

Bei der Parlamentswahl in Spanien hat die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy am Sonntag ihre Mehrheit verloren. Nach aktuellen Hochrechnungen wird die PP mit 28,71 Prozent der Stimmen aber trotzdem stärkste der vier wichtigsten künftig im Parlament vertretenen Parteien. Zum Vergleich: 2011 hatte die PP noch fast 45 Prozent der Stimmen geholt.
Aktuell dürften die Konservativen trotz deutlicher Stimmverluste auf etwa 123 der 350 Abgeordnetensitze kommen. Damit würde Rajoys Partei mehr als ein Drittel ihrer Mandate einbüßen und zur Bildung der Regierung voraussichtlich auf einen Partner angewiesen sein.
Die linke Bewegung Podemos (20,65 Prozent), die sich für ein Ende der Sparpolitik einsetzt, und die wirtschaftsfreundliche Ciudadanos (13,93 Prozent) ziehen laut dem vorläufigen Endergebnis erstmals in die Kammer ein. Sie beenden damit die Ära des Zweiparteiensystems von Konservativen und Sozialisten (PSOE). Letztere liegen derzeit bei 22,02 Prozent.
Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 36,5 Millionen Spanier. Die Wahllokale öffneten um 9 Uhr. Die Wahlbeteiligung war mit 73,2 Prozent deutlich höher als 2011: Bei der Parlamentswahl vor vier Jahren hatten 68,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Die Verhandlungen über Bündnisse dürften hart werden
Nach Bekanntwerden der Ergebnisse wird nun mit schwierigen Verhandlungen über künftige Regierungsbündnisse oder Koalitionen gerechnet. Im Wahlkampf machte keine der größeren Parteien Aussagen darüber, mit wem sie eine Allianz eingehen würde.
Zahlreiche Analysten hatten im Vorfeld für eine große Koalition nach deutschem Vorbild zwischen Rajoys Volkspartei und den Sozialisten plädiert. Ein solches Bündnis gilt jedoch als ziemlich unwahrscheinlich - zumal nach der ungewöhnlich harten TV-Debatte zwischen Rajoy und dem PSOE-Parteichef Pedro Sánchez.
Wirtschaftskreise favorisieren eine Mitte-rechts-Koalition der PP mit den liberalen Ciudadanos. Deren Parteichef Albert Rivera legte sich allerdings fest, dass die Ciudadanos Rajoy nicht erneut zum Regierungschef wählen werden. Die Liberalen wollen auch keine Koalition mit der PSOE eingehen. Deshalb gilt auch ein Dreierbündnis der PSOE, der Ciudadanos und der neuen Linkspartei Podemos als nicht sehr wahrscheinlich. Eine Linkskoalition von PSOE und Podemos dürfte es nach den Umfragen schwer haben, eine ausreichende Mehrheit für eine Regierungsbildung zustande zu bekommen. Kurz: Einfach wird ein neues Bündnis nun wirklich nicht zu finden sein.
Spanier verpassen den etablieren Parteien einen Denkzettel
Das Ergebnis bedeutet eine Abrechnung mit den etablierten Parteien. Viele Spanier machen die Konservativen und die Sozialisten, die sich jahrelang an der Regierung abwechselten, für die derzeitige Wirtschaftsmisere und für Korruptionsaffären verantwortlich. Die Arbeitslosigkeit im Land beträgt trotz eines leichten Aufschwungs über 20 Prozent, bei den Jugendlichen hat sogar mehr als die Hälfte keinen Job. Viele Menschen leiden unter den Folgen der rigiden Kürzungs- und Sparpolitik unter Rajoy, immer mehr drohen in die Armut abzurutschen.
Am Samstag wurden die Vorsichtsmaßnahmen in Spanien noch einmal stark erhöht. Knapp 92.000 Sicherheitskräfte sollen nach Angaben des Innenministeriums einen ruhigen Verlauf der Wahl gewährleisten. Seit dem Sommer gilt in dem Land die zweithöchste Terrorwarnstufe.
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Es ist der Beginn einer neue Ära: Die Spanier haben ein buntes Parlament gewählt. Das Zweiparteiensystem hat damit ausgedient. Die linke Formation Podemos - Wir können - schaffte es auf Anhieb auf den dritten Platz.
Darf er weiterregieren? Ministerpräsident Mariano Rajoy mit seiner Frau Elvira Fernandez (r.). Links Soraya Sáenz de Santamaría, die bisherige Vizepräsidentin der Regierung.
Spanien hat am Sonntag ein neues Parlament gewählt - und eine neue Ära in der Politik des Landes eingeläutet: Erstmals in der jüngeren Geschichte werden vier Parteien mit starken Fraktionen im Parlament vertreten sein.
Warteschlange in Madrid: Zur Parlamentswahl waren landesweit 36,5 Millionen Spanier aufgerufen.
In den vergangenen 30 Jahren lösten sich die beiden großen Parteien gegenseitig an der Macht ab. Dieses Mal waren die konservative Volkspartei und die Sozialisten jedoch nicht allein im Rennen um den Sieg: Auf den Wahlzetteln standen auch Podemos und Ciudadanos.
2011 hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy noch die absolute Mehrheit gewonnen. Auch vier Jahre später ist er dem vorläufigen Endergebnis zufolge der Sieger - allerdings stimmten nur noch 28,7 Prozent der Wähler für seine PP.
Daumen hoch: Der Kandidat der Sozialisten, Pedro Sánchez, gab sich optimistisch. Doch wirklich blendend lief es bei der Wahl für seine Partei nicht. Sie erzielte 22 Prozent - und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur.
Stattdessen entschieden sich viele Spanier für Alternativen zu den etablierten Parteien. Die Wahlbeteiligung war mit 73,2 Prozent deutlich höher als 2011, damals hatte sie noch bei 68,9 Prozent gelegen.
Knapp hinter den Sozialisten landete die neue Linkspartei Podemos, übersetzt bedeutet der Name: Wir können. Parteichef Pablo Iglesias beanspruchte vor der Wahl, für das Volk zu sprechen - 20,7 Prozent stimmten für die linke Bewegung.
Ciudadanos-Kandidat Albert Rivera im Interview: Die liberale Partei wurde mit 13,9 Prozent der Stimmen viertstärkste Kraft im Parlament, blieb damit allerdings hinter den Erwartungen zurück. Zur Regierungsbildung dürften nun komplizierte Koalitionsverhandlungen notwendig sein.
Rajoy ließ offen, wie er eine ausreichende Mehrheit zusammenbekommen will. Ein Mitte-rechts-Bündnis seiner Partei mit den Ciudadanos bliebe unter der absoluten Mehrheit. Auch eine Linksallianz von PSOE und Podemos brächte im Parlament nicht genügend Stimmen zusammen. Im Wahlkampf hatte keine der großen Parteien Hinweise darauf gegeben, mit wem sie ein Regierungsbündnis eingehen würde.
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