
Sparpaket: Debatte, Protest, Krawall
Straßenschlacht vor dem Votum Parlament in Athen stimmt Spardiktat zu
Athen - Das griechische Parlament hat einem umfassenden Sparprogramm zugestimmt und damit eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu einem neuen, internationalen Hilfspaket genommen. Bis 2015 will die Regierung in Athen rund 14 Milliarden Euro sparen, allein in diesem Jahr sollen es 3,3 Milliarden Euro sein.
Sozialisten und Konservative hatten sich von Beginn an für das Sparpaket ausgesprochen, sie verfügten über eine klare Mehrheit von 236 Sitzen im Parlament. Bei der Abstimmung gab es allerdings etliche Abweichler: Nur 199 Abgeordnete sprachen sich für das Sparprogramm aus - darunter auch einige unabhängige Abgeordnete. 74 Abgeordnete stimmten dagegen - Vertreter der Linken und der Kommunisten, sowie 43 Mitglieder der Regierungsparteien. Die Abweichler wurden umgehend aus der Koalition ausgestoßen. Fünf Parlamentarier enthielten sich, 22 waren nicht zum Votum erschienen.
Die Debatte war von heftigen Straßenschlachten in Athen begleitet worden. Demonstranten bewarfen Sicherheitskräfte vor dem Parlament mit Rauchbomben und Steinen. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein. In der Stadt zündeten vermummte Randalierer mindestens zehn Häuser und Geschäfte an.
Die Wut der Griechen gilt den heftigen Einschnitten, die auf die Bevölkerung zukommen: Die Ausgaben des Landes sollen um rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesenkt werden. Allein in diesem Jahr würden nach Angaben der Regierung rund 15.000 Staatsbedienstete entlassen. Bis 2015 sollen insgesamt 150.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden. Darüber hinaus sollen Mindestlöhne und Lohnnebenkosten für Angestellte drastisch sinken - auf die Ankündigungen hatten Gewerkschaften erneut mit Streiks reagiert.
Proteste und Randale in Athen
Cafés, Geschäfte und historische Kinos standen am Sonntagabend in Flammen, als vermummte Randalierer im Zentrum der Hauptstadt mit Brandsätzen und Steinen warfen. Das von der Polizei eingesetzte Tränengas drang bis ins Parlamentsgebäude. Die Polizei schoss in den stundenlangen Auseinandersetzungen mit Blendgranaten.
Gegen die neuen Kürzungen hatten in der Hauptstadt nach Angaben der Polizei schon am Tage rund 80.000 Menschen demonstriert. In der Hafenstadt Thessaloniki seien rund 20.000 Menschen auf die Straße gegangen.
Die Stimmung sei zunächst friedlich gewesen. Am Nachmittag kam es laut Polizeiangaben jedoch zu den ersten Ausschreitungen: Plötzlich flogen auf dem Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament Flaschen, Steine und Rauchbomben, die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor.
Anschließend strömten etliche Demonstranten in die Athener Innenstadt. Einige Gruppen vermummter Männer lieferten sich dort immer wieder Auseinandersetzungen mit der Polizei, zündeten Cafés, Geschäfte und eine Bankfiliale an. Flammen schlugen unter anderem aus dem 1870 erbauten Attikon-Kino sowie einem Lichtspielhaus, in dem die Gestapo während des Zweiten Weltkriegs politische Gegner folterte. "Wir haben viele Brände und versuchen sie unter Kontrolle zu bringen", sagte ein Sprecher der Feuerwehr im Fernsehen. Auch von Plünderungen war die Rede.
Strenge Auflagen der Geldgeber
Nach der Zustimmung der Athener Abgeordneten zum Sparplan der internationalen Troike sind nun wieder die Euro-Finanzminister am Zug. Diese wollen sich am kommenden Mittwoch erneut treffen, um das zweite, 130 Milliarden Euro umfassende Hilfspaket für Griechenland zu bestätigen. Es umfasst neue öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro, dazu kommen 30 Milliarden Euro zusätzliche Garantien zur Absicherung des geplanten Schuldenschnitts: Ein Teilverzicht privater Gläubiger soll die griechische Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro verringern. Die Zeit für die Beschlüsse drängt: Bekommt Griechenland keine neue Milliardenhilfen, ist das Land bis Ende März pleite.
Auch trotz des Parlamentsbeschluss steht Athen weiter unter strenger Beobachtung der Geldgeber. Neben den Ausgabenkürzungen hatte die EU ein klares Bekenntnis der Parteichefs verlangt, die Reformen auch umzusetzen. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte den Druck auf die Griechen zuletzt erhöht: Im Interview mit dem SPIEGEL sagte er, es könne im Fall Griechenland keine Vorleistungen mehr geben: "Jetzt zählen nur noch Taten".
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) forderte in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", Griechenland müsse Vereinbartes auch umsetzen. "Erst wenn das passiert, erst dann kann es neue Hilfen geben und darauf ist Griechenland ja dringend angewiesen." Rösler schloss in diesem Zusammenhang auch einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr aus.
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, warnte indes davor, Athen ein erdrückendes Spardiktat aufzubürden. Griechenland müsse die Chance bekommen, "dass in dem Land investiert wird, dass wieder Arbeit geschaffen wird und dass es dadurch auch wieder Hoffnung gibt." Das sei mindestens so wichtig wie die Debatte über die Kürzungen.