren Wortgefecht auf offener Bühne. Sehen Sie selbst:
Die Richtlinie nehme legale Waffenbesitzer ins Visier, "die nie einen Terrorakt verübt haben und das auch nicht tun werden", sagte die tschechische Liberale Dita Charanzova. Schon das war gewagt angesichts diverser Amokläufe oder des Massakers auf der norwegischen Insel Utoya, die ganz oder teilweise mit legalen Waffen verübt wurden.
Als Charanzova dann auch noch von einem "generellen Verbot" halbautomatischer Waffen redete, hatte Anna Maria Corazza Bildt genug. "Warum verbreiten Sie Falschinformationen?", rief die schwedische Christdemokratin. "Das ist unverantwortlich!" Die britische Tory-Politikerin Vicky Ford übertönte beide, um zu erklären, dass die Mitgliedstaaten ihren Sportschützen sehr wohl halbautomatische Waffen erlauben könnten.
Der tschechische Linken-Abgeordnete Jiri Mastalka dankte Charanzova daraufhin dafür, dass sie für ihre Meinung kämpfe, die auch die seine sei. Das Thema werde in Tschechien genau beobachtet, "und es wird einen Einfluss darauf haben, wie Tschechen Brüssel und die EU sehen", drohte Mastalka. Damit scheint klar: Die Liebe zu Waffen - die in Tschechien traditionell besonders groß ist - kann offenbar sogar Liberale und Linke einen.
Zusammengefasst: Das EU-Parlament hat nach monatelangen Verhandlungen die Neufassung der Waffenrichtlinie beschlossen. Das Waffenrecht wird in vielen Bereichen verschärft, enthält jedoch weiterhin großzügige Ausnahmen für Jäger und Sportschützen, die dafür teils aggressiv geworben haben.