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Die Qualen der Rohingya Erst Flüchtling, dann Sklave

Sie wollen der Junta in ihrer Heimat entkommen - und geraten an Schlepper und Menschenhändler: Auf Fischerbooten, in Lagern in Thailand, Indonesien oder Malaysia wird flüchtenden Rohingya durch Folter und Erpressung der Wille gebrochen.

Sie schuften ohne Bezahlung als moderne Sklaven auf den Kuttern indonesischer Fischer. Sie hocken als Geiseln in Dschungelcamps in Thailand, werden gefoltert oder auch getötet, wenn ihre Familien nicht schnell genug Lösegeld überweisen. Denjenigen, die es bis nach Malaysia schaffen, geht es etwas besser: Dort werden die aus Burma geflohenen Rohingya zwar auch als Billiglöhner ausgebeutet - sie schweben aber nicht permanent in Lebensgefahr.

Die Qualen der noch rund 5000 Bootsflüchtlinge, die vor den Küsten Thailands, Malaysias und Indonesien auf überfüllten Schmugglerbooten ums Überleben kämpfen, sind nach Angaben von Menschenrechtlern nur ein Ausschnitt der Tragödie, die das etwa 1,5 Millionen starke staatenlose Volk, das traditionell in Burma und Bangladesch lebt, erleidet.

"Die Rohingya werden von der Junta in Burma in die Flucht gezwungen. Auf der Flucht werden sie dann Opfer von Schleppern, die sie foltern und versklaven", berichtet Matthew Smiths von "Fortify Rights", einer in Südostasien tätigen Menschenrechtsorganisation.

In ihrer Heimat würden die Rohingyas systematisch verfolgt, durch eine streng kontrollierte Zwei-Kind-Politik und Reiseverbote gegängelt. Immer wieder werde die Volksgruppe Ziel von staatlich organisierten Überfällen und Brandanschlägen, sagt Smith.

In den vergangenen drei Jahren sind nach Uno-Schätzungen bereits 120.000 Angehörige der Rohingya mit Booten aus Burma geflohen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sollen sich mindestens 25.000 Menschen Richtung Südostasien aufgemacht haben. Es könnten aber auch doppelt so viele sein, die Zahl der Flüchtlinge ist schwer zu schätzen.

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Bootsflüchtlinge: Drama vor der Küste

Foto: Str/ dpa

Drei Monate im Dschungel-Folterlager

Auf die meisten der Rohingyas wartet nach der Flucht aber noch mehr Elend: Anstatt sie wie versprochen nach Malaysia zu bringen, liefern die Schlepper sie meistens an thailändische Menschenhändler aus. "Diese Leute betreiben im Dschungel und auf Inseln Folterlager, in denen die Rohingyas nach unseren Recherchen im Schnitt drei Monate verbringen", berichtet Menschrechtler Smith.

In den Lagern soll der Wille der Insassen offenbar gebrochen werden: Nahrungsmittel sind knapp, Schläge und Vergewaltigung an der Tagesordnung. "Wenn die Leute am Ende ihrer Kräfte sind, geben ihre Aufseher ihnen ein Telefon: Dann sollen sie ihre Familien in der Heimat in Burma anrufen und darum betteln, dass sie sie freikaufen." Etwa 2000 Dollar pro Flüchtling würden die Banden auf diese Weise erpressen.

Wessen Familie nicht zahlen kann, wird verkauft: Tausende Burmesen arbeiteten als Sklaven auf indonesischen und thailändischen Fischerbooten. Das berichteten Mitglieder einer Gruppe von 535 Überlebenden, die Anfang Mai von der Internationalen Organisation für Migration aus der Sklaverei befreit und zurück nach Burma gebracht wurden.

Ko Kyaw Thu schuftete drei Jahre lang rund um die Uhr und ohne Bezahlung für einen thailändischen Fischer. "Wenn ich versuchte zu schlafen, goss der Kapitän heißes Wasser über mich", berichtete er der "Myanmar Times". Einige seiner Landsleute seien getötet und ihre Leichen über Bord geworfen worden. Die Europäische Union erwägt wegen des Einsatzes von Sklavenarbeit auf thailändischen Booten einen Einfuhrstopp für thailändische Meeresfrüchte.

Die in Burma verbliebenen Rohingya wüssten inzwischen zwar, dass die Flucht aus ihrer Heimat ein lebensgefährliches Abenteuer sei, sagt Smith. Dass sich dennoch seit Beginn des Jahres Zigtausende in die Hände der Schleuser begaben, zeige nur, unter welchem Druck die Menschen stünden.

An Bord eines der Boote soll es tödliche Kämpfe um Nahrungsmittel gegeben haben. Das Schiff mit etwa 700 Menschen an Bord war am Freitag von Fischern in der indonesischen Provinz Aceh an Land geschleppt worden. Überlebende berichteten der BBC von einer zweimonatigen Odyssee. Bei Auseinandersetzungen zwischen Rohingyas und Migranten aus Bangladesch sollen bis zu 100 Menschen getötet worden sein. Im britischen "Guardian" berichteten jetzt gerettete Rohingyas ebenfalls, dass sie mit Messern und Hämmern attackiert worden seien. Ein Elternpaar und ihr Sohn seien erschlagen und dann über Bord geworfen worden.

Die Behörden von Thailand, Malaysia und Indonesien haben in den vergangenen Tagen immer wieder Flüchtlingsboote aus ihren Hoheitsgewässern schleppen lassen. Die angebliche Hilfe für die Notleidenden an Bord war nach Angaben von Augenzeugen völlig unzureichend. Ein thailändisches Marine-Schiff zum Beispiel habe den Hungernden einige Tüten Kartoffel-Chips und Instant-Nudeln zukommen lassen und sei dann abgedreht, um "Befehle abzuwarten", berichtet der "New York Times"-Korrespondent Thomas Fuller.

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