Sieg für Putin OSZE-Beobachter beklagen massive Wahlmanipulationen
Moskau - Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat bei der Präsidentenwahl in Russland "ernsthafte Probleme" festgestellt. Der Missionschef der OSZE, Tonino Picula, erklärte am Montag, es habe keinen echten Wettbewerb gegeben. Durch den Missbrauch von Regierungsmitteln sei sichergestellt worden, dass es am endgültigen Sieger niemals einen Zweifel gegeben habe. Die Bedingungen für die Abstimmung seien klar auf den Regierungschef Putin zugeschnitten gewesen. Konkret bemängelten die Beobachter, dass die Staatsmedien vor allem über Putin berichtet hätten.
Bei der Abstimmung selbst hat es laut OSZE in jedem dritten Wahllokal Unstimmigkeiten gegeben. In einem Drittel der Wahllokale sei die Auszählung "schlecht" verlaufen. Bereits während des Urnengangs waren von Wahlbeobachtern massive Vorwürfe des Betrugs zugunsten des künftigen Präsidenten Wladimir Putin erhoben worden.
Zuvor hatten die zur Wahl nicht zugelassene Opposition sowie russische Wahlbeobachter von Tausenden Verstößen am Tag der Abstimmung am Sonntag gesprochen. Deutsche Beobachter hingegen äußerten sich sehr vorsichtig. "Wir konnten keine Fälle von organisiertem Betrug feststellen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, der im OSZE-Auftrag Wahlbeobachter war. Bei den von der Opposition angeprangerten Tausenden Beschwerden handele es sich "häufig" um Einzelbeschwerden "von Leuten, die nicht in den Wahllisten auftauchten", so Wellmann zu dem Sender N24. Von massivem Betrug bei dem "sehr gut organisierten" Wahlakt selbst könne nicht gesprochen werden.
Putin forderte am Montag Aufklärung aller angeblichen Manipulationen. "Ich hoffe, dass die Zentrale Wahlkommission angemessen reagieren wird", sagte er nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Der Regierungschef drohte mit personellen Konsequenzen, falls Fälschungen nachgewiesen würden. Der Wahlkampf sei allerdings nicht schmutzig gewesen, so Putin.

Präsidentschaftswahl in Russland: Putin lässt sich feiern
Bei Russlands Putin-Gegnern wächst die Wut. Das Ergebnis der Wahl werde deshalb nicht anerkannt, erklärten Vertreter der Opposition. Am Montagnachmittag werde es ab 16 Uhr eine Großdemonstration in der Nähe des Moskauer Kreml geben. Putin habe die Dinge auf die Spitze getrieben, sagte einer der Anführer der Protestbewegung, der Journalist Sergej Parchomenko. "Er hat uns den Krieg erklärt. Das hat zur Folge, dass die Abneigung gegen ihn wächst." Daher würden die Demonstrationen immer mehr Zulauf erfahren. Die Behörden in Moskau wappneten sich für neue Massenproteste. Rund 12.000 Polizisten und Soldaten sollten am Montag in Moskau im Einsatz sein, wie die Nachrichtenagentur Itar-Tass unter Berufung auf das Innenministerium meldete.
Chodorkowski-Verfahren wird überprüft
Der noch amtierende Präsident Dmitrij Medwedew ging auf die Regierungskritiker zu. Er kündigte an, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gegen den inhaftierten Putin-Kritiker Michail Chodorkowski zu prüfen. Zahlreiche Beobachter schätzen das Verfahren gegen ihn als politisch motiviert ein. Der Ex-Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war einer der einflussreichsten Geschäftsmänner Russlands, bis er politisch in die Offensive gegen Putin ging. Im Oktober 2003 wurde er festgenommen und in zwei Prozessen wegen Geldwäsche und Unterschlagung zu acht und 14 Jahren Haft verurteilt. Im Mai vergangenen Jahres war die zweite Haftstrafe auf 13 Jahre reduziert worden, so dass Chodorkowski voraussichtlich bis 2016 in Haft bleiben muss.
