Streit über Iran-Abkommen Trumps gefährlicher Atompoker

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) vor Uno-Vollversammlung
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaAn der Uno in New York läuft die Generaldebatte mit einer schier endlosen Rednerliste. Doch die Schlagzeilen werden von woanders geliefert - aus einem Luxushotel ein paar Straßen weiter: Hier lässt sich US-Präsident Donald Trump von Dutzenden Staatschefs hofieren.
Gerade spricht Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas vor, sie hocken an einem Ziertisch. "Haben Sie entschieden, was Sie mit dem Iran-Abkommen machen?", schreien die Reporter Trump an. "Ich habe es entschieden", sagt der mit wichtiger Miene. Und? Was denn? Wird er den Vertrag aufkündigen?
Trump grinst: "Sag ich Ihnen später."
Typisch Trump. Seit Wochen liebäugelt er mit einem Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen, als sei es ein TV-Cliffhanger und kein diplomatischer Kraftakt. In seiner Uno-Brandrede nennt er den Deal eine "Peinlichkeit für die USA". Nun aber scheint es tatsächlich Neues zu geben: Trump hat eine Entscheidung gefällt. Doch welche? Schalten Sie morgen wieder ein!
Ob Nordkorea, Nato oder eben Iran: Trump sprengt die Diplomatie - und damit die traditionellen, ausgefeilten Mechanismen für internationale Verträge - gerne mit dem verbalen Vorschlaghammer. Das findet seine nationalkonservative Basis daheim zwar toll. Doch den Rest der Welt besorgt das zusehends, weil es die Verlässlichkeit der Supermacht USA als Verhandlungspartner in Frage stellt.
Glaubwürdigkeit der USA zerstört
Diese Frustration offenbart sich jetzt vor allem beim Uno-Jahrestreffen, wo die Nuklearkonflikte Iran und Nordkorea so eng miteinander vernetzt sind: Sollte der Iran-Deal - über 20 Monate hinweg verhandelt mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats plus Deutschland - platzen, rückt eine Lösung der Eskalation mit Pjöngjang ebenfalls in weite Ferne.
"Wenn der Präsident vom Iran-Deal abrückt", sagte Wendy Sherman, die US-Chefunterhändlerin des Abkommens, der "New York Times", "wird es eine Diplomatie mit Nordkorea fast unmöglich machen, weil die Glaubwürdigkeit der USA zerstört wäre."
Davor warnt auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der mitten in der heißen Bundestags-Wahlkampfphase nach New York gereist ist: "Was wird passieren, wenn das einzig existierende Abkommen über die Verbreitung von Atomwaffen kaputtgemacht wird, wo wir doch gleichzeitig versuchen, Nordkorea auch von einem solchen Deal zu überzeugen?" Das Regime in Pjöngjang müsse den Eindruck gewinnen, eine ähnliche Übereinkunft mit den USA sei sinnlos.
"Wir haben jedes Interesse, das Atomabkommen mit Iran nicht zu gefährden", sagt Gabriel nach einem Krisentreffen mit US-Außenminister Rex Tillerson und den Amtskollegen der anderen Vertragspartner. Dabei macht Tillerson freilich klar, dass das Abkommen aus Sicht der USA politisch "wertlos" sei: Iran zeige sich im Syrien-Konflikt weiter nicht kooperativ und könne nach Ablauf der Vertragsphase jederzeit wieder mit der Entwicklung von Atomwaffen beginnen.
Iran hält sich an Vereinbarungen
Hinter verschlossenen Türen bekommen die Diplomaten einen Eindruck, wie verhärtet der Blick der neuen US-Regierung auf Iran ist. So berichtet Tillerson, als Amerikaner könne er die Bilder der brutalen US-Botschaftsbesetzung durch iranische Revolutionäre 1979 einfach nicht vergessen. Ein Deal, gebaut auf Vertrauen, sei schlicht nicht möglich, nicht für ihn oder Trump.
Noch am Morgen wirkt Gabriel schockiert von dem Treffen, das er als "tragisch" bezeichnet. Niemand, inklusive der USA, bestreite, dass sich Iran ans Abkommen halte, sein Atomprogramm beende und internationale Kontrollen zugelassen habe. Dennoch wolle Trump nun einseitig aussteigen.
Die USA müssen alle 90 Tage bescheinigen, ob Teheran die Konditionen des Pakts einhält. Die nächste Frist endet am 15. Oktober. Danach hätte der US-Kongress 60 Tage, um neue Sanktionen zu verhängen - und den Deal zu zerstören. Naheliegender ist es aber, dass Trump darin - wie auch beim Pariser Klimapakt - ein Druckmittel sieht, um härtere Bedingungen nachzuverhandeln. Aus dem Weißen Haus hieß es, man wolle zum Beispiel die Laufzeit des Abkommens zu verlängern versuchen.
Irans Präsident Hassan Rohani kündigte in einer Fernsehansprache am Freitag einen Ausbau der militärischen Kapazitäten und des Raketenprogramms seines Landes an: "Wir werden unsere militärischen Fähigkeiten stärken, die zur Abschreckung notwendig sind."
Trumps größtes Problem mit dem Iran-Abkommen ist jedoch nicht verhandelbar: Es ist das Erbe seines Vorgängers Barack Obama - und nach seiner Logik muss das, wie alle Errungenschaften Obamas, vernichtet werden. Auch passt ein solch komplizierter Vertrag, der alle Partner gleichwertig behandelt, nicht in Trumps schablonenhafte Welt aus Gewinnern, Verlierern und "America First".
Gabriel hat wenig Hoffnung, dass Gespräche noch etwas bringen. "Für die amerikanische Politik scheint das Prinzip eher zu sein, dass die Weltpolitik eine Arena ist, eine Kampfbahn, wo der Stärkere sich gegen den Schwächeren durchsetzt", sagt er. Das sei das "Gegenteil der europäischen Idee - und nach meinem Dafürhalten auch das Gegenteil der westlichen Prinzipien".