Streit in der EU Regierung fürchtet um Deutschlands Ruf
Hamburg - Die Bundesregierung fürchtet, dass ihr Verhalten in der Euro-Krise den Ruf Deutschlands in Europa nachhaltig beschädigen könnte. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, sagte dem SPIEGEL, er werde in Brüssel häufig mit der Kritik anderer Länder konfrontiert. "Ich werde gefragt: 'Steht ihr noch zu Europa?'" Hoyer sagte, strategisch mache die Bundesregierung das Richtige. "Aber wir haben ein Kommunikationsproblem."
Zunehmend steht die harte Verhandlungslinie von Angela Merkel in der Kritik, vor allem in den Krisenländern Irland, Portugal und Spanien. Die Bundesregierung ringt derzeit mit ihren EU-Partnern um die Bedingungen für einen dauerhaften Euro-Krisenmechanismus. Der provisorische Euro-Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro läuft im Sommer 2013 aus. Mitte Dezember soll ein EU-Gipfel Grundzüge eines dauerhaften Hilfsmechanismus festlegen.
Deutschland dringt darauf, dass die privaten Käufer von Staatsanleihen - vor allem Banken - an künftigen Nothilfen beteiligt werden können, etwa durch Zinsabschläge. Zeitungen im unter der Euro-Krise und neuen Sparorgien ächzenden Irland schreiben schon von Neokolonialismus und deutscher Großmannssucht. Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, fragt öffentlich, wie es um das Interesse Deutschlands an Europa bestellt sei.
"Bei manchen Debatten im Bundestag wende ich mich ab"
FDP-Politiker Hoyer sprach angesichts der Verhandlungen von einem schwierigen Balanceakt. "Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind", sagte er. "Andererseits müssen wir auch nicht ständig demonstrieren, dass wir uns für die Stärksten halten." Die Sprache, in der manchmal aus innenpolitischen Gründen über Europa diskutiert werde, sei problematisch, so Hoyer. "Bei manchen Debatten im Bundestag wende ich mich ab."
In einer internen Analyse des Auswärtigen Amtes heißt es nach Informationen des SPIEGEL, das Deutschlandbild habe sich "durch die Haltung zur Bewältigung der Euro-Finanzkrise in einigen EU-Mitgliedsstaaten nochmals deutlich verschlechtert." Und weiter: "Ziel der Bundesregierung muss sein, Zweifel an ihrer Europaorientierung frühzeitig und nachhaltig zu zerstreuen." Selbst in Ländern, die ähnliche Positionen wie Deutschland vertreten, würden gelegentlich Zweifel an der Grundausrichtung der Deutschen geäußert.
Unklar ist, wie die Euro-Länder ihre eigenen Nothilfen finanzieren wollen. Zurzeit stellen sie bilaterale Garantien für Problemländer bereit - eine Aufstockung dieser Hilfen auf insgesamt 1,5 Billionen Euro wird in Europa diskutiert, von Deutschland jedoch bisher abgelehnt.
Luxemburg dringt auf gemeinsame Schuldenfinanzierung
Der "Focus" berichtete, Deutschland erwäge als Instrument gegen die Krise nun doch gemeinsame Euro-Anleihen aller Partnerländer. Mit Eurobonds würde Deutschland für die Schulden der anderen Euro-Länder mithaften. Das Magazin zitiere einen anonymen Regierungsvertreter mit den Worten: "Das tun wir aber bei einer Ausweitung oder Verlängerung des Rettungsschirms auch."
Bisher wurden solche Überlegungen von der Regierung strikt zurückgewiesen, weil sich durch Eurobonds die Refinanzierung der deutschen Staatsschulden empfindlich verteuern würde. Für sie wären empfindlich höhere Zinsen fällig als für Bundesanleihen. Westerwelle sagte denn auch auf einem Landesparteitag der NRW-FDP: "Wir sind in der Bundesregierung gegen europäische Gemeinschaftsanleihen, weil wir Europa nicht zu einer Transfer- und Haftungsunion werden lassen wollen."
Der FDP-Vorsitzende forderte stattdessen strengere Sanktionen für Mitgliedsländer, die den Euro-Stabilitätspakt verletzen. "Wer zu Hause nicht solide wirtschaftet, muss wissen, dass das Konsequenzen für ihn hat." In Koalitionskreisen hieß es zudem, Eurobonds wären nur dann ein sinnvolles Instrument, wenn die Finanzpolitik in der EU vergemeinschaftet wäre. Davon sei man aber sehr weit entfernt.
Auf eine gemeinsame Schuldenfinanzierung dringt vor allem Jean-Claude Juncker. Der Regierungschef von Luxemburg hatte kürzlich argumentiert, wer private Gläubiger mit in die Haftung nehmen wolle, müsse auch für Eurobonds sein. Sonst müssten Staaten wie Griechenland wegen des Ausfallrisikos künftig sehr hohe Zinsaufschläge zahlen.
Widerstand gegen solche Überlegungen kommt auch aus den Koalitionsfraktionen. Der CDU/CSU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagte der Nachrichtenagentur Reuters "Die Abgeordneten finden die Idee überhaupt nicht prickelnd." 2011 zahlt Deutschland für seine Anleihen 37 Milliarden Euro Zinsen.
Druck auf Merkel von allen Seiten
Innerhalb der Koalition übt die FDP Druck auf Merkel aus, beim EU-Gipfel Mitte Dezember zu konkreten Ergebnissen über den Krisenmechanismus zu kommen, in den private Gläubiger einbezogen werden müssten. Ansonsten gebe es "einen Aufstand in der FDP", sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing, dem SPIEGEL.
Innenpolitisch ist Merkel in der Klemme: Die Bürger sind in der Frage gespalten, ob die Bundesrepublik Partnern wie Irland bei der Bewältigung ihre Krise helfen soll. In einer Emnid-Umfrage für den "Focus" sagten 48 Prozent der Deutschen, sie seien für die Unterstützung von Griechenland und Irland, 47 Prozent sind dagegen.
Über den Antrag der irischen Regierung auf Kredite aus dem EU-Rettungsschirm soll offenbar am Montag entschieden werden. Am Sonntag wollten die EU-Finanzminister in Telefonkonferenzen die Entscheidung vorbereiten. Montagabend will Finanzminister Wolfgang Schäuble die Bundestagsausschüsse für Haushalt, Recht und Finanzen über den deutschen Hilfsbeitrag unterrichten.