Amtseinführung des US-Präsidenten Washington rüstet sich für Obamas Eid

Die feierliche Amtseinführung Obamas soll das Fest des Jahres in Washington werden, Sicherheitsexperten bereitet der Termin im Januar Sorgen: Eine Flut von Morddrohungen gegen den Demokraten alarmiert den Secret Service. Die Hauptstadt wird zum Hochsicherheitstrakt.

Der Brunnen zu Füßen des Kapitols ist trockengelegt, mit Sand gefüllt und unter Gerüsten verschwunden. Ringsum zimmern Handwerker an gewaltigen Plattformen. Gut tausend Quadratmeter messen die Holztribünen, die die Marmorterrassen an der Westflanke des US-Kongresses verdecken. Mehr als 2600 Gäste sollen hier Platz finden, inklusive eines Chors - und US-Präsident Barack Obama.

Bis zu dessen zweiter Amtseinführung sind es noch knapp zwei Monate. Doch schon jetzt laufen die Vorbereitungen für Washingtons Festakt des Jahres auf Hochtouren. Das Kapitol, vor dem Obama den Eid ablegen soll, ist bereits abgesperrt. Und auch am anderen Ende der Pennsylvania Avenue, direkt vor dem Weißen Haus, wurden gerade erste Tribünen für die Parade angeliefert.

Zwar wird Obamas zweite Amtseinführung am 21. Januar wohl nicht so viele Menschen anziehen wie sein erster Amtseid 2009, zu dem 1,8 Millionen Menschen auf die Mall strömten, Washingtons Prachtmeile. Trotzdem rechnen die Behörden mit Hunderttausenden. Die meisten Hotels in der Hauptstadt sind seit langem ausgebucht.

Der Festakt ist eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte. Wie schon vor vier Jahren wird Washington zur Festung. Ein Grund dafür sind offenbar auch die unverminderten Morddrohungen gegen Obama, die zu dessen Wiederwahl erneut in den Fokus rückten.

Das US-Heimatschutzministerium klassifiziert die Vereidigung als "National Special Security Event". Das gibt Mittel frei für die "umfangreiche Planung und Koordination". Der Secret Service, der den Präsidenten beschützt, tüftelt nach Angaben der Kongresszeitung "The Hill" gemeinsam mit FBI, Kapitolspolizei und der Joint Task Force des Militärs seit Monaten an Einsatzplänen.

Als Vorlage dient die Amtseinführung 2009, die von beispiellosen Schutzmaßnahmen begleitet war: Damals waren 8000 Polizeibeamte aus fast hundert Städten im Einsatz, plus zahllose Agenten des Secret Service und des FBI, sowie 11.000 Soldaten, darunter Kampfpiloten und Sondereinheiten für ABC-Angriffe.

In den Tagen vor der Feier hielt eine konkrete Attentatswarnung das Weiße Haus auf Trab, bis sie sich als Fehlalarm erwies. Dennoch gab es anschließend Kritik an den teils chaotischen Zuständen auf der Mall. Und inzwischen gilt der Secret Service auch noch als skandalgeschwächt und überlastet. Einfacher ist die Lage also nicht.

"Obama ist der meistbedrohte Präsident der Geschichte"

Der Secret Service selbst hält sich bisher noch bedeckt. Doch die Anspannung ist offensichtlich, nicht nur bei den Behörden. So postete die Website Daily Kos vergangene Woche einen fast panischen Blogeintrag unter der Überschrift: "Obama ist der meistbedrohte Präsident der Geschichte." Darunter folgte ein apokalyptisches Szenario: "Der Tod von Präsident Obama wäre ein so schwerer Schlag, dass er unsere Nation an den Wurzeln zerstören würde."

Die dazu zitierte, offiziell unbestätigte Statistik - "pro Tag mehr als 30 potentielle Morddrohungen" gegen Obama - ist zwar nicht neu, die steigende Nervosität wird aber auch an anderer Stelle spürbar. Man informiere Obama schon gar nicht mehr über alle Drohungen, sagte Bob Kierstead, der Leiter der Secret-Service-Niederlassung in Seattle, noch im August. "Die schiere Zahl wäre überwältigend."

