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Russlandermittlungen Muellers Mahnung

Der Sonderermittler in der Russlandaffäre meldet sich erstmals persönlich zu Wort - und dabei verzichtet Robert Mueller ausdrücklich auf einen Freispruch für Donald Trump. Kommt jetzt das Amtsenthebungsverfahren?

Da ist er. Der Mann, der als das Phantom von Washington galt. Man sah ihn vielleicht zufällig in seinem Lieblingsrestaurant, in der Kirche oder an einer Ampel. Doch in der politischen Öffentlichkeit war Robert Mueller zwei Jahre lang unsichtbar und vor allem: stumm.

Kurzfristig und völlig unerwartet meldet sich der Sonderermittler in der Russlandaffäre nun zu Wort. Es ist ein seltsamer, fast schon unwirklicher Moment in der US-Geschichte.

Ganz Amerika diskutiert darüber, ob gegen Präsident Donald Trump wegen Behinderung der Justiz ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden sollte. So viele Fragen stehen im Raum: Was denkt Mueller über ein Impeachment gegen Trump? Hat der Präsident nun ein Verbrechen begangen - ja oder nein? Wie geht es weiter in der Affäre?

Typisch Mueller

Im US-Justizministerium spricht Mueller für etwas mehr als neun Minuten in die TV-Kameras. Er verkündet das Ende seiner Arbeit. Zugleich betont er, dass er sich zu der Sache nicht ausführlicher äußern wolle, auch nicht vor dem Kongress. Alles, was er dazu zu sagen habe, stehe in seinem Bericht.

Typisch Mueller: Wie schon in seinem vielschichtigen "Report" präsentiert der strenge Jurist in seinem kurzen Statement nüchterne Fakten. Er liefert keine donnernde Anklage, kein "J'Accuse!", auf das vielleicht die Trump-Gegner gehofft hätten. Aber der Auftritt vor Millionen TV-Zuschauern ist für den Präsidenten trotzdem verheerend. Denn Mueller erteilt eben auch keine Freisprüche - schon gar nicht für Donald Trump.

Mueller lässt niemanden in seinen Kopf schauen, er beantwortet auch keine Fragen. Doch ganz offenkundig will der Ex-FBI-Chef an diesem Tag ein Signal an die amerikanische Öffentlichkeit senden, eine Mahnung, die Ergebnisse in seinem Bericht ernst zu nehmen.

Ausdrücklich unterstreicht er die wichtigsten Punkte aus seinem 448 Seiten starken Bericht. Es sind vier zentrale Aussagen:

  • Vor allem widerspricht Mueller dem von Trump und seinen Alliierten verbreiteten Eindruck, die Russlandermittlungen selbst seien unnötig und eine Verschwörung gewesen. Es habe eine konzertierte und systematische Einmischung der Russen in die US-Wahlen gegeben, so Mueller. Man habe den Zusammenhängen und Hintergründen nachgehen müssen. Diese potenzielle Bedrohung des politischen Systems der Vereinigten Staaten verdiene zudem die "Aufmerksamkeit jedes einzelnen Amerikaners".
  • Wie schon in seinem Bericht erklärt Mueller, dass sein Team keine "ausreichenden Beweise" gefunden hätte, dass Trumps Wahlkampfteam mit Russland konspiriert habe. Zugleich weist er aber auf den zweiten Teil in seinem Bericht hin, in dem er etliche Begebenheiten aufgelistet hat, die als Behinderung der Justiz durch den Präsidenten gewertet werden können. An dieser Stelle macht Mueller eine klare Aussage, die alles andere als ein Freispruch für Trump ist: "Wenn wir davon überzeugt gewesen wären, dass der Präsident nichts Illegales getan hat, hätten wir das so gesagt."
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  • Mueller erklärt auch, wie er zu einer offiziellen Anklage gegen Trump steht: Wie bereits in seinem Bericht macht er deutlich, dass die Regeln des Justizministeriums und die Verfassung eine Anklage gegen einen amtierenden Präsidenten durch die Strafverfolgungsbehörden verbieten. Dies sei daher keine Option gewesen. Dass Mueller diesen Punkt so betont, kann den Schluss zulassen, dass er eine Anklage unter anderen rechtlichen Umständen durchaus für angebracht gehalten hätte. O-Ton Mueller: "Wenn jemand als Gegenstand einer Untersuchung diese Untersuchung behindert, richtet sich dies gegen den Kern der Bemühungen der Ermittler, die Wahrheit herauszufinden und Vergehen zu ahnden."
  • Ausdrücklich unterstreicht Mueller, dass die Verfassung einen anderen Weg vorsieht, wenn einem Präsidenten Vergehen nachgewiesen wurden. Damit gibt er offenkundig einen Hinweis auf das Amtsenthebungsverfahren, das nur der Kongress einleiten kann.

Dann ist der Auftritt auch schon fast vorbei. Das Phantom von Washington taucht wieder ab. Er wolle sich ins Privatleben zurückziehen, sagt Mueller noch.

Bereits kurz nach dem Mueller-Aufritt meldeten sich die politischen Lager zu Wort: Trump und seine Sprecherin Sarah Sanders machen deutlich, dass sich durch Muellers Aussagen "gar nichts" ändere. Der Sonderermittler habe seine Arbeit beendet und sein Büro verlassen. "Der Fall ist geschlossen. Danke sehr", twitterte Trump.

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Die Demokraten wiederum sehen sich durch Mueller bestärkt: Vor allem dürfte damit nun innerhalb der Partei die Debatte über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump neuen Schwung bekommen. Noch sträubt sich die Anführerin der Partei, Nancy Pelosi, diesen Schritt zu gehen. Die Frage lautet jedoch, wie lange sie diese Linie noch verteidigen kann.

Der Druck auf sie wächst: "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagt der Chef des Geheimdienstausschusses, Jerry Nadler. "Robert Mueller hat deutlich gemacht, dass er Donald Trump für einen Lügner hält, der die Justiz behindert hat."

"Mueller hat eindeutig die Fortsetzung des Falls an den Kongress überwiesen", sagt der Abgeordnete Julian Castro, der auch einer der 23 demokratischen Präsidentschaftsbewerber ist. "Wir müssen jetzt das Amtsenthebungsverfahren einleiten."

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