Schengen-Streit Dänemarks Rechte setzt Grenzkontrollen durch

Dänische Polizisten an deutscher Grenze: Keine Schlagbäume, aber wieder Kontrollen
Foto: Karsten Sörensen/ dpaKopenhagen - Die geforderten Schlagbäume wird es zwar nicht wieder geben, aber ansonsten hat sich die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DVP) mit ihrer harten Ausländerpolitik durchgesetzt: Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Schengener EU-Vertrags und der dadurch bedingten Freizügigkeit lässt Dänemark im Alleingang wieder seine Grenzen zu Deutschland und Schweden kontrollieren.
Darauf einigte sich die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen am Mittwoch mit DVP-Chefin Pia Kjærsgaard. "Das ist einfach gesunde Vernunft", verkündete Kjærsgaard lächelnd. "Wir haben uns darauf geeinigt, die Kontrollen an den dänischen Grenzen so schnell wie möglich einzuführen", sagte Finanzminister Claus Hjort Frederiksen. Die Maßnahme solle in zwei bis drei Wochen umgesetzt werden. Die Zustimmung im Parlament steht noch aus, gilt aber als wahrscheinlich.
Auch am wichtigsten deutsch-dänischen Übergang Padborg bei Flensburg wird es damit wieder "permanente Kontrollen" durch Zöllner bei Ein- und Ausreisenden geben. Man müsse all die "Kriminellen" aus Osteuropa und illegal einreisende Wirtschaftsflüchtlinge bremsen, hatte Kjærsgaard in den vergangenen Wochen gefordert. Finanzminister Frederiksen äußerte sich am Mittwoch ähnlich: In den vergangenen Jahren habe es eine Zunahme grenzüberschreitender Kriminalität gegeben, dem müsse entgegengewirkt werden. Kjærsgaard sagte mit Blick auf die Sorge deutscher Nordsee-Urlauber auf dem Weg an die dänischen Küsten: "Die meisten werden mit einem freundlichen Lächeln durchgewunken."
Aufrüstung an der Grenze
Der neue dänische Kurs trifft auf Unverständnis in Europa. "Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Dänemark über die Hintertür des Zolls steht im krassen Gegensatz zum Geist des Schengener Vertrags", sagte EVP-Fraktionsvize Manfred Weber (CSU) zu SPIEGEL ONLINE. Es könne nicht sein, "dass sich Dänemark nur die Rosinen aus dem Schengen-Vertrag herauspickt, wie etwa die Kooperation bei der Verbrecherjagd".
Weber warnt die Dänen vor Konsequenzen: "Wenn das Land die Zusammenarbeit im Schengen-Rahmen nicht will, soll es das Abkommen verlassen. Die Menschen in Dänemark würden sehr bald die Nachteile spüren." Offenbar nehme das Kirchturmdenken in einigen Staaten der EU wieder Überhand: "Es ist der Versuch, aus parteipolitischem Kalkül Europa madig zu machen. Das dürfen sich die Europäer nicht gefallen lassen", so Weber.
Die Bundesregierung reagierte relativ gelassen. Aus Berliner Regierungskreisen hieß es, allen Anzeichen nach stelle Dänemark das Abkommen über den grenzfreien Schengen-Raum nicht generell infrage. Vertreter der Wirtschaft im nördlichen Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel.
Der SPD-Politiker Martin Schulz kritisierte die dänische Regierung scharf. Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament sagte dem "Tagesspiegel", die Wiedereinführung der Kontrollen seien reiner Populismus und Scheinpolitik: "Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lässt sich mit Sicherheit nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen." Mit Blick auf die Pendler, die regelmäßig die deutsch-dänische Grenze überqueren, meinte Schulz, "der praktische europäische Berufsalltag" werde "in ein Chaos gestürzt".
Der FDP-Innenexperte im Europaparlament, Alexander Alvaro, sagte dem "Tagesspiegel", es stelle sich die Frage, ob Dänemark überhaupt noch Mitglied im Schengen-Raum bleiben könne. "Wenn sich Dänemarks Regierung von den Rechtspopulisten so unter Druck setzen lässt, dass sie die Axt an eine der europäischen Grundfreiheiten legt, dann stellt sich auch die Gretchenfrage der Mitgliedschaft Kopenhagens im Schengen-Raum", so Alvaro.
20 Millionen Euro für Überwachungstechnik
Dänemark plant auch neue technische Überwachungseinrichtungen zum Beispiel zum Scannen von Fahrzeugkennzeichen. Das lässt sich die Regierung 150 Millionen Kronen (20 Millionen Euro) kosten. Bis 2015 sind außerdem 120 Millionen Kronen für zusätzliche Zöllner und Polizisten vorgesehen. Kontrollgebäude sollen neben dem Autobahnübergang Padborg auch an drei Übergängen an Landstraßen sowie in den Fährhäfen Rødby, Gedser und Helsingør stehen.
Außerdem ist der Einsatz von mobilen Kontrollteams an kleineren Übergängen und in internationalen Zügen geplant. Deutlich verstärken wollen die Skandinavier auch die verdeckte Fahndung im Grenz-Umland nach Drogen- und Waffeneinfuhren. Auch soll die Grenze an der Öresundbrücke zu Schweden ständig kontrolliert werden.
Grund für die Aufrüstung an der Grenze ist auch die politische Gemengelage in Kopenhagen. Seit zehn Jahren bestimmen die Rechtspopulisten als Mehrheitsbeschaffer den Kurs dort mit. So rang Kjærsgaard der Mitterechts-Minderheitsregierung neue Verschärfungen beim Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht für Ausländer ab und gab als Gegenleistung ihr Ja zum jeweiligen Haushalt oder anderen Regierungsvorhaben.
Frederikson betonte, die Kontrollen würden nicht gegen die Schengen-Verträge verstoßen. Und: Dänemark will weiter Teil des Schengen-Raumes bleiben. Die EU-Kommission will erst nach ausführlicher und detaillierter Unterrichtung durch die dänische Regierung Stellung nehmen. "Wir möchten gerne ein offizielles Dokument sehen, wir möchten gerne etwas von der Regierung hören", sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Erst dann wolle sich die Kommission zur Frage äußern, ob sie die Pläne der Regierung in Kopenhagen für legal hält.
Die für Innere Sicherheit zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström, eine Schwedin, berät am Donnerstag in Brüssel mit den Innenministern der 27 EU-Staaten über mögliche Änderungen der Regeln für die 25 Staaten umfassende Schengen-Zone. In diesem Gebiet sind die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft.
Auch Frankreich und Italien wollen eine zeitweilige Rückkehr zu Grenzkontrollen ermöglichen, sofern beispielsweise die Grenzen unter Druck von Flüchtlingen geraten. Bisher sind im Schengen-Raum solche Kontrollen nur "im Fall einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" befristet möglich. Damit können etwa Hooligans von Reisen zu Sportereignissen abgehalten werden. Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) macht sich vor der Sitzung erneut für erleichterte Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums stark.