Russlands Außenminister in Syrien Lawrow auf der dunklen Seite der Macht

Russlands Außenminister Lawrow: "Auf dem festen Boden nationaler Interessen"
Foto: ? Fabrizio Bensch / Reuters/ REUTERSRusslands Außenminister Sergej Lawrow vermag ein "Njet" durchaus unterschiedlich zu intonieren: Lakonisch-stur wie bei Moskaus Nein zum Nato-Raketenschild in Europa, zornig wie beim Nein des Kremls zur Syrien-Resolution am Wochenende (der Westen stehe an der "Grenze zur Hysterie"), oder augenzwinkernd wie damals, als sich der Kettenraucher Uno-Chef Kofi Annans Ansinnen widersetzte, der ein Rauchverbot am New Yorker Sitz der Vereinten Nationen plante.
Manchmal kann aber auch Lawrow nicht Nein sagen: Anfang Februar, US-Außenministerin Hillary Clinton telefonierte ihrem russischen Kollegen wegen des Syrien-Konfliktes gerade erfolglos hinterher, machte Lawrow den Fidschi-Inseln seine Aufwartung, einem Ministaat im Südpazifik. Russland will seinen Einfluss in Asien und Ozeanien ausbauen. Und so ließ es Lawrow klaglos geschehen, als ihn die Gastgeber in ein Hawaii-Hemd und bunten Halsschmuck steckten. Zu seinen Füßen führten sie eigentümliche Rituale auf, die einen bloßen Oberkörper erfordern und lautes Rufen. Das Gesicht von Sergej Lawrow, sonst ganz Russlands personifiziertes außenpolitisches Selbstbewusstsein, zierten Schweißperlen und ein ungewohnt schüchternes Lächeln.
Am Dienstag bricht Moskaus Chefdiplomat zu einer deutlich heikleren Mission auf: Lawrow reist nach Syrien. Am Wochenende hat Moskau gemeinsam mit China seinen alten Verbündeten Baschar al-Assad erneut mit einem Veto im Sicherheitsrat vor einer Resolution bewahrt. Seither stehen die Russen am Pranger.
Russland wie auch China haben mit ihrem Veto nach Worten des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, an Ansehen verloren. Die Ablehnung sei die falsche Nachricht für die syrische Regierung gewesen. Nun habe sie den Eindruck, sie könne alles tun, ohne dass es zu Konsequenzen komme. Druck kommt auch von Seiten der Uno. Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich entsetzt über die zunehmenden Angriffe der syrischen Regierungstruppen auf Regime-Gegner gezeigt. Die Gewalt gegen Zivilisten sei "für die Menschheit absolut nicht hinnehmbar".
Jetzt schaut die Welt auf Lawrow: Wird Moskau einen ernsthaften Vermittlungsvorschlag unterbreiten? Oder doch nur Machthaber Assad den Rücken stärken?
Talent als Entertainer
Die internationale Kritik am russischen Veto wies der Diplomat bereits scharf zurück. Der Weltsicherheitsrat habe übereilt über den Entwurf abgestimmt, sagte Lawrow. "Russland ist in Zusammenarbeit mit anderen Staaten entschlossen, eine Stabilisierung der Situation in Syrien zu erzielen, und zwar auf dem Weg der schnellen Umsetzung dringender demokratischer Reformen", teilte das Außenministerium in Moskau mit. Lawrow selbst wollte sich nicht zu den Zielen seiner Mission äußern, bei der ihn der Chef des Auslandsgeheimdiensts, Michail Fradkow, begleitet.
Russlands Marschroute hat er schon Anfang des Jahres bei seiner großen Pressekonferenz vorgegeben. "Außenpolitik basiert auf dem festen Boden nationaler Interessen, frei von Ideologie", sagte er da. Moskaus außenpolitische Schlachten hat der Karrierediplomat in den vergangenen drei Jahrzehnten an vorderster Front geschlagen. In den achtziger Jahren diente Lawrow in Moskaus Vertretung bei der Uno in New York. 1994 bis 2004 leitete er die russische Mission. In den Jahren 2002 und 2003 ließ er Washingtons Werben um Russlands Unterstützung beim Irak-Krieg abtropfen. Wladimir Putin machte ihn schließlich 2004 zum Außenminister.
In der russischen Regierung ist der stets souverän auftretende Lawrow eine Ausnahmeerscheinung. Während seine meist blassen Ministerkollegen ihre Kontakte mit Journalisten auf ein Mindestmaß reduzieren, lädt der Außenpolitiker die Moskauer Korrespondenten einmal im Jahr zum Neujahrsempfang. Dann wagt er sich auch selbst zum Plausch unter die Gäste und steht Rede und Antwort.
Ausländische Amtskollegen schätzen Lawrow nicht nur wegen seiner Erfahrung. Der Außenminister, der in der Freizeit gern mit Regierungskollegen Fußball spielt und mit Uni-Freunden zum Rafting geht, hat Talent als Entertainer. Als Alumnus von Russlands angesehener Diplomatenschule MGIMO dichtete er seiner Alma Mater eine Hymne, in der es heißt: "Lernen bis zum Umkippen und trinken bis zum Schluss. Nicht stürzen, stur bis zum Ziele gehen." 2005 erschien er beim bunten Abend eines Außenministertreffens in lilafarbener Robe und mit Kapuzenumhang auf der Bühne, in der Hand trug er Lichtschwert wie die Helden der "Star Wars"-Filme. Lawrows Auftritt im Kostüm der Jedi-Ritter war der Höhepunkt der Veranstaltung.
Dass der Russe Macht und Einfluss anders als die "Bewahrer von Frieden und Gerechtigkeit in der Galaxie" derzeit mehr als Verteidiger von irdischen Diktatoren und Despoten einsetzt, hat Gründe: Er wünsche sich, dass "unsere westlichen Partner sich endlich von der Illusion der Ewigkeit ihrer Dominanz verabschiedeten", hat Lawrow einmal gesagt. Die Richtlinienkompetenz in der russischen Außenpolitik liegt zudem beim Kreml, der Veto-Stimme und Atommacht-Status fast ausschließlich als Faustpfand im Ringen um nationale Interessen auffasst.
In seiner Zeit als Uno-Botschafter tat sich Lawrow als leidenschaftlicher Zeichner und selbstironischer Beobachter der eigenen Zunft hervor. Die Zeit während der langen Sitzungen vertrieb er sich mitunter mit Kritzeleien. Eine der Zeichnungen, sie entstand wohl während einer Sitzung über eine Irak-Resolution, vermachte er vor zehn Jahren seinem deutschen Kollegen, Hanns Schumacher. "Diplomacy" stand da in schnörkeligen Worten, gefolgt von den Adjektiven "deep (tiefgründig)", "low (heruntergekommen)" und "messy", was verworren bedeuten mag. Oder schmutzig.