Sprengstoff-Affäre
Video aus Waffenlager bringt Bush in Schwierigkeiten
Das dubiose Verschwinden von 380 Tonnen Sprengstoff aus einem Waffenlager im Irak ist zum wichtigsten Thema im US-Wahlkampf geworden. Herausforderer John Kerry wirft Präsident George W. Bush Versagen vor. Das Weiße Haus ist nun weiter in der Defensive: Ein Video zeigt US-Soldaten noch nach dem Sturz von Saddam Hussein in dem Depot.
Washington - In dem Band, das der US-Sender KSTP, ein mit der ABC verbundenes Unternehmen, ausstrahlte, sind Mitglieder der amerikanischen 101. Airborne Division zu sehen, die sich in einem Bunker im Militärlager al-Kakaa aufhalten und dort Behälter überprüfen. Ob es sich dabei um den verschwundenen Sprengstoff handelt, ist zwar unklar. Wichtiger ist jedoch das Datum, an dem das Video aufgenommen wurde: Es soll der 18. April 2003 sein - also neun Tage nach dem Sturz von Saddam Hussein.
Die US-Regierung behauptet bislang, der hochexplosive Sprengstoff sei schon nicht mehr in dem Lager südlich von Bagdad gewesen, als die amerikanischen Soldaten dort im Mai eingetroffen sein. Saddam Hussein habe nach dem Beginn des Krieges genug Zeit gehabt, das Material herauszuschaffen. Tatsächlich hielten sich Mitglieder der 101. Airborne Division und der 3. Infanteriedivision nach Angaben des Pentagon ab 10. April "zwei bis drei Wochen" in der Nähe von al-Kakaa auf. Danach hätten die Soldaten sich jedoch in nördlicher Richtung nach Bagdad aufgemacht, so dass das Lager unbewacht gewesen sei. Als die Truppen im Mai nach al-Kakaa zurückkehrten, sei der Sprengstoff verschwunden gewesen.
Bushs Herausforderer Kerry hatte seinem Widersacher in den letzten Tagen vorgeworfen, der Vorfall sei ein "Skandal" und ein weiterer Beweis für die Inkompetenz des Präsidenten. Bush wiederum sprach von "wilden Vorwürfen" der Demokraten.
Sicher war nur, dass der verschwundene Sprengstoff in al-Kakaa bis zum 9. März regelmäßig von Mitarbeitern der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) inspiziert und versiegelt wurde. Das Video zeigt nun, wie US-Soldaten am 18. April in dem Depot Container mit der Aufschrift "Explosiv" begutachten. IAEA-Experten bestätigten, die Aufnahmen aus dem Lager seien von ihnen gemachten Fotos des versiegelten Sprengstoffes sehr ähnlich. In einer Aufnahme ist zu sehen, dass ein Siegel aufgebrochen ist.
Das Filmteam aus Minneapolis war nach Angaben von Mitarbeitern im April mit einer US-Einheit in einem Camp nahe al-Kakaa. Dabei seien die Aufnahmen aus dem Lager entstanden.
Vorwürfe auch von Human Rights Watch
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft den Alliierten unterdessen vor, detaillierte Informationen über ungesicherten Sprengstoff und Waffenlager im Irak ignoriert zu haben. Im Mai seien die USA und ihre britischen Verbündeten mit Daten über Bestände in der Umgebung von Bagdad und Basra versorgt worden. Es sei um Sprengköpfe, Minen und andere Waffen gegangen. Doch die Alliierten hätten nur wenig oder gar nichts unternommen, um das Material zu sichern. "Als wir die Koalition unterrichten, antworteten diese nur, man habe nicht genügend Truppen, um die Lager zu sichern", sagte Kenneth Roth, Chef der Organisation. Alwin Schröder