Schuldenkrise Griechenland-Rettung kostet 145 Milliarden Euro

Eine griechische Flagge und die der EU in Athen: "Den Griechen fehlt die ökonomische Kraft"
Foto: dapdHamburg - Es ist wie ein Fass ohne Boden: Die geplanten Notmaßnahmen für Griechenland reichen nicht aus, um das Land aus der Krise zu führen. Nach Einschätzung der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds braucht das Land noch einmal zusätzlich rund 15 Milliarden Euro. Statt 130 Milliarden Euro, wie noch Ende Oktober vergangenen Jahres beschlossen, würden etwa 145 Milliarden Euro fällig, heißt es nach SPIEGEL-Informationen in der Troika, die vor kurzem ihre Arbeit in Athen wieder aufnahm.
Grund für die Lücke ist eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Griechenland. "Wir gehen nicht davon aus, dass man das fehlende Geld allein bei den privaten Gläubigern einsammeln kann", heißt es in der Troika.
In der Berliner Koalition formiert sich indes Widerstand gegen weitere Griechlandhilfen, wie sie unter anderem die EU-Kommission ins Spiel gebracht hat. "An unserer Einstellung hat sich nichts geändert", sagte CSU-Chef Horst Seehofer im SPIEGEL. "Für Reformstillstand gibt es kein Geld." Die CSU lehne neue Hilfen für Griechenland über die beschlossenen Programme hinaus ab, sagte Seehofer. "Wenn die Griechen die Reformprogramme nicht umsetzen, kann es keine weiteren Hilfen geben."
Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle fordert eine unnachgiebige Haltung gegenüber Athen. "Solidarität ist keine Einbahnstraße, insofern muss die Europäische Gemeinschaft hart bleiben und die notwendigen Strukturreformen einfordern", sagt er. "Nur wenn die Griechen auch Beweise dafür liefern, dass sie es ernst meinen, können und dürfen wir als Europäische Gemeinschaft helfen."
"Den Griechen fehlt nicht der politische Wille, sondern die ökonomische Kraft"
Die ersten Koalitionsabgeordneten haben bereits angekündigt, dass sie gegen ein neues Griechenlandpaket stimmen wollen. Der bayerische FDP-Abgeordnete Erwin Lotter, der bisher allen Euro-Rettungspaketen zugestimmt hat, würde das im Falle Griechenlands nicht mehr tun. "Ich war der Meinung, die Griechen brauchten Zeit", sagt er. "Jetzt gehe ich davon aus, dass es zu einem Staatsbankrott kommt, die Probleme können mit mehr Geld nicht gelöst werden."
Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kündigte an, er werde nicht für neue Griechenlandhilfen stimmen. "Den Griechen fehlt nicht der politische Wille, sondern die ökonomische Kraft, um wieder auf die Beine zu kommen." Sogar im Europa-Flügel der Partei breitet sich inzwischen Unbehagen aus. "Es hat sich eine große Verärgerung breit gemacht", sagt der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum.
"Alle griechischen Parteien müssen endlich den unbedingten Willen zeigen, etwas grundlegend zu ändern." Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Florian Toncar sagte, Griechenland sei die mit Abstand schwierigste Entscheidung für seine Fraktion.
EU soll Kontrolle über griechisches Staatsbudget übernehmen
Europäischen Finanzkreisen zufolge drängt Deutschland darauf, dass Griechenland die Kontrolle über seine Finanzen an europäische Institutionen überträgt. Das berichten die "Financial Times" und die Nachrichtenagentur Reuters. In der Euro-Gruppe würden Vorschläge für den Umgang mit Hilfsprogrammen diskutiert, die kontinuierlich aus dem Ruder liefen, zitiert Reuters eine mit dem Vorgang vertraute Person. Überlegt werde, wie man damit konstruktiver umgehen könne, als die Probleme zu ignorieren oder zu sagen "dann geht es eben nicht mehr". Eine klare, rechtlich verbindliche Vorgabe könnte demnach zu einer größeren Kohärenz führen, Entscheidungsprozesse erleichtern sowie beschleunigen und so dazu beitragen, die Programme zu dynamisieren.
Wie die "Financial Times" berichtet, soll dafür ein "Haushalts-Beauftragter" der EU eingesetzt werden. Er hätte die Aufgabe, alle großen Ausgaben Griechenlands zu überwachen. Zugleich hätte er die Macht, bei den finanziellen Entscheidungen des Landes sein Veto einzulegen - sofern diese nicht den Zielen der internationalen Geldgeber entsprechen. "Die Haushaltskonsolidierung muss unter strenge Führung und Kontrolle gestellt werden", heißt es laut "Financial Times" in dem Antrag.
Aufgrund der bisherigen, enttäuschenden Erfahrungen müsse Griechenland akzeptieren, "für einen bestimmten Zeitraum" die Souveränität über seinen Haushalt an die EU abzugeben. Laut "Financial Times" sieht der Antrag zudem vor, dass Athen sich gesetzlich dazu verpflichtet, Staatseinnahmen zuerst und vor allem zur Schuldentilgung einzusetzen.
Die Regierung in Athen weiß den Angaben zufolge offiziell noch nichts von dem Plan. Journalisten gegenüber zeigte sich Ministerpräsident Loukas Papademos am Freitagabend optimistisch. Nach Gesprächen mit dem internationalen Bankenverband IIF, der die privaten Gläubiger vertritt, sagte er, Griechenland werde nicht pleitegehen. Das Land habe bei seinen Strukturreformen "viel mehr erreicht, als es manchmal aussieht". Die Verhandlungen werden am Samstag fortgesetzt.
Papademos' Optimismus wird jedoch kaum geteilt, im Gegenteil. Zuletzt stieg das Misstrauen, dass Griechenland mit dem bisherigen Plan aus der Krise kommt - nicht zuletzt, weil die Regierung in Athen die Sparvorgaben seiner Geldgeber wiederholt nicht eingehalten hat.