TV-Duell im US-Wahlkampf Romney sticht Obama aus
Der Präsident schreibt und schreibt und schreibt. Mitt Romney, der Rivale, hält ihm dies vor und jenes, gestikuliert, reiht hastig Worte aneinander. So schnell geht es, dass er manchmal "President" sagt und das "Mr." davor verschluckt. Romney hat ziemlich viel zu sagen bei diesem TV-Duell in Denver. Doch Barack Obama schaut aufs Blatt. Und manchmal grinst er dabei. Nein, diesen Gegner mag er nicht so recht ernst nehmen.
Das ist wohl ein Fehler. Denn Mitt Romney, der Kämpferische, hat an diesem Abend den großen Redner Obama müde, blass und reichlich desinteressiert aussehen lassen. Wer hat dieses erste von drei Duellen gewonnen? Das fragt CNN direkt nach der Debatte. Antwort: 67 Prozent der Befragten sagen Romney, nur 25 Prozent Obama.
Plötzlich gelingt Romney sogar ein Späßchen
Wie konnte das passieren? Obama war als haushoher Favorit nach Denver gekommen, Romney dagegen angeschlagen nach Wochen voller Pannen. Wenn der Ex-Gouverneur von Massachusetts überhaupt noch eine Chance haben wollte, dann musste er punkten bei diesem Duell. Denn Obama steht ja gut da in den Umfragen, musste den Status quo an diesem Mittwochabend also nur halten.

TV-Duell in Denver: Leidenschaftlicher Romney, kühler Obama
Doch schon ganz zu Beginn ihres Aufeinandertreffens - das erste Mal seit 2004 stehen sie gemeinsam auf einer Bühne - überrascht der sonst so steif-trockene Romney. Vor 20 Jahren, sagt Obama, habe ihn Michelle (Präsidenten-O-Ton: "Sweetie") zum glücklichsten Mann gemacht. Denn heute feiern die Obamas ihren Hochzeitstag. Und jetzt Romney, was wird der wohl wieder zusammenstoppeln? Na, sagt er, dann sei doch dies der romantischste Ort, das Jubiläum zu feiern, "hier mit mir". Da erntet er die Lacher.
Romney also hat nicht vor, sich von Mr. Cool die Schau stehlen zu lassen. Seit Wochen hat er sich auf diesen Augenblick vorbereitet. Er weiß, dass es hier für ihn um alles oder nichts gehen kann.
Die Kandidaten sollten mal bitte schön die Unterschiede in ihren Konzepten deutlich machen, fordert jetzt der 78-jährige Moderator Jim Lehrer - danach wird er über 90 Minuten kaum mehr zu Wort kommen. Prompt nimmt sich Obama die Steuerpläne Romneys vor, die eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 35 auf 28 Prozent vorsehen. Auf zehn Jahre gerechnet koste das alles in allem fünf Billionen Dollar, zudem wolle Romney ja auch den Militärhaushalt noch mal um zwei Billionen erhöhen. Diese Politik aber sei schon unter George W. Bush gescheitert, die Mittelklasse belastet und das Land in die Krise gedrückt.
Aber was macht Romney? Der leugnet die Sache mit den fünf Billionen. "So gut wie alles", was der Präsident da über seine Pläne gesagt habe, sei schlicht falsch. Die Reichen würden nicht weniger zahlen im Falle seines Wahlsiegs. Es geht noch ein paar Mal hin und her. Aber Romney beharrt darauf. Obamas Bankenregulierung will er natürlich auch nicht mehr abschaffen, sondern ersetzen. Plötzlich gibt sich der Mann, der sonst so abgehoben, so gefühllos wirkt, weichgespült. Romney wirkt freundlicher.
Schließlich inszeniert er sich sogar als Brückenbauer, als einer, der den Stillstand in Washington überwinden will. Es ist genau jenes Versprechen, mit dem Obama vor vier Jahren die Wähler für sich begeistern konnte. Romney sagt, er habe schon damals in Massachusetts gut mit den Demokraten zusammen gearbeitet.
