Rumänien und Bulgarien Auf Probezeit in der EU
Berlin - Seit Montag ist Bulgarien Mitglied der EU, doch für Fluggesellschaften wie Air Sofia ist das kein Anlass zum Jubeln. Sie werden weiter so behandelt, als gehörten sie nicht dazu. Die EU-Kommission verweigert sämtlichen bulgarischen Fluglinien die Zulassung zum Binnenmarkt, weil die teils überalterte Flotte nicht den Sicherheitsstandards entspricht. Hundert Maschinen werden beanstandet, darunter 50 Antonows aus Sowjetbeständen.
Für die Bulgaren bedeutet das: Sie müssen ihre Routen und Landerechte weiterhin mit jedem Staat einzeln aushandeln. Und es könnte noch schlimmer kommen: Sollten die maroden Maschinen nicht bis Februar aus dem Verkehr gezogen sein, droht einzelnen Gesellschaften die Aufnahme in die "Schwarze Liste" der EU. Wer darauf steht, hat Start- und Landeverbot auf allen EU-Flughäfen. Auch die unterbesetzte bulgarische Luftfahrtbehörde ist für Brüssel ein rotes Tuch.
Die Bestrafung der Fluglinien im Dezember war die erste Anwendung einer der vielen Schutzklauseln, die in den Beitrittsverträgen mit Rumänien und Bulgarien stehen. Die harsche Botschaft war wohl kalkuliert: Die EU-Kommission wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie ihre Standards durchsetzen wird.
Das gilt auch für andere Felder. Seit Montag mögen sich Rumänen und Bulgaren zwar EU-Bürger nennen. Ihre Regierungschefs sitzen gleichberechtigt mit am Tisch des EU-Rats in Brüssel, sie stellen zwei Kommissare in der EU-Kommission, und am Flughafen können sie sich mit ihrem bordeauxroten Pass nun an der EU-Schlange anstellen.
Doch werden die Neuen Mitglieder zweiter Klasse sein. Das Prinzip der Freizügigkeit wird für sie in vielen Ländern bis zu sieben Jahre lang nicht gelten. Länder wie Deutschland, Österreich und die Niederlande schotten ihre Arbeitsmärkte fast vollständig ab - wie schon 2004 bei der Ost-Erweiterung, als unter anderem Polen, Ungarn und Tschechien beitraten. Auch Großbritannien und Irland errichten Zugangsbarrieren. Freien Zugang für Rumänen und Bulgaren bieten nur die osteuropäischen sowie einige skandinavische EU-Staaten.
Auch das Reisen ohne Grenzkontrollen bleibt für Rumänen und Bulgaren auf unbestimmte Zeit ein Traum. Während die ersten Teilnehmer der Erweiterungsrunde 2004 schon dieses Jahr dem Schengen-Raum beitreten, wird für Rumänien und Bulgarien noch nicht einmal ein Datum diskutiert.
Am schwerwiegendsten aber sind die Schutzklauseln. Schon bei bisherigen Erweiterungsrunden konnte ein EU-Staat, der eine Branche seiner nationalen Wirtschaft durch die neue Konkurrenz in Gefahr sah, die Kommission anrufen und sich Schutzmaßnahmen genehmigen lassen.
Für Rumänien und Bulgarien kommt nun noch hinzu, dass auch das Nichteinhalten von Beitrittsversprechen geahndet werden kann. Es ist ein bisschen wie eine Probezeit: EU-Kontrolleure wachen über Reformfortschritte und die korrekte Verwendung von EU-Geldern. Beide Regierungen müssen jährlich in Brüssel Rechenschaft ablegen. Auch gibt es eine Unzahl von Fristen: Rumänien etwa muss bis März eine Anti-Korruptions-Behörde einrichten, die das Einkommen von Parlamentariern und ihren Angehörigen kontrolliert.
Kommt die EU-Kommission zum Schluss, dass der Reformeifer nachlässt, kann sie den neuen Mitgliedern Privilegien wieder entziehen und die Teilnahme am Binnenmarkt einschränken. Sie kann ein Handelsembargo für bestimmte Waren verhängen, Diplome nicht anerkennen oder auch Gelder aus den Struktur- und Agrarfonds zurückhalten. Schon jetzt gelten zahlreiche Ausnahmen vom Binnenmarkt, vor allem im Lebensmittelbereich: So dürfen beide Länder kein Schweinefleisch in die EU exportieren, weil noch die Schweinepest grassiert.
Auch in Justizfragen werden die Neuen misstrauisch beäugt. Nach Artikel 38 der Beitrittsakte kann die Kommission jederzeit die automatische Anerkennung von rumänischen und bulgarischen Haftbefehlen oder Gerichtsurteilen aussetzen. Im Unterschied zu früher muss sie für solche Sanktionen nicht erst die Genehmigung des Europäischen Gerichtshofs einholen. Auch andere Sanktionen können auf Antrag im Schnellverfahren binnen fünf Tagen verhängt werden.
Lauter Protest gegen die Behandlung ist bisher nicht vernehmbar. Vorerst überwiegt in beiden Ländern die Erleichterung, dass der Beitritt nicht auf 2008 verschoben wurde.