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Schwedendemokraten nach der Wahl: Der wartende Dritte

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Rechte Schwedendemokraten nach der Wahl Der Tabu-Koalitionspartner

Der Erfolg der rechten Schwedendemokraten bei der Wahl erschwert die Regierungsbildung in Schweden. Bislang wollen die etablierten Parteien nicht mit Parteichef Åkesson reden - doch der kann warten.

Jimmie Åkesson ist der Erste, am Morgen nach der langen Nacht. Die letzten Wahllokale sind noch nicht ausgezählt, der Ausgang der schwedischen Parlamentswahl steht weiter auf der Kippe, da gibt der Anführer der rechten Schwedendemokraten dem Frühstücksradio schon ein Interview. Er hat eine Botschaft zu verkünden: "Wer immer als erster versteht, dass man mit mir reden kann, wird es am leichtesten haben, eine Regierung zu bilden."

Doch niemand will mit ihm reden. Noch nicht. Auch wenn es Åkesson immer wieder probiert. Schon am Wahlabend trat er als erster Spitzenkandidat der großen Parteien vor die Kameras. Im dunklen Anzug mit Krawatte erklärte er seine SD zum großen Sieger. Und bot dem Oppositionschef an, gemeinsam den Premierminister Stefan Löfven zu stürzen. "Ulf Kristersson hat versprochen, die Regierung auszutauschen", rief er in den Saal. Und weiter, an Ulf Kristersson gerichtet: "Wie wollen Sie die Regierung verändern? Wählen Sie Stefan Löfven aus oder Jimmie Åkesson? Jetzt wollen wir diese Frage beantwortet haben." Aber der Aufgeforderte erwiderte bei einer späteren TV-Gesprächsrunde bloß: "Ich mag keine Ultimaten."

Seit 13 Jahren hat Åkesson das Kommando über die SD. Und seit Tag eins hat der Familienvater, Hornbrille, gepflegter Dreitagebart, eine Mission: seine Partei mit Wurzeln im Skinhead- und Nazi-Milieu von ihrem Schmuddelkinder-Image zu befreien. Die Ausgrenzung durch die Mitteparteien zu beenden. Die SD regierungsfähig zu machen. Oder, fast noch besser: zu der politischen Kraft, an deren Gutdünken das Wohl und Wehe einer Minderheitsregierung hängt.

"Åkesson würde gerne das dänische Modell kopieren", sagt Ann-Cathrine Jungar, Rechtspopulismus-Forscherin an der Stockholmer Södertörn-Universität. In Kopenhagen kann die rechtspopulistische Volkspartei die Minderheitsregierung stützen - oder auch bei unpopulären Themen in Opposition gehen. Ganz, wie es ihr gefällt. So kann sie Druck auf die Regierenden aufbauen, Politik gestalten. Ohne Verantwortung für alle Beschlüsse zu übernehmen.

Seinem Ziel ist Åkesson in der Nacht zu Montag ein Stück näher gerückt. Da weder der Mitte-Links-Block von Löfven noch der Mitte-Rechts-Allianz von Kristersson die Mehrheit der Mandate kriegt, könnten die Rechtsaußen das Zünglein an der Waage sein.

"Ich hätte mehr Stimmen für die SD erwartet"

Und doch ist es fraglich, ob sie wie in Dänemark informell mitregieren werden. Das liegt an der politischen Konstellation in Stockholm. Und an ihrem eigenen Ergebnis.

Kein Zweifel, das Wahlresultat der SD ist stark. Plus 4,7 Prozentpunkte, mehr als jede andere Partei. Der ganz große Durchmarsch ist allerdings ausgeblieben. Zwischenzeitlich sagten Umfragen der SD bis zu 28 Prozent voraus. Nun sind es keine 18. Und statt stärkste oder zweitstärkste Fraktion zu werden, sind sie Nummer drei geblieben. "Das Resultat hat mich überrascht, ich hätte mehr Stimmen für die SD erwartet", sagt Hanna Bäck, Politik-Professorin an der Universität Lund.

