

Belgrad - Das Blutbad von Srebrenica aus dem Jahr 1995 gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg - und sorgt in Serbien noch immer für Streit zwischen Nationalisten und gemäßigten Vertretern. Nun hat sich Serbiens Präsident Tomislav Nikolic für das Massaker entschuldigt.
"Ich bitte auf Knien darum, dass Serbien für dieses in Srebrenica begangene Verbrechen verziehen wird", sagte Nikolic in einem Interview mit dem bosnischen Fernsehen, das in Auszügen am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Eine wesentliche Einschränkung schickte Nikolic allerdings gleich hinterher: Dass es sich bei der Tat wirklich um Völkermorde gehandelt habe, müsse erst noch bewiesen werden. Nach Informationen bosnischer Medien will der Politiker schon bald persönlich nach Srebrenica reisen.
Erste persönliche Entschuldigung eines serbischen Staatsoberhaupts
Das Interview mit dem serbischen Präsidenten soll am 7. Mai ausgestrahlt werden. Auszüge waren am Donnerstag auf YouTube zu sehen (hier in Originalsprache). Das Präsidialamt in Belgrad bestätigte der Nachrichtenagentur AFP die Äußerungen.
Es ist die erste persönliche Entschuldigung eines serbischen Präsidenten für das Verbrechen. Nikolic gilt als stark nationalistisch geprägt, was den Vorgang umso bemerkenswerter macht. Bereits im vergangenen Jahr hatte Nikolic bestritten, dass es sich um Völkermord handelte. Es sei "sehr schwierig", vor Gericht zu beweisen, "dass ein Ereignis die Form eines Völkermordes hatte", sagte er damals.
Nikolic war im Mai 2012 zum Präsidenten gewählt worden. In der Amtszeit seines Vorgängers Boris Tadic wurden der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und auch der bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic an das Haager Uno-Tribunal überstellt. Bevor Nikolic Präsident wurde, trat er solchen Entwicklungen entgegen und arbeitete mit Ultranationalisten der Serbischen Radikalen Partei Hand in Hand. Sein Land strebt allerdings den Beitritt zur Europäischen Union an - vermutlich will Nikolic mit seinem vorsichtigen Eingeständnis auch einen neuen, moderaten Kurs demonstrieren.
Seit fast 20 Jahren läuft die Aufarbeitung
Fanatisierte Serben hatten in dem Ort im Osten Bosniens rund 8000 überwiegend männliche Muslime ermordet. Ein kleines Kontingent niederländischer Blauhelmsoldaten überließ die Uno-Schutzzone den Angreifern kampflos. Die Leichen der Opfer wurden später in Massengräbern gefunden.
Im März 2010 hatte das serbische Parlament den Hinterbliebenen des Massakers zum ersten Mal sein Mitleid ausgesprochen. In der Resolution verurteilen die Abgeordneten die Gräueltat während des Bosnienkriegs "auf das Schärfste".
Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag stuft das Massaker von Srebrenica als Völkermord ein und hat dem serbischen Staat bereits 2007 eine Mitverantwortung an den Gräueltaten im Bosnien-Krieg zugewiesen.
Der frühere Präsident der bosnischen Serbenrepublik, Radovan Karadzic, muss sich für die Geschehnisse in Srebrenica und weitere Verbrechen vor dem Tribunal verantworten. Er weist jegliche Schuld von sich.
Serbische Nationalisten halten die Berichte über die Morde trotz der Erklärungen ihrer Regierung für übertrieben. Sie verweisen im Gegenzug auf Grausamkeiten, die an Serben im Bürgerkrieg begangen worden seien. Es darf in ihren Augen kein serbisches Schuldeingeständnis der für die Bluttat geben.
Das Haager Tribunal hatte außer Karadzic und Mladic auch den ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic für das Srebrenica-Massaker verantwortlich gemacht. Milosevic starb aber 2006 im Gefängnis des Tribunals in Scheveningen.
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Gedenkstätte nahe Srebrenica in Bosnien: Mehr als 8000 Menschen wurden hier im Jahr von serbischen Einheiten umgebracht - die meisten Opfer waren männliche Muslime.
Bemerkenswerter Schritt: Nun hat sich Serbiens Präsident Tomislav Nikolic für das Massaker entschuldigt.
Bosnische Gefangene und serbische Bewacher (1995): Das Blutbad gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
Grausige Funde: Die vielen Toten wurden nach Ende des Balkan-Krieges in Massengräbern entdeckt.
Vertrieben: Eine Gruppe bosnischer Muslime im Juli 1995
Ein Forseniker hält im Juni 2011 einen Schädel eines Srebrenica-Opfers in den Händen.
In Sicherheit: Bosnsiche Flüchtlinge stehen im Juli 1995 in einem Camp, das von der Uno eingerichtet wurde.