Und so werde er sich am ersten Tag seiner Präsidentschaft "mit den demokratischen und republikanischen Anführern zusammensetzen, wir müssen zusammenarbeiten, da gibt es viel gemeinsamen Grund". Da wirkt Obama ein bisschen baff, schließlich ist es doch Romneys Partei, die ihm die Zusammenarbeit im Parlament verwehrt. Aber Romney macht immer weiter, verspricht jetzt, sich um jene zu kümmern, denen es nicht gut geht, um die Alten, um die Schüler. Groß ist Romneys Herz an diesem Abend.
Warum ist der Präsident so defensiv?
Was macht Obama? Der attackiert nicht, ist viel zu defensiv. Chance um Chance lässt der Präsident verstreichen, erwähnt nicht mal jenes im Geheimen aufgezeichnete Video, auf dem Romney zu sehen ist, wie er vor schwerreichen Gönnern erklärt, 47 Prozent der Amerikaner würden ihn ohnehin nicht wählen, die fühlten sich als Opfer und vertrauten auf den Sozialstaat.
Romney seinerseits will offenbar keinen zu aggressiven Eindruck erwecken. Er spricht nicht den verunglückten Spruch von Vizepräsident Joe Biden an, den seine Leute den ganzen Tag über streuten: Die Mittelklasse, hatte Biden auf einer Wahlveranstaltung gesagt, sei in den letzten vier Jahren "beerdigt" worden - also in Obamas Jahren. Vor allem aber macht Romney nicht jenes angebliche Enthüllungsvideo zum Thema, das konservative Medien wie Fox News seit Montag rauf und runter spielen.
Dort ist Obama bei einem öffentlichen Auftritt im Jahr 2007 zu sehen, bei dem er der Bush-Regierung unterstellt, der schwarzen Bevölkerung von New Orleans nach dem Hurrikan "Katrina" nicht entschlossen genug geholfen zu haben, und enthusiastisch seinen damaligen Pastor Jeremiah Wright grüßt. Der aber steht mittlerweile nur noch für die schwarze Wut, Obama hat sich längst von ihm getrennt. Schon im damaligen Wahlkampf spielte besagtes Video eine Rolle, ist also nicht neu. Vier Jahre später ist es so eher die Erinnerung an Pastor Wright, die Obama schaden könnte. Bisher hat sich Romney diese Rechtsaußen-Attacke auf Obama nicht zu eigen gemacht.
"Die Unentschlossenen könnte das nachdenklich gemacht haben"
Nein, Herausforderer und Amtsinhaber liefern sich an diesem Abend von Denver einen recht höflichen Wettbewerb. Selbst als es um Obamas Gesundheitsreform geht - die Pflichtversicherung für alle Amerikaner - lässt der Präsident den Rivalen entkommen, der doch insbesondere bei diesem Thema als Flip-Flopper, als Opportunist gilt. Denn Romneys ganz ähnliche Reform in Massachusetts galt Obama als Vorbild. "Wir haben die gleichen Berater genutzt", sagt Obama, "und die sagen, es ist der gleiche Plan." Nein, sagt Romney, sein Plan sei eine Lösung für Einzelstaaten gewesen und überdies habe er das überparteilich geregelt, ganz anders als Obama in Washington. Der Präsident setzt nicht nach.
Was bleibt? "Die Unentschlossenen, die vorher zu Obama neigten, könnte das heute nachdenklich gemacht haben", meint der junge US-Senator Marco Rubio, einer der neuen Republikaner-Stars. "Wäre das ein Boxkampf, dann hätte Mitt gerade nach Punkten gewonnen", sagt Romney-Stratege Eric Fehrnstrom. Die beiden stehen direkt nach der Debatte im Medienzentrum und versuchen, ihre Sicht der Dinge, ihren "Spin", unter die Journalisten zu bringen.
Ein paar Meter weiter steht David Axelrod, einer der engsten Vertrauten Obamas. Ach, sagt Axelrod, der Romney übe doch seit Juni für dieses Duell, "er ist sehr gut unter Druck". Aber im Endeffekt sei er doch weggelaufen vor den Fragen, habe sich mal wieder nicht festlegen wollen.
Nein, sagt Axelrod, das heute, "das war kein Game Change", nichts sei entschieden. Und gleich hinter ihm stimmt einer zu, freilich ohne es zu wissen: "Game Change?", sagt der Republikaner Rubio, "nein, das hier ist ein Prozess." Und auch nach diesem Sieg im ersten TV-Duell bleibt Mitt Romney der Außenseiter.