Russischer Reporter Das sind die Recherchen, die Iwan Golunow fast ins Gefängnis brachten

Iwan Golunow ist einer der profiliertesten Investigativjournalisten Russlands. Mit seinen Recherchen stört er jene im Land, die sich im großen Stil bereichern. Eine Auswahl seiner Texte.
Iwan Golunow, einer der profiliertesten Investigativjournalisten Russlands

Iwan Golunow, einer der profiliertesten Investigativjournalisten Russlands

Foto: Ivan Kolpakov (CC BY 4.0)

Iwan Golunows Kollegen nennen ihn einen gründlichen Rechercheur. Einen, der akribisch an Themen arbeitet, der Wochen, manchmal gar Monate, Informationen sammelt, Datenbanken auswertet, Anfragen an Behörden schreibt, so lange, bis er alle Antworten zusammen hat.

Heraus kommen detaillierte Beschreibungen korrupter Netzwerke, die im großen Stil in Russland abkassieren. Es sind Seilschaften aus Beamten, Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden und Geschäftsleuten in den Regionen des Landes, vor allem in der Hauptstadt Moskau.

Es sind keine Themen, mit denen man einen Pulitzerpreis oder andere internationale Auszeichnungen gewinnen kann. Und es sind Themen, über die nur wenige unabhängige Journalisten berichten: weil sie unbequem sind und weil Reporter in einem korrupten Land wie Russland dafür einen langen Atem brauchen. Dabei ist es so wichtig, genau darüber zu schreiben, weil diese Machenschaften den Alltag vieler Menschen nachhaltig negativ prägen.

Ein Beispiel ist das Bestattungswesen, das als durch und durch korruptes Geschäft gilt, auch in Moskau. Hinterbliebene müssen oft viel Geld für das Begräbnis ihrer Verstorbenen bezahlen. Die Recherchen dazu hätten Golunow, der für das Internetportal "Meduza" schreibt, fast in Haft gebracht. Erst nach großem Druck wurde er nun überraschend aus dem Arrest entlassen.

Der SPIEGEL zeigt hier eine Auswahl wichtiger Artikel von Golunow, der als einer der profiliertesten Investigativjournalisten Russlands gilt:

1. "Ein Sarg, ein Friedhof, Hunderte von Milliarden Rubel. Wie Beamte, Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und Banditen den Bestattungsmarkt aufteilen" (August 2018)

Jedes Jahr sterben zwei Millionen Menschen in Russland, ein Millionengeschäft. Golunow beschreibt in seinem Artikel (den kompletten Artikel auf Englisch  können Sie hier nachlesen und hier das russische Original ), wer in den verschiedenen Städten wie Moskau, Wolgograd oder Sankt Petersburg den Markt des Bestattungswesens beherrscht: Gruppen von Beamten, Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und kriminelle Geschäftsleute. Darunter ist demnach auch der Sohn eines russischen Topbeamten, des stellvertretenden Leiters des Kabinetts von Premier Dmitrij Medwedew. Der Sohn habe ein Unternehmen gegründet, das andere Bestattungsfirmen diskreditierte. Sein Vater, der Vizeleiter, setzte sich dem Bericht zufolge zudem für ein neues Gesetz im Bestattungswesen ein.

2. "Die Penthouse-Familie. Wie Verwandte des stellvertretenden Moskauer Bürgermeisters Milliarden mit Stadtverträgen verdienten, die ein Vermögen in Immobilien anhäufen" (Januar 2019)

Golunow berichtet darüber (den Artikel in englischer Übersetzung finden Sie hier ), wie neun große Penthouses von Familienmitgliedern des Moskauer Vizebürgermeisters Pjotr Birjukow gekauft wurden. Dabei handle es sich um große Häuser mit Panoramafenstern und Blick auf den Kreml. Der Gesamtwert der Wohnungen beträgt demnach mehr als 820 Millionen Rubel (umgerechnet etwa 11,2 Millionen Euro). Woher stammt das Geld? Birjukow leitet seit mehr als einem Jahrzehnt das kommunale Dienstleistungssystem der Hauptstadt, gibt offiziell an, nur wenig eignen Grund und Boden zu besitzen, dafür sind seine Verwandten umso reicher.

3. "'Eine schlecht bemalte, billige Fälschung': Die Restaurierung des Moskauer Steinblumenbrunnens kostete mehr als eine Milliarde Rubel. Warum?" (April 2019)

Der Steinblumenbrunnen ist eines der Wahrzeichen im beliebten Park WDNCh in Moskau, zu Deutsch: Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft. Das Gelände zeigt die Errungenschaften des Sozialismus' und galt in der Sowjetunion als Vorzeigeobjekt, es sollte die Leistungsstärke der sowjetischen Planwirtschaft demonstrieren. Heute ist es ein Erholungs- und Vergnügungspark. Dort gibt es vier Brunnen, darunter den mit Steinblumen. Insgesamt hat deren Renovierung fast drei Milliarden Rubel gekostet, umgerechnet also etwa 41 Millionen Euro. Golunow recherchierte (die englische Übersetzung können Sie hier nachlesen ), dass das Unternehmen, das den Blumenbrunnen nur unzureichend instand setzte, in den vergangenen Jahren fast jeden großen Restaurierungsauftrag in Westrussland erhalten hat - und in eine Reihe von Korruptionsskandalen verwickelt war.

Sie wollen mehr von Golunow lesen? Eine Übersicht seiner Artikel in englischer Übersetzung hat die Redaktion von "Meduza" hier zusammengestellt .

heb
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