Straßenschlacht in Bern Krawalle erschüttern Schweizer Politik

Straßenschlachten, ein Großaufgebot der Polizei und der Berner Bundesplatz in der Hand von Autonomen: Die Schweizer Politik reagierte mit Entsetzen auf die Ausschreitungen bei einer Anti-SVP-Demonstration. Die rechtsgerichtete SVP könnte von den Krawallen sogar profitieren.

Berlin - Schweizer Politiker aller Lager verurteilten die Krawalle von mehreren hundert vermummten Autonomen, die gestern eine Kundgebung der rechtsgerichteten Schweizer Volkspartei (SVP) auf dem Berner Bundesplatz verhindert hatten. Besonders irritiert zeigten sie sich von der Tatsache, dass die Polizei nicht imstande war, die Kontrolle über den zentralen Platz des Landes zu behalten.

Die Bilder der Gewalt machten sie traurig, sagte die Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey dem "Sonntagsblick". Das Recht der Versammlungsfreiheit dürfe nicht von ein paar hundert Extremisten beschnitten werden.

Gleichzeitig richtete sie indirekt aber auch mahnende Worte an die SVP. "Die derzeitigen Provokationen und Anschuldigungen in der Politik hinterlassen Spuren. Man soll aufhören, mit Ängsten zu spielen, nur um ein paar Stimmen zu gewinnen", sagte die Bundespräsidentin.

Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät, ein Sozialdemokrat, verurteilte die Gewalt "in aller Schärfe". Die Meinungsfreiheit in der Schweiz gelte für alle. Dieses Grundrecht lasse man sich nicht "von irgendwelchen Gruppierungen kaputtmachen, aus welchem Lager sie auch kommen", sagte Tschäppät laut "NZZ Online". Er fügte hinzu, er sei "wütend" über die Exzesse, empfinde aber gleichzeitig "eine gewisse Ohnmacht".

Auch die Mitorganisatoren der Anti-SVP-Demo distanzierten sich von den Randalierern. Die Versammlungsfreiheit gelte für alle, egal ob auf dem Rütli, dem Bundesplatz oder anderswo, teilte die Sozialdemokratische Partei mit. Die Schweizer Jusos hatten in der Anti-SVP-Koalition "Schwarzes Schaf" mitgemacht.

Bei einer Wahlkundgebung der SVP war es gestern zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Dutzende Linksautonome verwüsteten unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung die SVP-Bühne auf dem Bundesplatz. Ein Umzug von rund 10.000 SVP-Anhängern mit SVP-Spitzenkandidat Christoph Blocher an der Spitze wurde daran gehindert, auf den Bundesplatz zu kommen. Ein Großaufgebot der Polizei lieferte sich Straßenschlachten mit den Autonomen, die immer wieder in der Menge untertauchten. Die SVP hielt ihre Feier schließlich an einem anderen Ort ab.

Zur Demonstration aufgerufen hatte die Anti-SVP-Koalition "Schwarzes Schaf". Der Name spielt auf ein Wahlplakat der SVP an, das zeigt, wie drei weiße Schafe ein schwarzes mit einem Fußtritt aus der Schweiz herausbefördern. Dieses Plakat war von einem Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen als rassistisch gerügt worden. Mit ihrer Kampagne gegen "kriminelle Ausländer" und für "mehr Sicherheit" schüre die SVP bewusst Ausländerfeindlichkeit, lautet ihr Vorwurf.

"Die SVP steht nun als Opfer da"

Nun fürchtet die Opposition, dass die SVP bei den Wahlen am 21. Oktober von den Krawallen profitieren könnte. Die Exzesse seien Wasser auf die Mühlen der Blocher-Partei, stellte die Grüne Freie Liste der Stadt Bern laut "Tagesanzeiger Online" fest.

"Die SVP steht nun als Opfer da", sagte der Berner Politologe Georg Lutz dem "Tagesanzeiger Online". Dies könne zu einer Solidarisierung der Wähler mit der Partei führen. Wäre die Veranstaltung hingegen ohne Zwischenfälle abgelaufen, wäre sie schnell vergessen gewesen.

Tatsächlich versuchte die SVP umgehend, politisches Kapital aus dem Vorfall zu schlagen. In einer Pressemitteilung sprach sie von einer "Schande für die Schweiz". Es zeige sich, dass "linksfaschistische Gewaltbereitschaft" über die Bürgerfreiheiten triumphiere. Dies seien "die Früchte der links-grünen Politik durch die jahrelange Verhätschelung, das Totschweigen, Schönreden und die Duldung linksalternativer Gewaltexzesse", so die SVP.

Zwei Wochen vor den Wahlen sei der ganzen Schweiz gezeigt worden, "was für unhaltbare Zustände wir wegen den Linken in unserem Land in Kauf nehmen müssen". Es brauche daher dringend eine "politische Korrektur".

Der Berner Polizeidirektor Stephan Hügli hatte gestern Abend von einem schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit und für die Demokratie gesprochen. Verantwortlich für die Krawalle sei eine äußerst gewaltbereite Gruppe von rund 500 Linksautonomen gewesen.

Das Konzept des Polizeieinsatzes sei aber richtig gewesen, hatte Hügli gesagt. Das Hauptproblem habe darin bestanden, von den gewaltbereiten Leuten aus dem Schwarzen Block in eine Art Mehrfrontenkrieg verwickelt worden zu sein. Polizeikommandant Jörg Gabi sprach von guerilla-ähnlichen Verhältnissen.

cvo/AP

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren