

Bangkok - Bei neuer Gewalt in der thailändischen Hauptstadt Bangkok ist ein prominenter Anführer der Proteste am Kopf angeschossen und schwer verletzt worden. Ein Demonstrant wurde später, als die Lage weiter eskalierte, von einer Kugel ebenfalls am Kopf getroffen - er ist Reportern zufolge offenbar tot. Weitere Menschen seien verletzt worden, als Sicherheitskräfte das Feuer auf mehrere hundert angreifende Demonstranten eröffneten.
Die Schüsse fielen am Donnerstagabend Ortszeit, nachdem die thailändische Armee den Befehl erhalten hatte, das von den sogenannten Rothemden besetzte Geschäftsviertel abzuriegeln. Die Demonstranten könnten das Gebiet zwar verlassen, aber nicht mehr betreten, sagte ein Armeesprecher. Die Soldaten dürften für Warnschüsse und zur Selbstverteidigung gegen "bewaffnete Terroristen" auch scharfe Munition einsetzen.
Bei dem verwundeten prominenten Anführer der oppositionellen Rothemden handelt es sich um Generalmajor Khattiya Sawasdipol, einen Überläufer. Er hat einen Kopfschuss erlitten. Über seinen Zustand gab es zunächst keine genaueren Informationen. Ein Gehilfe Khattiyas beschrieb dessen Verletzungen als "ernst". Der Schuss sei offenbar von einem Scharfschützen abgegeben worden. Der 58-jährige Khattiya gilt als militärischer Führer der Rothemden und hatte sie in den vergangenen Wochen in ihrem erbitterten Protest gegen die Regierung bestärkt.
Erklärtes Ziel der Armee war es, die oppositionellen Rothemden in ihrem Protestcamp zu isolieren und sie daran zu hindern, sich mit Nachschub zu versorgen. Am Abend waren dann in dem besetzten Geschäftsviertel Schüsse und zwei schwere Explosionen zu hören.
Zunächst hatte die Regierung angekündigt, in dem seit Wochen von Tausenden Rothemden besetzten Viertel die Strom- und Wasserversorgung abzustellen. Da die Maßnahme auch Hotels, ausländische Botschaften, Krankenhäuser und Schulen betroffen hätte, verzichtete sie jedoch darauf.
Ein Einschreiten der thailändischen Sicherheitskräfte in dem durch Barrikaden aus Bambusstöcken und Autoreifen geschützten Protestcamp ist heikel, weil sich dort auch Frauen und Kinder aufhalten. Anfang April waren bei einem Versuch der Sicherheitskräfte, die Rothemden auseinander zu treiben, 25 Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden.
Regierungschef zieht Angebot von Neuwahlen zurück
Am Mittwoch hatten die Rothemden ein Ultimatum von Regierungschef Abhisit Vejjajiva verstreichen lassen, der ein Ende der Blockade des Zentrums von Bangkok gefordert hatte. Der Ministerpräsident erklärte daraufhin, er ziehe sein Angebot zurück, im November vorgezogene Parlamentswahlen abhalten zu lassen. "Ich habe den Wahltag abgesagt", sagte Abhisit. Er habe die Sicherheitskräfte angewiesen, so schnell wie möglich für "Normalität" in Bangkok zu sorgen.
Abhisit hatte in der vergangenen Woche dem Druck der Rothemden nachgegeben und eine vorzeitige Auflösung des Parlaments vorgeschlagen. Seine Gegner erklärten sich im Grundsatz mit dem Versöhnungsplan einverstanden, verknüpften ihn jedoch mit immer neuen Forderungen.
Nach der Absage der vorgezogenen Wahlen kündigte die Opposition an, weiter für ihre Ziele zu kämpfen. "Die Regierung begeht Selbstmord, wenn es keine Wahlen gibt", sagte einer ihrer Anführer, Weng Tojirakarn. Ein anderer Anführer der Rothemden, Jatuporn Prompan, rief den Demonstranten im Protestcamp zu: "Wir sind bereit, die letzte Schlacht mit Abhisit zu schlagen."
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Feuer auf die Demonstranten: In Bangkok spannt sich die Lage immer mehr an.
Massive Militärpräsenz in Thailands Hauptstadt Bangkok wegen der Proteste gegen die Regierung: Die Soldaten setzten auch ihre Gewehre ein. In der Stadt waren immer wieder Schüsse zu hören.
Angeschossener Khattiya Sawasdipol: Die Gewalt in Bangkok ist am Donnerstag eskaliert.
Generalmajor Khattiya: Einer seiner Mitstreiter sprach von "ernsten" Verletzungen.
Khattiya wenige Stunden vor den Schüssen: Er war zu den Rothemden übergelaufen und hatte sie in ihrem Protest gegen die Regierung in Bangkok bestärkt.
Demonstranten in Bangkok: Die Behörden haben angedroht, das besetzte Gebiet in der Innenstadt von der Außenwelt abzuriegeln.
Soldaten in Bangkok: Sie erhielten die Erlaubnis, notfalls auch mit scharfer Munition auf die Demonstranten zu schießen.
Demonstrant im Camp der Rothemden: Mit Steinschleudern gegen Gewehre.
Rothemden in Bangkok: Bereits Ende April eskalierte die Gewalt. Am 22. April schlugen Granaten in der Hauptstadt Bangkok ein, viele Menschen wurden verletzt.
Die Oppositionellen standen am folgenden Tag auf meterhohen Barrikaden aus Lastwagenreifen. Sie drohten den Polizisten mit scharf angespitzten Bambusstäben.
Diese Frau war verletzt worden, als Unbekannte Ende April Granaten abfeuerten. Unterstützer der Regierung von Premier Abhisit Vejjajiva hatten sich den oppositionellen Rothemden gegenübergestellt. Wer die Granaten abfeuerte, war zunächst unklar.
Eine rote Rose als Erinnerung an eine blutige Nacht: Insgesamt fünf Granaten waren in Bangkok explodiert. Die Regierung erklärte, "Terroristen" hätten die Granaten aus dem Lager der Rothemden abgefeuert. Diese jedoch stritten ab, dass die Attacke aus ihren Reihen kam.
Ein buddhistischer Mönch schwenkte in Bangkok eine rote Fahne. Rothemden und Armee bemühten sich in den folgenden Tagen um Deeskalation. Die Oppositionellen gaben sich dialogbereit, und auch Armeechef Anupong Paochinda erklärte bei einem Treffen mit Kommandeuren den Verzicht auf ein gewaltsames Vorgehen gegen die Opposition.