Snowden in Moskau Unter Aufsicht von Putins Spionen
Kaum waren die ersten Meldungen über das Treffen von Edward Snowden mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele über die Ticker der Nachrichtenagenturen gelaufen, spekulierten russische Medien bereits über den Ort des Treffens. Es sei womöglich ein eher kleines Hotel gewesen, ruhig gelegen und doch mitten im Herzen Moskaus: das "Marco Polo", das zu Sowjetzeiten den Kommunisten als Herberge diente für hochrangige Gäste.
Snowden in einem unauffälligen Gasthaus, benannt zu Ehren des berühmten Weltreisenden aus Italien: Das wäre zumindest dem Namen nach eine gute Wahl gewesen. Der Informatiker war Anfang Juni zunächst von Hawaii nach Hongkong und später dann am 23. Juni in die russische Hauptstadt geflogen, nachdem Medien auf Grundlage von Dokumenten des ehemaligen NSA-Mitarbeiters erstmals über die umfassenden Überwachungsprogramme der US-Dienste berichtet hatten.

In den vergangenen Wochen war es ruhig um Snowden geworden - zumindest was seine Person anging, denn weitere Informationen in der Spähaffäre wurden enthüllt: Auch in Spanien hortete die NSA millionenfach Verbindungsdaten, der Geheimdienst überwachte die Telefone von 35 Spitzenpolitikern. Der SPIEGEL berichtete, dass auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel abgehört wurde.
Von Snowden hieß es, er bereise Russland. Nur zu Gesicht bekam ihn wochenlang niemand - und das in dem mit Handys und Überwachungskameras gut ausgestatteten Russland. Plötzlich, am Donnerstag dann, war der Ex-NSA-Mitarbeiter wieder in den Schlagzeilen. Er werde bei einer der größten russischen Webseiten anheuern, verkündete Anatolij Kutscherena - der Mann, den Moskau Snowden als Anwalt zur Seite gestellt hat. Aus Sicherheitsgründen wollte er den Namen des neuen Arbeitgebers aber nicht preisgeben.
Kutscherena ist ein den Medien aufgeschlossener, freundlicher Herr. Man tut ihm kein Unrecht, wenn man dem Juristen eine gewisse Nähe zu den russischen Geheimdiensten unterstellt. Kutscherena ist Mitglied im sogenannten Gesellschaftsrat des Inlandsgeheimdiensts FSB.
Es war wohl kein Zufall, dass ein neues Foto von Snowden am Donnerstag zunächst auf der russischen Website lifenews.ru auftauchte. Das Bild zeigt ihn im roten T-Shirt und weißer Mütze im Zentrum Moskaus. Die Geheimdienste versorgen das Boulevardportal regelmäßig mit kompromittierendem Material über Oppositionelle, schlüpfrige Videos eingeschlossen.
"Unter Bewachung"
Öffentlich hat der Kreml stets beteuert, Russlands Geheimdienste würden Snowden nicht abschirmen. Die Eindrücke des Grünen-Politikers Ströbele und der zwei Journalisten, die ihn in Moskau besuchten, sprechen eine andere Sprache. Im Interview mit der ARD berichtete der ehemalige SPIEGEL-Chefredakteur Georg Mascolo, der an dem Treffen teilnahm, Snowden habe frei sprechen können, stehe aber "unter Bewachung".
Das dreistündige Gespräch der Deutschen mit Snowden fand am Donnerstag dem ARD-Magazin "Panorama" zufolge unter größter Geheimhaltung statt. Am Mittag sei die Gruppe von Mitarbeitern eines Sicherheitsdiensts abgeholt worden.
Neuer Job bei russischem Facebook-Klon
In Russland wird derweil weiter gerätselt, bei welcher IT-Firma Snowden unterkommen könnte. Yandex, Russlands größte Suchmaschine, hat entschieden bestritten, den ehemaligen NSA-Mann beschäftigen zu wollen. Yandex könnten Probleme im Westen drohen, die Firma ist in New York börsennotiert. Auch die Mail.ru-Gruppe dementierte. Eine Anstellung beim Viren-Jäger Kaspersky-Lab ist ebenfalls unwahrscheinlich, Gründer Jewgenij Kaspersky verachtet Snowden als Verräter.
Bleibt eigentlich nur das soziale Netzwerk VK.com, das "Facebook des Ostens". Gründer Pawel Durow preist Snowden als Vorbild, öffentlich hatte er dem Amerikaner bereits einen Job angeboten. Ob Snowden die Stelle angenommen hat? Ob er sie überhaupt annehmen darf, schließlich steht Durow selbst mit Russlands Geheimdiensten auf dem Kriegsfuß? Der Sprecher von VK.com teilt dazu vielsagend mit, ein mögliches Engagement Snowdens entziehe sich seiner Kenntnis. Ein Dementi sieht anders aus.