Spaniens Premier Mariano Rajoy Euro-Retter in Not

Spaniens Premier Rajoy: "Ich habe nichts zu verbergen"
Foto: JUAN MEDINA/ REUTERSMadrid/Berlin - Es geht um die Krise, natürlich. Spaniens Premier Mariano Rajoy besucht am Montag Kanzlerin Angela Merkel, um über den Euro und die Reformen in seinem Land zu sprechen. Das ist das europäische Drama. Aber Rajoy erlebt zurzeit seine ganz persönliche Krise.
Eine Schmiergeldaffäre belastet ihn schwer. Die Vorwürfe treffen nicht nur wichtige Politiker seiner Regierungspartei PP, sondern den Premier selbst: Die Zeitung "El País" hatte Auszüge aus angeblich verdeckt geführten Parteikonten veröffentlicht - sie sollen belegen, dass Rajoy über Jahre illegale Gelder erhalten habe, umgerechnet rund 320.000 Euro plus Anzüge und Krawatten. In den Notizen finden sich als Spender angeblich Unternehmer aus der Bau- und Immobilienbranche. Unklar ist, ob die aufgeführten Geldempfänger die Zahlungen den Steuerbehörden gemeldet haben.
Rajoy verteidigte sich am Wochenende, er habe nie Schwarzgeld erhalten: "Ich habe nichts zu verbergen." Er kennt den politischen Betrieb, hat viele Parteikrisen durchgestanden. Unermüdlich hat er sich über Jahrzehnte nach oben gearbeitet, war Minister für öffentliche Verwaltung, Kulturminister, Innenminister, Regierungssprecher - dann im zweiten Anlauf Premier. Aber einen solchen Sturm hat er noch nicht erlebt.
Die Regierungspartei bestreitet, lächelt - und geht in die Offensive. Rajoy spricht von "Agitation" gegen seine Partei. "Wenn jemand denkt, er kann diese Partei einschüchtern, irrt er sich." Generalsekretärin María Dolores Cospedal kündigte rechtliche Schritte gegen "El País" an - und gegen andere Medien, die die Vorwürfe wiederholten. Der einheitliche Tenor: Die Partei sei Opfer einer Intrige geworden. Auch Cospedals Name taucht in den veröffentlichten Dokumenten auf.
Doch so einfach werden Rajoy und seine Regierung die Affäre nicht los. Der Premier kämpft um sein Ansehen. Spaniens Generalstaatsanwalt kündigte an, die veröffentlichten Papiere enthielten ausreichende Indizien, um eine Ermittlung einzuleiten. In den spanischen Zeitungen ist der Fall seit Tagen das Top-Thema. Die Opposition fordert Rajoys Rücktritt. Vor den Zentralen der PP in Madrid und Barcelona versammelten sich am Wochenende Demonstranten, sie skandierten "Räuber" und hielten Schilder mit der Aufschrift "Basta!" hoch. Die Straße vor dem Parteisitz in Madrid musste zeitweise gesperrt werden.
Wütende Bürger, mächtige Politiker
Die Bürger sind wütend - denn Rajoys erstes Jahr im Amt war ein Jahr der Zumutungen. Um sein Land aus der tiefen Krise zu holen, hat er harte Sparmaßnahmen beschlossen, Steuern erhöht, Teilprivatisierungen geplant und eine Reform für den Arbeitsmarkt durchgeboxt. Das hat ihn unpopulär gemacht.
Rajoys Bilanz: Die Rezession hat sich verschärft, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, Kataloniens Regierung will die Region ernsthaft abspalten.
Wenn Oppositionschef Alfredo Rubalcaba nun Rajoys Rückzug mit den Worten fordert, Spanien brauche einen Präsidenten, "der Stärke, Glaubwürdigkeit und Stabilität" verkörpere, dann ist das nicht nur das übliche Geplänkel der Opposition, sondern trifft auch das Gefühl der Menschen auf der Straße.
Auch Kanzlerin Merkel ist besorgt über die wirtschaftliche Situation in Spanien, die den Euro-Raum bedroht. Zwar wird Merkel wohl wie bei ihrem letzten Treffen mit Rajoy vor sechs Monaten die Anstrengungen der Regierung in Madrid loben, doch Berlin sieht besonders die Arbeitslosigkeit als großes Problem.
Kurz vor dem Treffen in der deutschen Hauptstadt kam die neueste schlechte Nachricht: Die Zahl der Erwerbslosen ist dem spanischen Arbeitsministerium zufolge erneut gestiegen, auf rund fünf Millionen. Die Arbeitslosigkeit liegt laut Nationalem Statistik-Institut bei 26 Prozent, bei den jungen Menschen ist die Situation noch schlimmer. Mehr als die Hälfte der unter 25-Jährigen hat keinen Job.
Für Rajoy könnte das Treffen in Berlin auch noch aus einem anderen Grund unangenehm werden: Nach dem Gespräch mit Merkel steht eine Pressekonferenz an. Und dort können Journalisten den Premier - anders als in den vergangenen Tagen - direkt zu der Schmiergeldaffäre befragen.