Rikscha-Report Arbeitslager für die Schnurrbart-Komödianten
Mandalay - Auffällig viele Straßenkehrer waren vergangenen Freitag in der 28. Straße in Mandalay zu Gange, wo Maung Maung Than lebt. Auch Armeelaster fuhren ständig am Haus des Dissidenten vorbei. Vermeintliche Spaziergänger filmten jeden Besucher des bekannten Mannes in der zweitgrößten Stadt Myanmars. Die Spitzel der Militärjunta im früheren Burma waren in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
In dem bescheidenen Anwesen trafen sich erstmals seit Jahren wieder führende Politiker der verbotenen "Nationalen Liga für Demokratie" (NLD). Es war der vorläufige Höhepunkt einer Protestwelle, die Asiens krudeste Diktatur überzieht, seit die regierende Junta die Preise für Treibstoff und Kochbenzin am 19. August verdoppelt hatte und damit die Bevölkerung der 50 Millionen-Einwohner-Nation noch mehr in bittere Armut trieb.
"Dies ist die übliche Einschüchterungstaktik der Militärs, um uns Angst zu machen", sagt einer der Teilnehmer des Diskussionsforums mit Blick auf all die Beschatter, "aber noch haben sie nicht zugeschlagen." Doch wie lange noch? Denn wenn es um Dissens und Widerstand geht, dann lassen die regierenden Generäle des südostasiatischen Staates nicht mit sich spaßen.
Davon können Par Par Lay, Lu Zaw und Lu Maw ein Lied singen. Und das tun sie jeden Abend, gar nicht weit weg von dem Haus des bekannten Oppositionspolitikers. Denn die drei Männer mit den witzigen, überlangen Seehund-Schnurrbärten gehören einer Familie von Komödianten an. Aber Possen zu reißen, zudem über die bittere Armut und die himmelschreiende Raffgier der regierenden Generäle, ist verdammt gefährlich in Myanmar.
Feier mit Folgen bei Aung San Suu-Kyi
1996 wurden Lay und Paw zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt, weil sie auf einer Kulturveranstaltung in der Villa der Oppositionsführerin Aung San Suu-Kyi Witze über die Militärjunta gerissen hatten. Die Friedensnobelpreisträgerin, die 1988 die bald darauf blutig unterdrückten Massenproteste für Demokratie angeführt hatte, stand 1996 ein paar Monate nicht unter Hausarrest. Also feierten die Künstler des Landes bei ihr doch mit schlimmen Folgen.
"Kaum waren meine Brüder zu Hause angekommen", erzählt Lu Maw, "dann hämmerte nachts der Geheimdienst an unsere Tür und schleifte sie weg."
Die nächsten Jahre mussten die beiden Komödianten in unterschiedlichen Arbeitslagern Steine klopfen. "Sie wurden so schwer geschunden und misshandelt, dass wir sie nach ihrer Freilassung nicht wiedererkannten", sagt Maw in dem kleinen Holzhaus, dass die Schnurrbart-Brüder in Mandalay bewohnen. Er ist nur mit einem Longyi dem traditionellen Wickelrock für Männer bekleidet. Ein kleiner Ventilator summt in der Ecke, Ameisen laufen über die Holzbohlen.
Touristen schützen vor Verhaftungen
"Das einzige, was uns heute vor weiteren Verhaftungen schützt, sind die Touristen, die uns jeden Tag besuchen", sagt der Possenreißer Maw ganz ernst. Amnestie International hatte sich jahrelang für die Freilassung von Maws Familienmitgliedern eingesetzt. Heute dürfen die Komödianten zwar nicht mehr öffentlich auftreten oder gar mit einer mobilen Bühne durch das Land ziehen, wie sie das in ihrer Jugend getan haben.
Aber im Erdgeschoss ihres Hauses haben sie ein paar Bretter zusammengehämmert von denen sie herab jeden Abend vor zahlenden Besuchern über den KGB und die CIA lästern. Und jeder weiß, dass damit der einheimische Geheimdienst gemeint ist, dessen Spitzel in der Dunkelheit vor dem Haus der Schnurrbart-Brüder in Mandalay herumlungern.
Das ist jedes Mal eine gefährliche Gratwanderung im Land der Goldenen Pagoden. Aber dieser Tage sind offenbar immer mehr Leute gewillt, diese Gefahr auf sich zu nehmen. Täglich scheint die noch bescheidene Protestwelle etwas größere Kreise zu ziehen, die das Land jetzt seit gut drei Wochen überzieht.
Mönche demonstrieren mit
Erstmals schlossen sich letzte Woche auch Mönche den Demonstrationen an. In der Stadt Pakokku, im Zentrum des Landes gelegen, zündeten die heiligen Männer vier Militärfahrzeuge an, nachdem die Schergen des Regimes ihren Protestmarsch gegen die Preiserhöhungen brutal niederschlagen wollten. Jetzt wollen die Mönche sogar, dass sich die Regierung bei ihnen entschuldigt. Auch sie wollen nicht nur, dass die Benzinpreise wieder fallen, letztlich wollen sie Demokratie. Aber so direkt wagt das noch niemand zu sagen.
Doch für das Militärregime ist das ein alarmierendes Zeichen. Myanmar ist ein streng buddhistisches Land. Zudem sind die Generäle zutiefst abergläubisch. Bei vielen ihrer Entscheidungen ziehen die Offiziere Wahrsager aus dem Klerus zu Rate. Dass die Junta im Herbst 2005 etwa den Regierungssitz von Yangoon in die völlig abgelegene Hochlandenklave Naypyidaw verlegte, soll auf den Rat des buddhistischen Hofastronomen von Junta-Chef Than Shwe erfolgt sein.
Wenn es stimmt, was die Exilopposition behauptet, dass die Mönche sich dieser Tage zu einer landesweiten "Nationalen Front der Mönche" zusammengeschlossen haben, dann muss das bei den Generälen Erinnerungen an die Massenproteste von 1988 wecken. Und da sie seitdem nichts dazu gelernt haben, werden sie mit dem Widerstand ihrer Untertanen genauso umgehen, wie sie es seitdem immer getan haben.
Urteil: 28 Jahre Arbeitslager
Vor den Büros der ohnehin verbotenen Oppositionspartei NLD ziehen dieser Tage Militärkräfte und Geheimdienstler auf. Ihr Befehl lautet: Unterbindet weitere Proteste. Sie scheuen sich nicht, von ihren Waffen meist "Made in China" - Gebrauch zu machen. Unterstützt werden sie von einem organisierten Mob, der Putztruppe des Regimes, Schlägern und ehemaligen Haftentlassenen, die Menschenansammlungen auch in der Vergangenheit immer wieder mit Bambusknüppeln und Eisenstangen blutig niedergemacht haben.
Und in den Gerichten werden schon die ersten Terrorurteile gefällt. Zuerst gegen die Freigeister und Demonstranten, die im Ausland niemand kennt. So geschehen, vergangenen Freitag in Yangoon: Weil sie ein Seminar in der US-Botschaft besucht hatten, wurden letzte Woche sechs Gewerkschaftsaktivisten für bis zu 28 Jahren ins Arbeitslager geschickt. Dort werden sie, wie die Schnurrbart-Brüder dereinst auch, in Ketten gelegt und müssen tagein, tagaus Steine klopfen - bis zur körperlichen Erschöpfung.