Noch ist die Partei nicht ganz in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In ländlichen Hochburgen wie dem Städtchen Klippan, Namensgeber des IKEA-Sofas, hat sie 8, 11, 14 Prozentpunkte dazugewonnen und ist Nummer eins. In den Großstädten Stockholm, Göteborg und Malmö steigerte sie den Stimmenanteil nur um drei respektive vier Prozentpunkte - obwohl sich hier viele Gewalttaten ereigneten, die viele Schweden so schockiert haben. Bei männlichen Wählern ist die SD stärkste Partei, knapp vor den Sozialdemokraten. Die aber hat bei den Frauen gut doppelt so viele Stimmen geholt wie die Rechtsnationalen. Der Zulauf der Jungwähler zur SD hält sich in Grenzen.

Ungünstig ist für die SD auch die Reihenfolge der beiden Mitte-Blöcke. Nach der Auszählung aller 6004 Wahllokale in Schweden ist Mitte-Links 0,3 Prozentpunkte und einen Sitz vor Mitte-Rechts. Bliebe das Ergebnis so, bekäme Löfven den Auftrag, die Regierung zu bilden. Für die bürgerliche Allianz würde es noch schwerer, ihren Anhängern zu verkaufen, dass sie sich in irgendeiner Form mit Rechtsaußen einlassen.

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Wenn überhaupt, könnte es nur so laufen, dass Mitte-Rechts und ganz rechts zuerst Löfven per Misstrauensvotum mit absoluter Mehrheit stürzen. Und dass sich die SD in einer zweiten Abstimmung, bei der Kristersson kandidiert, enthält. Solange nicht die absolute Mehrheit der Abgeordneten gegen Kristersson votiert, wäre dieser Premierminister, erklärt Andreas Heinö vom liberalen Thinktank Timbro. Absprachen mit der SD über politische Inhalte seien aber tabu. "Es wird kein dänisches Modell geben."

Schließlich haben sich zwei Allianz-Parteien scharf von der SD im Wahlkampf abgegrenzt: die Zentrumspartei und die Liberalen. Vor allem Zentrums-Spitzenkandidatin Annie Lööf schloss kategorisch aus, mit der Unterstützung von Åkesson und Co. an die Macht zu kommen. Die 35-Jährige ist eine der beliebtesten Politiker Schwedens geworden; manche in Stockholm spekulieren schon, ob Lööf am Ende die Kompromiss-Premierministerin wird.

"Die Zentrumspartei und die Liberalen haben mit ihren Versprechen viele Wähler angezogen, die bewusst gegen die Schwedendemokraten stimmen wollten", sagt Populismus-Forscherin Jungar. "Sie können jetzt nicht umfallen. Das wäre politischer Selbstmord."

Aber noch steht das Endergebnis nicht fest. Etwa 200.000 Stimmen, zum Teil von Auslands-Schweden, müssen noch gezählt werden. Auslands-Schweden wählen tendenziell bürgerlich, und Mitte-Links hat keine 30.000 Stimmen Vorsprung. Das Resultat könnte theoretisch kippen. "Und wenn die Allianz doch vorne ist, steigen die Chancen, dass sie es mit den Schwedendemokraten probiert", sagt Politologin Bäck.

Dieses Szenario ist unwahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich hingegen ist, dass manche andere Parteien ins Grübeln kommen werden, ob sie vor der nächsten Wahl noch einmal lauthals jede Zusammenarbeit mit Schwedens einstigen politischen Schmuddelkindern ausschließen. Denn das kann heißen, auf die Macht zu verzichten.

Jimmie Åkesson ist kein Bürgerschreck. Und er ist erst 38 Jahre alt - jung für einen Politiker. Notfalls kann er noch vier Jahre warten.

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