Mueller-Bericht ist fertig Trumps Stunde der Wahrheit
Das bestgehütete Geheimnis Washingtons haben bislang nur eine Handvoll hohe Justizmitarbeiter gesehen. Ein Sicherheitsbeamter brachte den fertigen Russlandbericht des Sonderermittlers Robert Mueller am Freitagnachmittag ins US-Justizministerium an der Pennsylvania Avenue. Dort wurde das Dokument innerhalb weniger Minuten dem neuen Minister William Barr übergeben.
Barr - ein Republikaner, der erst seit Mitte Februar im Amt ist - und seine engsten Mitarbeiter arbeiten sich nun durch das "umfassende" Dokument, und Barr will womöglich schon an diesem Wochenende die wichtigsten Erkenntnisse an den Kongress geben und öffentlich machen, in einer Art Zusammenfassung. Ob er den eigentlichen Bericht publiziert, steht freilich noch infrage.

Robert Mueller
Foto: Joshua Roberts/ REUTERSEs ist ein historischer Moment für die USA, aber auch für Präsident Donald Trump. 675 Tage, nachdem Ex-FBI-Chef Mueller seine Russlandermittlungen begonnen hatte, sollen nun endlich zwei wichtige Kernfragen beantwortet werden:
Gab es eine orchestrierte Zusammenarbeit zwischen Trump oder seinem Wahlkampfteam mit russischen Agenten, um die US-Wahlen zu manipulieren? Und:
Hat Trump womöglich später als Präsident die Ermittlungen dazu systematisch behindert?
So lange sich Barr und Mueller freilich nicht öffentlich äußern, bleiben die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts unklar. Immerhin gibt es einige wenige erste Hinweise, die darauf hindeuten, dass Trump zumindest zum Teil auf einen politischen Sieg hoffen kann.
1. Was ist bislang die wichtigste Botschaft?
Die Arbeit des im Mai 2017 berufenen Sonderermittlers war weder umsonst noch eine "Hexenjagd", wie Trump gerne sagte. Muellers Ermittlungen führten zu 34 Anklageerhebungen - unter anderem gegen zwei Dutzend mutmaßliche russische Hacker sowie mehrere enge Vertraute Trumps. Letztere wurden jedoch nicht direkt wegen der Russlandaffäre belangt, sondern wegen anderer Delikte wie Betrug und Steuerhinterziehung - etwa Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort, der kürzlich zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
Doch das war es dann vielleicht auch schon. Mehrere US-Medien berichten unter Berufung auf eine anonyme Quelle im Justizministerium übereinstimmend, dass Mueller per Bericht keine weiteren Anklagen erheben wolle. Das könnte eine gute Nachricht für Trump und sein Umfeld sein, insbesondere für seinen Sohn Donald Junior und Schwiegersohn Jared Kushner: In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, dass die beiden wegen illegaler Kontakte zu Russland angeklagt werden könnten. Offenbar hat Mueller hier aber keine Beweise für strafbares Verhalten gefunden. Ob die unabhängigen Staatsanwaltschaften, etwa in New York und Washington, das aber genauso sehen, bleibt dahingestellt.

Paul Manafort
Foto: Jonathan Ernst / REUTERS2. Was bedeutet der Bericht für Trump selbst?
Bei Trump selbst ist die Sache komplizierter: Ob er in dem Bericht belastet wird oder nicht, ist weiter offen. Nach Richtlinien des Justizministeriums darf ein Präsident zwar nicht angeklagt werden, es wäre aber immer noch möglich, dass Mueller belastendes Material gegen Trump präsentiert - und damit die Grundlage für ein Amtsenthebungsverfahren legt. Im Raum steht zum Beispiel weiter der Verdacht, dass Trump die Ermittlungen der Justiz behindert haben könnte. Diese Unwägbarkeit dürfte auch erklären, warum sich Trump selbst bislang noch nicht zu dem Bericht geäußert hat und fast sein gesamtes Juristenteam im Schlepptau hatte, als er am Freitag fürs Wochenende nach Florida flog. Sollte Mueller am Ende tatsächlich nichts gegen Trump vorbringen, wäre dies zweifellos ein großer politischer Erfolg für den Präsidenten. Trump dürfte einen solchen Quasi-Freispruch dann weidlich auskosten - und damit für seine Wiederwahl 2020 werben.
Davon unberührt blieben indes weitere, unabhängige Ermittlungen, die derzeit in New York laufen. So ist zum Beispiel die Affäre um Schweigegeldzahlungen an eine mutmaßliche Ex-Geliebte Trumps weiterhin nicht abgehakt. Hier steht Trump in Verdacht, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Untersucht werden in New York zudem Trumps Finanzgeschäfte. Auch hier droht ihm weiterhin Ungemach.

William Barr
Foto: Yuri Gripas/ REUTERS3. Was bedeutet das für die Demokraten?
Die Demokraten stecken bisher etwas in der Zwickmühle: Ohne den Bericht gelesen zu haben, können sie sich nicht aus dem Fenster lehnen - zugleich aber wollen sie den Republikanern auch nicht die Deutungshoheit überlassen. Dazu steht politisch zu viel auf dem Spiel, zumal die Demokraten unter starkem Druck ihrer linken Basis stehen, gegen Trump vorzugehen. Mehrere demokratische Präsidentschaftskandidaten forderten deshalb zunächst erst mal, dass Barr den kompletten Bericht öffentlich macht. Auch ist anzunehmen, dass erste Details des Berichts an die Presse lanciert werden, sobald sie dem Kongress vorliegen.
Als nächstes dürften die Demokraten sich auf die vielen Feinheiten stürzen, die Mueller in seinem Bericht zusammengetragen hat - und diese im Rahmen von Kongressanhörungen weiter verfolgen. Womöglich laden sie auch Mueller persönlich vor. Denn auf lange Sicht geht es ja nicht nur um strafrechtliche Anklagen, sondern um das Klima von Korruption und Ethikverstößen im Umfeld Trumps, das die bisherigen Anklageschriften Muellers offengelegt haben. Sollten die Demokraten Trump dabei Verstöße gegen den Amtseid nachweisen können, könnte es trotz allem noch zu einem Impeachment im Kongress kommen. Das wiederum wäre eine politische Entscheidung, keine juristische, und die Mehrheit der Republikaner im Senat dürfte Trump schützen.

Donald Trump
Foto: YURI GRIPAS/ REUTERS4. Wie geht es jetzt weiter?
Justizminister Barr hat gleich nach Eingang des Berichts eine kurze Mitteilung an den Kongress geschickt und für die nächsten Tage eine Zusammenfassung in Aussicht gestellt. Er ist verpflichtet, den Kongress zeitnah über den Bericht und dessen wichtigste Inhalte zu informieren. Er muss aber nicht den gesamten Inhalt preisgeben - auch wenn selbst Trump das unterstützt: "Die Leute sollen ihn sehen", sagte der am Mittwoch.
So oder so: Die Deutung des Berichts wird die extreme Polarisierung des Landes reflektieren - Trumps Basis wird niemals akzeptieren, dass er schuldig wäre. Der Streit um die Offenlegung des gesamten Reports könnte sich dann womöglich auf die Gerichte verlagern, um schlimmstenfalls vom Supreme Court entschieden zu werden.
Die Geschichte ist also noch lange nicht zu Ende.