Anschlag auf Putin-Kritiker Oppositionspolitiker Nemzow in Moskau erschossen

Vier Schüsse trafen ihn, ganz in der Nähe des Kreml: Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde erschossen. Ermittler gehen von einem Auftragsmord aus.
Oppositionspolitiker Boris Nemzow: Einer der prominentesten Kritiker Putins

Oppositionspolitiker Boris Nemzow: Einer der prominentesten Kritiker Putins

Foto: Alexander Zemlianichenko/ AP

Moskau - Der russischer Oppositionspolitiker Boris Nemzow ist tot. Er sei im Zentrum Moskaus durch vier Schüsse getötet worden, sagte eine Sprecherin des russischen Innenministeriums. Der Tatort sei ganz in der Nähe des Kreml.

Ermittler gehen von einem Auftragsmord aus. Das Innenministerium teilte mit, die Schüsse seien aus einem fahrenden Auto abgefeuert worden, als Nemzow des Nachts zu Fuß eine Brücke vor dem Präsidentensitz überquerte. Die Schüsse des zunächst unbekannten Täters sollen ihn in den Rücken getroffen haben.

Die Staatsanwaltschaft erklärte am Samstagmorgen, der noch nicht identifizierte Täter habe "mindestens sieben bis acht Mal auf Nemzow geschossen, als dieser über die Große Steinerne Brücke lief".

Nemzow soll in Begleitung einer jungen Bekannten aus der Ukraine gewesen sein. Mehrere Zeugen hätten die Tat beobachtet, berichtete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf die Polizei.

Vize unter Jelzin und Wegbereiter von Wirtschaftsreformen

Nemzow startete seine politische Laufbahn als Gouverneur der zentralrussischen Region Nischni Nowgorod. 1997 und 1998 war er unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin Vizeministerpräsident und galt als einer der Architekten der liberalen Wirtschaftsreformen.

Bei der Präsidentschaftswahl 2008 schickte ihn die liberale Partei Union der rechten Kräfte ins Rennen, er legte die Kandidatur aber vor der Wahl nieder.

Vor den Präsidentschaftswahlen 2012 wurde er zu einer Führungsfigur der Proteste gegen die russische Regierung . Nemzow gehörte zu den prominentesten Kritikern Wladimir Putins. Der 55-Jährige hatte unter anderem den Krieg in der Ukraine scharf kritisiert - als russische Aggression. Vor einem Jahr musste er für einige Tage ins Gefängnis, da er gegen Haftstrafen für Regierungsgegner auf die Straße gegangen war.

Putin verurteilte den Mord an Nemzow. Er geht laut seinem Sprecher Dmitri Peskow ebenfalls von einem Auftragsmord aus und setzte einen Sonderermittler ein. Zudem kündigte er an, die Ermittlungen persönlich zu überwachen.

"Großer Verlust für liberal denkende Menschen in Russland"

Die Opposition will an diesem Sonntag ihre erste große Demonstration dieses Jahres gegen die Politik von Putin organisieren. Die Agentur Interfax berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Mord an Nemzow könne eine Provokation sein vor der Aktion der Regierungskritiker. Diese Theorie hält Putin laut Peskow ebenfalls für möglich.

Wegbegleiter von Nemzow sprachen von einem großen Verlust für liberal denkende Menschen im größten Land der Erde. Der frühere Regierungschef Michail Kassjanow sagte im Kreml-kritischen Radiosender Echo Moskwy: "Ich kann es nicht glauben. Was ist aus Russland geworden? Die Aggression wächst."

Der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow warnte vor einem "wachsenden Hass auf Andersdenkende" in der Gesellschaft. "Ich bin schockiert", sagte er. Kein Oppositioneller könne sich heute sicher fühlen in dem Land, betont er. Auch Journalisten seien in Gefahr. In Russland kommt es immer wieder zu Anschlägen auf Kritiker der Kreml-Politik.

Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zeigte sich schockiert über den Mord. "Sie haben Boris umgebracht. Es ist kaum zu glauben. Ich habe keine Zweifel, dass die Täter bestraft werden. Früher oder später", schrieb der prowestliche Staatschef in der Nacht zum Samstag bei Twitter.

sun/Reuters/AFP/dpa
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