Roma-Massenabschiebung EU knöpft sich Sarkozy vor

Roma bei der Abschiebung aus Frankreich: EU kritisiert Paris
Foto: Mihai Barbu/ dpaHamburg - Seit Wochen macht Frankreich Schlagzeilen mit der Ausweisung von illegal im Land lebenden Roma. Nun erhöht die den Druck auf die Regierung in Paris. In einer internen Analyse äußerte Justizkommissarin deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der französischen Abschiebepraxis. Ausweisungen seien laut EU-Recht nur bei vorangegangener Einzelfallprüfung erlaubt, heißt es in dem Papier. Dies sei im französischen Recht aber nicht festgeschrieben und müsse geändert werden. Es gebe für EU-Bürger grundsätzlich keine Sperren. Nach dem europäischen Grundrecht auf Freizügigkeit kann sich jeder Bürger der Europäischen Union in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen.
Frankreich hat seit Jahresbeginn rund 8000 nichtfranzösische Roma teils im Schnellverfahren in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt. Allein im Juli waren es fast tausend. Im Sommer hat die Regierung in Paris die Gangart noch mal verschärft und rund 200 illegale Roma-Lager aufgelöst. Weitere Abschiebungen wurden angekündigt.
Frankreich drohten durch das Vorgehen auch rechtliche Konsequenzen, sagte eine EU-Diplomatin am Donnerstag. Im äußersten Fall wäre ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Paris möglich. Welche Schlüsse die EU-Kommission aber aus der Analyse ziehe, sei noch nicht entschieden. Die Beurteilung sei "vorläufig". Die EU-Kommission diskutiere derzeit neue Initiativen, wie man den Roma in Europa helfen könne, sagte die Diplomatin. Reding hat eine Taskforce angeregt, um die Integration der Bevölkerungsgruppe zu begleiten.
Die Kritik wurde bekannt, kurz nachdem der französische Einwanderungsminister Eric Besson die zuständigen EU-Kommissare getroffen hatte. Auch drei rumänische Minister waren dabei zugegen. Besson zeigte keine Bereitschaft einzulenken. Man habe es nicht nötig, sich "die Umsetzung von EU-Recht von Brüssel autorisieren zu lassen", sagte er.
An diesem Freitag sollen sich wieder Experten der EU und aus Frankreich treffen. Auch innerhalb der französischen Regierung hat das Vorgehen gegen Roma für Differenzen gesorgt.
Reding nimmt Zahlungen an Roma ins Visier
In der Analyse kritisierte Reding auch die sogenannten "Rückkehrhilfen", die die französische Regierung an Roma zahlt, die abgeschoben werden. Jeder Erwachsene bekommt 300 Euro, jedes Kind 100 Euro. Der Vorgang wird infolge dieser Zahlung dann als freiwillige Ausreise deklariert, und die Betroffenen dürfen nicht nach Frankreich zurückkehren. Aus Sicht der Kommission ist das ein Versuch, das EU-Recht zu umgehen, der aber nicht funktioniert.
Frankreich rechtfertigt den Rücktransport der Roma bisher mit einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2004. Sie sieht vor, dass Unionsbürger nur dann das Recht auf einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat haben, wenn sie eine Arbeit nachweisen können oder für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen. Zudem müssen alle Betroffenen einen umfassenden Krankenversicherungsschutz haben. Diese Voraussetzungen sind für die meisten nichtfranzösischen Roma nicht zu erfüllen.
Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, begrüßte, dass sich die EU-Kommission einschaltet. "Das Vorgehen der französischen Regierung richtet sich nicht einfach gegen Osteuropäer, die sich dauerhaft niederlassen, ohne eine Arbeit zu haben, sondern spezifisch, rassistisch begründet, gegen die Roma", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Das verstößt mindestens gegen das Diskriminierungsverbot in der EU-Grundrechtecharta und den Europäischen Verträgen." Roma sind Bürgerinnen und Bürger Europas, erklärte Beck.
Kommissarin Reding hat bei ihrer Kritik nicht nur Frankreich im Visier. Auch in anderen EU-Staaten gibt es nach ihrer Überzeugung problematische Abschiebepraktiken. Außerdem werde das Geld, das Brüssel für Integrationsmaßnahmen bereitstelle, von den Regierungen nicht effizient genutzt.