

Buddhistische Mönche, Hindus, christliche Nonnen, muslimische Männer mit Bart: Etwa 30.000 Menschen unterschiedlicher Religionen haben sich in einem Stadion der burmesischen Metropole Rangun versammelt. Einige halten Kerzen und das Bild ihrer Regierungschefin Aung San Suu Kyi in den Händen. "Hört auf, einander zu töten, zu foltern und euch gegenseitig zu zerstören", ruft der buddhistische Mönch Iddhibala der Menge zu. Dann steigt er vom Podium hinab und reicht dem Muslim Hafiz Mufti Ali die Hand.
Es sind Bilder, wie sie die burmesische Regierung gerne in den internationalen Nachrichten sieht. Seit Monaten wird ihr von Hilfsorganisationen, den Vereinten Nationen und Staatschefs vorgeworfen, eine "ethnische Säuberung" an der muslimischen Minderheit der Rohingya durch das Militär zu dulden. Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich aus Angst vor gewalttätigen Soldaten ins Nachbarland Bangladesch geflüchtet.
Für viele Burmesen sind die Berichte in der internationalen Presse dazu aber nicht mehr als "Fake News". "Burma ist nicht so, wie die Leute von außerhalb denken", zitiert das englischsprachige Magazin "Frontier Myanmar" einen Buddhisten. "Ich bin hierher gekommen um zu zeigen, dass wir hier alle friedlich miteinander in einer Gesellschaft leben, gleich welcher Religion wir angehören." Burma sei ein Land, in dem die Menschen unterschiedlichsten Glaubens "in Harmonie miteinander" seien, betonte der Chef der Regionalregierung, U Phyo Min Thein.
Die Realität aber sieht anders aus. Das behauptet nicht nur das Ausland, das belegen Bilder abgebrannter Rohingya-Dörfer, Videos von Militärgewalt gegen die Muslime, Dutzende Berichte von Vergewaltigungen und Misshandlungen, und die schiere Anzahl flüchtender, unterernährter Menschen.
Ausgangspunkt des Exodus waren Ausschreitungen im August, bei denen nach offiziellen Angaben mehr als 500 Menschen getötet wurden. Den Kämpfen waren Angriffe radikaler Muslime vorausgegangen. Erst Wochen später äußerte sich die De-facto-Regierungschefin Suu Kyi dazu. Zwar verurteilte sie alle Menschenrechtsverletzungen - sprach aber an keiner Stelle von Militärgewalt. Stattdessen wies sie daraufhin, dass die Hälfte der Muslime in Rakhine geblieben seien. Warum die andere Hälfte Schutz in Bangladesch suchte, müsse noch herausgefunden werden, behauptete sie.
Dabei ist die Krise offenbar noch lange nicht vorüber:
In den burmesischen Medien sei dazu kaum etwas zu lesen, schreibt der BBC-Reporter Anbarasan Ethirajan. Stattdessen werde ausführlich über Verbrechen an Hindus berichtet, die von den militanten Muslimen begangen worden sein sollen. Eine Studentin sagte ihm zur Rohingya-Problematik: "Von außen erscheint es wie ein religiöses Problem. Das ist es aber nicht. Die Gewalt ist ein terroristischer Akt. Die internationale Gemeinschaft bekommt falsche Informationen zu der Situation in Rakhine."
Auch Suu Kyi hatte die Gewalt zwischen dem Militär und den Rohingya, die schon seit Jahrzehnten in ihrem Land unterdrückt werden, mehrfach "den Terroristen" zugesprochen. Journalisten werden - genauso wie Beobachter der Uno-Untersuchungskommission - von der Regierung nicht eigenständig in die Unruheregion Rakhine vorgelassen.
Disclaimer: Burma, Birma oder Myanmar: Drei Namen kursieren für das südostasiatische Land, das unter anderem an Thailand, China und Indien grenzt. Die Bundesregierung und die Uno verwenden die offizielle Staatsbezeichnung "Myanmar". Im angelsächsischen Raum überwiegt "Burma".
Die Briten eroberten das Land im 19. Jahrhundert und nannten ihre Kolonie "Burma". Im Deutschen wurde daraus das leicht abgewandelte "Birma". Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948 behielten die Burmesen den Landesnamen Burma bei. 1989 führte die damals herrschende Militärregierung "Myanmar" als offiziellen Staatsnamen ein. Die Bezeichnung sollte endgültig die Erinnerung an die britische Besatzungszeit tilgen. Auch andere Ortsnamen wurden "myanmarifiziert".