Kiersteads Zunft ist üblicherweise sehr verschwiegen, doch die Äußerung hatte einen Anlass. Seattles Justiz hatte einen Mann angeklagt, der Obama mit dem Tod gedroht haben und dazu Sprengstoff, Gewehre und Pistolen "mit Hunderten Schuss Munition" gehortet haben soll. Staatsanwältin Jenny Durkan sprach von einer "deutlichen Mahnung daran, dass wir diese Mord- und Gewaltdrohungen ernst nehmen müssen".

Terrorgruppen, Extremisten, Einzelkämpfer

Viele Fälle entpuppen sich als Hirngespinste. Doch die Drohungen offenbaren den unterschwelligen Hass mancher Kreise auf den ersten schwarzen Präsidenten Amerikas. Hinzu kommt die allgegenwärtige Terrorgefahr. Das "Bedrohungsumfeld" für Obama "ändert sich ständig", sagte Secret-Service-Direktor Mark Sullivan im März vor dem Kongress. "Diese Bedrohungen kommen unter anderem von nationalen und internationalen Terrorgruppen, einheimischen, gewalttätigen Extremisten und Einzelkämpfern." Der Secret Service rüste sich für "jede Art von Gefahr".

Es ist keine leichte Aufgabe für den Dienst. Nicht nur wegen des Sexskandals vom Frühjahr habe der Secret Service "ein höllisches Jahr" hinter sich, schrieb Marc Armbinder, der die Agenten monatelang begleitet hat, im Magazin "GQ". Wahlkampf, Parteitage, Debatten, Auslandsreisen, Uno-Vollversammlung: Zwar seien da "mehrere Attentatspläne vereitelt" worden, doch mit dem Kampfgeist sei es zurzeit nicht weit her.

Die Öffentlichkeit erfährt von all dem wenig. Jede Bedrohung Obamas, die es in die Schlagzeilen schafft, lässt weitere Hunderte erahnen, die der Secret Service aus Angst vor Trittbrettfahrern geheim hält.

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Obamas Amtseinführung: Alptraum für die Sicherheitsbehörden

Foto: Carolyn Kaster/ AP

Im Vorlauf zur Wahl mehrten sich die Berichte allerdings - und selbst Prominente spielten dieses üble Spiel mit. So brockte sich Rocker Ted Nugent einen Besuch des Secret Service ein, weil er Obama in einer Rede vor der Waffenlobby NRA als "widerwärtig, böse und Amerika hassend" beschimpft hatte: "Wir müssen auf dieses Schlachtfeld reiten und ihnen im November die Köpfe abschlagen!"

Wirklich ernstzunehmende Täter würden sich natürlich nie öffentlich ankündigen. Weshalb die wahre Gefahr stets im Verborgenen liegt.

Gerade das zeigte auch der Attentatsalarm vor Obamas Amtseinführung 2009. Der Verdacht drehte sich, wie die "New York Times" später enthüllte, um somalische Terroristen, die angeblich aus Kanada kommen wollten. Der Bericht sei so glaubwürdig gewesen, dass US-Verteidigungsminister Robert Gates an einen geheimen Ort geschafft worden sei, um im Ernstfall die Nachfolge Obamas anzutreten.

Am Ende war der Bericht eine Finte. Trotzdem sorgte die Episode dafür, dass die Behörden einen umfassenden Plan für den Fall eines Bombenanschlags entwickelten. Derselbe Plan soll auch jetzt wieder zum Einsatz kommen.

Einer muss sich solche Sorgen nicht mehr machen: Obamas Wahlrivale Mitt Romney. Dem Republikaner entzog der Secret Service noch in der Wahlnacht den Schutz. Nach Informationen Armbinders gab es dazu nur einen knappen Funkspruch an alle Agenten: "Einheiten Javelin, Jockey (Codenamen für Mitt und Ann Romney), alle Posten, einstellen."

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