US-Reaktion auf Spionage-Affäre Jetzt ist auch Obama verstimmt

Der Rauswurf des obersten US-Geheimdienstlers zeigt Wirkung: Die US-Regierung zeigt sich enttäuscht über die öffentliche Maßregelung durch die Deutschen. Die sind nun mit ihrem Ärger nicht mehr allein.
US-Präsident Obama zur Spionageaffäre: Lasst die Kirche bitte im Dorf

US-Präsident Obama zur Spionageaffäre: Lasst die Kirche bitte im Dorf

Foto: KEVIN LAMARQUE/ REUTERS

Die ganze Woche über hatte Josh Earnest den Konflikt mit den Deutschen versucht herunterzukochen. Das ist schließlich sein Job als Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Nicht kommentieren wollte er die Spionage-Affäre. Nicht am Montag, nicht am Dienstag, nicht am Mittwoch und auch noch nicht so recht am Donnerstag, nachdem bekannt geworden war, dass die deutsche Regierung den obersten Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin aus dem Land hinauskomplimentiert.

Doch am Freitag wagt sich Earnest ein bisschen aus der Deckung, natürlich mit Genehmigung seines Chefs. In Klartext lässt sich seine Position so übersetzen: Liebe Deutsche, jetzt lasst auch mal bitteschön die Kirche im Dorf. Im O-Ton sagt Earnest:

"Alliierte mit hoch entwickelten Geheimdiensten wie die USA und Deutschland verstehen ziemlich genau, was solche Geheimdienstbeziehungen und -aktivitäten mit sich bringen. Auftretende Differenzen können am effektivsten über bewährte, private Kanäle beigelegt werden - und nicht über die Medien."

Nicht über die Medien: Damit spielt er auf den zwangsläufig sehr öffentlichen Rauswurf an. Und der Hinweis, dass doch beide Seiten Profis seien und wissen, was sie tun - das entspricht recht genau der amerikanischen Seelenlage in diesen Tagen. Viele in Washington können die Aufregung der Deutschen nicht recht nachvollziehen. Zur mutmaßlichen Spionage selbst nimmt Earnest erneut keine Stellung. Und die von der Bundesregierung ausgesprochene Aufforderung zur Ausreise des CIA-Vertreters will er nicht bestätigen.

Verärgerung über die CIA

Sicher, massiv verärgerte Partner sind immer schlecht. Deshalb haben mehrere Kongressmitglieder Obama aufgefordert, den Konflikt mit den Deutschen schnellstmöglich zu bereinigen. "Die Situation fängt an, außer Kontrolle zu geraten", hatte etwa Republikaner-Senator Jim Risch, Mitglied im Geheimdienst-Ausschuss, bereits am Donnerstag festgestellt.

Generell jedoch ist man in der US-Hauptstadt verärgert, dass sich die CIA wohl hat erwischen lassen; nicht, dass sie gegen die Deutschen spioniert hat. Hinzu kommt nun, nach dem Berliner Paukenschlag, die Verstimmung: Was soll das? Was erlauben sich die Deutschen eigentlich?

Die Presselage spiegelt das ganz gut wider. Das konservative "Wall Street Journal" kommentiert: Deutschland habe sowohl mit Russland als auch mit Iran engere wirtschaftliche und politische Beziehungen als mit vielen anderen westlichen Ländern. Die Vereinigten Staaten müssten diese Beziehungen verstehen - und das erfordere nunmal geheimdienstliche Erkenntnisse: "Es wäre unverantwortlich, würden die USA deutsche Regierungsbeamte nicht abhören." Und der Rauswurf des Top-Spions? Solch eine Aktion wäre sogar in der DDR während des Kalten Krieges eine Seltenheit gewesen, meint die Zeitung: "Die Anweisung zeigt den geschrumpften Einfluss Amerikas in der Welt unter Präsident Obama; und vielleicht auch zweifelhaftes Spionage-Handwerk."

Wird es ein Entgegenkommen geben? Unklar

Die "Los Angeles Times" hingegen schlägt einen gemäßigteren Ton an, weist aber auch auf die schwindende Westbindung der Deutschen hin: Die suchten nun die Nähe zu Russland, pendelten zwischen Ost und West. "Indem sie auf deutschen Bürgerrechten herumtrampelt, beschmutzt die Obama-Regierung Amerikas Image und erlaubt es den Deutschen, sich ihrem früheren Bezwinger moralisch überlegen zu fühlen." Gelinge es Obama nicht, die Spionage gegen Deutschland zu zügeln, "dann verwandelt er möglicherweise einen Alliierten in einen Gegenspieler".

Obama hat nun seiner Verstimmung durch seinen Sprecher Ausdruck verliehen. Mit Merkel telefoniert hat er allerdings noch nicht in der Sache. Und es ist auch unklar, ob er es tun wird. US-Außenminister John Kerry wird sich am Wochenende am Rande der Atomgespräche in Wien mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier zusammensetzen und die Angelegenheit besprechen, so viel ist zumindest klar.

Die Frage ist: Werden die Amerikaner eine Geste des Entgegenkommens erwägen? Und, wenn ja, wie kann die aussehen? Unklar. In der Pressekonferenz des Weißen Hauses am Freitag fragt ein Reporter, wem eigentlich Obama im WM-Endspiel am Sonntag die Daumen drücke: "Hat der Präsident einen Favoriten im Finale - und wäre es vielleicht klug, wenn dieser Favorit Deutschland wäre?"

Doch Josh Earnest verwandelt diese Vorlage nicht: "Sehr clever, die Frage so zu stellen", sagt er. Aber er habe noch nicht mit dem Präsidenten übers Finale gesprochen.

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