Etymologisch leiten sich Burma und Myanmar von den Worten Bama und Myanma ab. Beide bezeichnen die größte Ethnie des Landes, die Bamar. Bama wird dabei umgangssprachlich verwendet, Myanma in der Schriftsprache. Die zwei Wörter bedeuten also das Gleiche und existieren seit Jahrhunderten nebeneinander, wobei sich Bama wahrscheinlich aus Myanma entwickelt hat.
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Andächtige Stimmung: Anhänger von Burmas de-facto Regierungschefin Aung San Suu Kyi halten das Bild der Friedensnobelpreisträgerin in den Händen. Ihre Partei hatte zu einer interreligiösen Zusammenkunft eingeladen.
Zehntausende Menschen sollen sich dafür in einem Stadion in der Metropole Rangun versammelt haben. Dabei sollte das Thema Frieden im Zentrum stehen.
Katholische Nonnen und Buddhisten beteten miteinander, auch Hindus und Muslime waren eingeladen. Das multiethnische Land wird seit Monaten von Gewalt gegen die muslimische Minderheit Rohingya erschüttert.
Mehr als eine halbe Million von ihnen flüchtete vor den Kämpfen bereits ins Nachbarland Bangladesch. Prediger Hafiz Mufti Ali sprach sich ebenfalls in Rangun für Frieden aus.
Dabei ist der Frieden in Burma tief erschüttert. Noch immer flüchten Tausende Rohingya aus ihrer Heimat, in der sie seit Jahrzehnten unterdrückt werden.
Ein Rohingya-Mädchen mit einem Baby im Arm: In Burma sind die meisten 'Angehörige der muslimischen Minderheit in dem Bundesstaat Rakhine untergebracht. Dort haben sie nicht ausreichend Nahrung und Medizin zur Verfügung, dürfen manche Berufe nicht ergreifen und gelten nicht als Staatsbürger.
Viele Frauen berichten von Überfällen von Soldaten und grausamen Massenvergewaltigungen. In den burmesischen Medien kommt das kaum vor; viele Burmesen tun die Meldungen dazu als "Fake News" ab.
In Bangladesch ist die Situation für die allerdings auch schwierig. Die Weltgesundheitsorganisation befürchtet, dass in den Camps der Flüchtlinge Cholera ausbrechen wird.
Ein Mädchen bekommt die Schluckimpfung gegen die Durchfallerkrankung. Hilfsorganisationen beklagen bereits, dass ihnen das Geld ausgeht, um für Unterkünfte und frisches Wasser zu sorgen.
Rohingya waten auf dem Weg zur Grenze zwischen Myanmar und Bangladesch durch den Schlamm. Im August 2017 waren in ihrer Heimat heftige Kämpfe mit dem Militär ausgebrochen.
Hintergrund war der Angriff von Tausenden Muslimen auf Polizeistationen. 400 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben. Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit im überwiegend buddhistischen Myanmar, auch Burma genannt.
Hunderte geflohene Rohingya versammeln sich an einem Strand. Bangladesch ist mit der Flüchtlingsbewegung aus dem Nachbarland überfordert; bereits im Oktober 2016 lebten etwa 400.000 Rohingya-Flüchtlinge unter elenden Bedingungen in Camps an der Grenze zu Myanmar.
Rohingya drängen sich um einen Wagen, aus dem heraus Essen verteilt wird. Obwohl viele von ihnen schon seit Generationen in Myanmar leben, verwehrt ihnen die Regierung die Staatszugehörigkeit. Sie gelten als Flüchtlinge aus Bangladesch.
"Hört auf, unschuldige Rohingya zu töten": Muslime protestieren in Neu-Delhi gegen den Umgang mit der Minderheit. Dem burmesischen Militär wird vorgeworfen, Rohingya ermordet und vergewaltigt zu haben. Die Regierung bezeichnet Berichte über Menschenrechtsverletzungen als "Fake News".
Auch in Indonesien protestieren Muslime gegen die Unterdrückung der Rohingya.
Die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi steht international in der Kritik. Sie schweigt zu dem Vorgehen des immer noch sehr mächtigen Militärs im Land.
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