Menschenrechtler und Politologen bewerteten die Ankündigung nach einer Überprüfung des Chodorkowski-Urteils als politisches Manöver, um aufgebrachte Bürger zu beruhigen. Nach Kreml-Angaben gehen die Anordnungen auf ein Treffen Medwedews mit Oppositionellen zurück. Experten bezweifeln immer wieder den Reformwillen der Machtführung. Auch nach der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember hatte Medwedew Reformen für eine Demokratisierung Russlands angekündigt. Den Ankündigungen folgten bisher keine Taten.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Scharrenberger (FDP) erklärte: "Der Europarat hat gerade die Chodorkowski-Verfahren intensiv beobachtet und deutlich kritisiert. Wir erwarten jetzt konkrete Schritte." Die Ankündigung des scheidenden russischen Präsidenten Medwedew, eine Reihe von Strafurteilen überprüfen zu lassen, gebe Anlass zur Hoffnung. "Die Strafverfahren müssen an den rechtsstaatlichen Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention gemessen werden", so die Liberale weiter.
Putin wurde am Sonntag mit knapp 64 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt - das teilte die Wahlkommission am Montag mit. In Moskau hat Putin demnach jedoch die absolute Mehrheit knapp verfehlt. Er landete demnach bei 47,22 Prozent der Stimmen. Auch in seiner Heimatstadt St. Petersburg blieb der frühere Geheimdienstchef unter dem Landesdurchschnitt. Dort erreichte er 58,7 Prozent der Stimmen. In den beiden größten Städten des Landes hatte es zuletzt beispiellose Proteste gegen Putin gegeben. Im früheren Konfliktgebiet Tschetschenien im Nordkaukasus hingegen kam Putin den Angaben zufolge bei fast hundertprozentiger Wahlbeteiligung auf fast hundert Prozent der Stimmen. In der benachbarten Teilrepublik Dagestan wurden die Ergebnisse in einem Wahllokal annulliert, weil dort massenhaft vorher ausgefüllte Stimmzettel in die Urnen gestopft worden waren.
Westerwelle: "Sicherheit nur mit Russland gemeinsam übernehmen"
Die Bundesregierung will nach dem Wahlsieg von Wladimir Putin die strategische Partnerschaft mit Russland fortsetzen. Kanzlerin Angela Merkel forderte Putin am Montag zugleich zu weiteren Reformen auf. Bei der bevorstehenden Modernisierung Russlands, die sich Putin zur Aufgabe machen will, müsse es sich auch um eine "politisch-gesellschaftliche Modernisierung" handeln. Demokratie und Menschenrechte müssten gestärkt werden. Merkel wollte nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert noch am Montagmittag mit Putin telefonieren.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, neben den Wirtschaftsbeziehungen gebe es auch starke gemeinsame Sicherheitsinteressen. "Wir können die Sicherheit auch auf unserem europäischen Kontinent nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland gemeinsam übernehmen", so Westerwelle in Berlin. Auch wolle die Bundesregierung zusammen mit dem neuen Präsidenten Putin weiter bei der Modernisierung Russlands helfen, insbesondere beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen. Westerwelle erwartet, dass die russische Seite alle Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des neuen Präsidenten ausräumt. "Es liegt ja im russischen Interesse selbst, all diesen Kritikpunkten nachzugehen und sie aufzuarbeiten."
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler forderte Putin zu Reformen auf. Putin müsse "tatsächlich Reformen durchführen, gegen die Korruption vorgehen und die ausgestreckte Hand der Modernisierungspartnerschaft, die immer noch da ist vom Westen und von Deutschland, ergreifen", sagte der ehemalige Russlandbeauftragte der Bundesregierung im Inforadio des RBB. Erler warnte Putin davor, "wieder die Zügel anzuziehen und die Freiheiten, die in den letzten Wochen entstanden sind, etwa wieder zurückzunehmen"
Derweil haben die drohenden Proteste gegen Putin die Erholung der russischen Aktienmärkte gebremst. Der in Rubel gehandelte Leitindex Micex legte 0,8 Prozent auf 1621,21 Punkte zu. Der RTS, in dem die größten, in Dollar gehandelten russischen Werte zusammengefasst sind, notierte 1,2 Prozent fester bei 1747,86 Zählern. Euro und Dollar kosteten mit 38,6312 beziehungsweise 29,2951 Rubel ungefähr so viel wie am Freitag.