Streit über Gabriels Libanon-Äußerung Saudi-Arabien ruft Botschafter aus Berlin zurück

Botschaft von Saudi-Arabien in Berlin
Foto: Tilman Vogler/ dpaSaudi-Arabiens Regierung zeigt sich verärgert über Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD): "Saudi-Arabien hat beschlossen, seinen Botschafter in Deutschland zu Konsultationen zurückzurufen", meldete die amtliche Nachrichtenagentur SPA. Es geht demnach insbesondere um Aussagen Gabriels, wonach der zurückgetretene libanesische Regierungschef Saad Hariri nicht gegen seinen Willen in Saudi-Arabien festgehalten werden dürfe.
Ein Protestbrief dazu wird laut SPA auch dem deutschen Botschafter in Riad überreicht. Die Nachrichtenagentur zitierte einen Sprecher des saudi-arabischen Außenministeriums, der von "gefährlichen Erklärungen" Gabriels sprach, die auf "falschen Informationen beruhen und der Stabilität der Region nicht dienlich sind". Riad gehe davon aus, dass dies nicht die Position der "befreundeten" Bundesregierung sei.
Gabriel hatte am Donnerstag den libanesischen Außenminister Gebran Bassil in Berlin getroffen. Danach sprach er von einer "brandgefährlichen Entwicklung im Libanon" und warnte vor "blutigen Auseinandersetzungen" in dem Land sowie mit Nachbarländern. Er prangerte - ohne Saudi-Arabien direkt zu nennen - "politisches Abenteurertum" in der Region an und forderte eine Rückkehr Hariris nach Beirut. Dabei lobte er die französische Einladung für Hariri nach Paris. Niemand dürfe Hariri und seine Familie daran hindern, diese Einladung anzunehmen.
Das Auswärtige Amt verteidigte das Vorgehen am Samstag. "Wir haben angesichts der aktuellen Lage große Sorge über die Stabilität in der Region und rufen alle Seiten zum Abbau der Spannungen auf", hieß es in einer Erklärung. "Dies offen anzusprechen, ist unter engen internationalen Partnern möglich und selbstverständlich." Auf Saudi-Arabien und den Abzug des saudi-arabischen Botschafters ging die Erklärung nicht namentlich ein. In allgemeiner Form hieß es: "Wir richten unsere Botschaft an alle Akteure der Region."
Der libanesische Regierungschef hatte am 4. November in der saudi-arabischen Hauptstadt überraschend seinen Rücktritt erklärt, wobei er schwere Vorwürfe gegen Iran und die proiranische Hisbollah-Bewegung erhob, mit der er eine Koalitionsregierung gebildet hatte. Hariri gab dabei zur Begründung auch an, dass er im Libanon um sein Leben fürchten müsse. Die Umstände seines Rücktritts führten zu Spekulationen, dass Riad ihn zum Rücktritt gezwungen habe. Libanons christlicher Präsident Michel Aoun erhob den Vorwurf, dass Hariri in Saudi-Arabien festgehalten werde. Denn nach libanesischer Tradition wird ein Rücktritt schriftlich direkt beim Präsidenten eingereicht.
"Das ist eine Lüge"
Nach tagelangen Spekulationen und diplomatischen Bemühungen flog Hariri zusammen mit seiner Frau am Samstag von Riad nach Paris. Unklar war, ob auch ihre Kinder dabei waren. Hariri ist in Saudi-Arabien aufgewachsen und besitzt auch die Nationalität des Königreichs. Kurz vor dem Abflug hatte Hariri per Twitter mitgeteilt: "Zu sagen, dass ich in Saudi-Arabien festgehalten werde und es mir verboten sei, das Land zu verlassen, ist eine Lüge." Dabei wandte er sich explizit an Gabriel.
In Paris wird Hariri am Mittag von Präsident Emmanuel Macron im Elysée-Palast empfangen. Macron hatte Hariri nach Paris eingeladen, weil er nach eigenen Worten auf eine Entspannung in dem Konflikt hofft. Es gehe jedoch nicht um ein "Exil" für den 47-jährigen Regierungschef, sondern nur um "einige Tage" Aufenthalt für Hariri, betonte der französische Staatschef. Frankreich war bis 1943 Schutzmacht des Libanon, danach wurde das Land unabhängig.
Der Rücktritt Hariris droht das fragile Gleichgewicht im Libanon zu zerstören und die seit dem Ende des blutigen Bürgerkriegs 1990 ohnehin nie gelösten Konflikte zwischen den Volksgruppen erneut zu verschärfen. Es wird von vielen befürchten, dass der Staat zum Schauplatz eines neuen Stellvertreterkrieges zwischen den rivalisierenden Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien werden könnte.