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Terrorermittlungen in Sankt Petersburg: Attentat im Untergrund

Foto: GRIGORY DUKOR/ REUTERS

Anschlag in Russland Der Terror trifft Sankt Petersburg

In der Metro in Sankt Petersburg explodiert eine Bombe: Mindestens elf Menschen sterben, zahlreiche werden verletzt. Die Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin wirkt plötzlich schutzlos.

Wjatscheslaw Wesselow kommt an der Metrostation Technologisches Institut an, als er merkt, dass was nicht stimmt. Er steigt aus dem Zug, als er Sicherheitskräfte sieht, die sich über reglose Körper beugen, er sagt, er erinnert sich an sechs Menschen auf dem Boden.

Er weicht zurück, steigt wieder in den Wagon, doch der Zug fährt nicht weiter. "Ich bin dann wieder raus, eine Metro-Mitarbeiterin hat hektisch gerufen, wer von den Männern mit anfassen kann, um die Leichen zu tragen." Zwei Freiwillige melden sich.

Wesselow und die anderen werden aufgefordert, die Station zu verlassen. Der etwa 60 Jahre alte Mann steht gegenüber vom Eingang der Station in Sankt Petersburg - noch immer ertönt dort aus den Lautsprechern: "Sehr geehrte Passagiere, die Metro wird geschlossen."

Medien zeigen Foto eines angeblich Verdächtigen

Dabei fährt die U-Bahn längst nicht mehr, sie ist geschlossen worden. Hubschrauber landen, Feuerwehrmänner kommen mit Schläuchen aus der Metro, überall stehen Polizisten. Ein Fahrzeug mit Blaulicht rast heran, es ist ein Wagen der Ermittler. Über die Kreuzung weht der Geruch von Rauch.

Wenige Minuten später lesen die Menschen auf ihren Mobiltelefonen, dass Sankt Petersburg, die zweitgrößte Stadt Russlands, nach Angaben der Behörden Ziel eines Terroranschlags geworden ist. Da kursieren bereits Videos von dem Waggon, in dem die Bombe zwischen den U-Bahn-Stationen Sennaja Ploschtschad und Technologisches Institut explodierte. Die Tür ist zerfetzt, Blut ist zu sehen. Mindestens elf Menschen starben, mehr als 40 müssen verletzt ins Krankenhaus.

Später finden die Ermittler einen weiteren Sprengsatz in der Station Ploschad Wosstanija, der nicht explodiert ist, angeblich mit größerer und stärkerer Detonationskraft. Medien veröffentlichen ein Foto, das einen Verdächtigen in der Metro zeigen soll, ein Mann mit Bart und schwarzem Hut.

In der Fünf-Millionen-Stadt, die beliebt ist bei den Touristen wegen ihrer alten Architektur und der Ermitage, ist es mit der Ruhe vorbei. "Ich verstehe nicht, warum sie uns noch in die Metro gelassen haben. Da war doch schon klar, was passiert ist", ruft ein junges Mädchen in ihr Handy. Andere versuchen herauszufinden, wie sie nun nach Hause kommen, sie wollen schnell weg.

Hunderte sind es, die an der abgesperrten Metrostation vorbeieilen, viele machen im Vorbeigehen ein Foto. Wer noch vor der Metrostation steht, versucht erst einmal zu verstehen, was passiert ist.

Antonina Aljochina

Antonina Aljochina

Foto: SPIEGEL ONLINE

"Schlimm ist das", sagt Antonina Aljochina, 30 Jahre. Sie ist Dozentin für Mathematik am Technologischen Institut. "Ich hatte Glück." Sie sei zu faul gewesen, in die Metro runterzufahren und sei stattdessen mit dem Bus gefahren. Angst habe sie nicht, "ich glaube an Schicksal". Als der Unterricht an ihrer Universität abgebrochen worden sei, hätten die Studenten bereits über die sozialen Medien gewusst, dass es eine Explosion gab.

Roman Romanow erfuhr es von seinen Eltern, die ihn besorgt anriefen. Der 22-jährige Student für Eisenbahn-Ingenieurswesen kam gerade aus der Metro, als ihm Sicherheitskräfte entgegenliefen. Jetzt steht er immer noch vor dem Absperrband, neben ihm eine Handvoll Polizisten. "Ich spüre schon einen Anflug von Panik in der Stadt." Die Menschen seien hektisch, sie machten sich Sorgen, was nun komme. Sankt Petersburg galt als sicher, 20 Jahre hat es keinen Anschlag oder Angriff gegeben. Im Juni soll hier der Confederations Cup eröffnet werden, die Generalprobe für die Fußball-WM 2018.

Roman Romanow

Roman Romanow

Foto: SPIEGEL ONLINE

Ob er glaube, dass der Anschlag mit dem Besuch von Präsident Wladimir Putin in der Stadt zu tun habe. "Ja, das glaube ich schon, das war kein Zufall", sagt Romanow. Putin trifft am Montag in Sankt Petersburg den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko.

Viele weisen darauf hin, dass es die Heimatstadt von Putin und Premier Dimitrij Medwedew ist. Der Anschlag sei eine Ohrfeige für den Staatschef, sagen sie. Andere sagen, dass jede Großstadt ein mögliches Ziel sei, eben leider auch Sankt Petersburg. Es ist bereits das sechste Mal seit 2000, dass russische U-Bahnen Ziel einer Bombe wurden, doch es traf bisher vor allem die Metro in Moskau.

Putin schaut am späten Abend persönlich am Anschlagsort vorbei. Plötzlich steigt er aus dem Auto und überrascht die Trauernden.

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Gerüchte kursieren im Internet über die Tat und die Attentäter, doch bisher ist nichts Genaues über den Hintergrund bekannt. Es wird wegen Terrorismus ermittelt, zwei Verdächtige werden gesucht. Die Menschen auf der Straße vermeiden Spekulationen. Der Bürgermeister Georij Poltawtschenko ordnet drei Tage Trauer in der Stadt an.

Meldungen verbreiten sich, dass Busse und Taxis umsonst fahren. Natalja Maximowa ist noch nicht so weit zu schauen, wie sie nach Hause kommt. Sie sammelt sich erst einmal. "Unsere Bahn wurde gestoppt. Wir mussten raus", erzählt sie. "Erst auf der Rolltreppe habe ich erfahren, was vorher passiert ist. Alle waren schockiert."

Ludmilia, 58 Jahre, wartet an einer Bushaltestelle. Sie habe ein mulmiges Gefühl, sagt sie. Aber sie würde wieder in die Metro steigen. "Was soll ich machen? Ich brauche die Metro, um mich zu bewegen", sagt sie. "Ich hoffe, die Metro macht morgen wieder auf."

Im Video: Christina Hebel beschreibt die Situation vor Ort

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Mitarbeit: Wladimir Schirokow
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