Streit über Raketenschild Russland testet neue Super-Rakete

Selbst Militärexperten wurden überrascht: Als Antwort auf Washingtons Raketenabwehrsystem in Osteuropa hat Moskau heute eine neue Interkontinentalrakete getestet. Die Waffe könne jeden Schutzschild überwinden, behauptet der Kreml. Die Russen könnten sich also sicher fühlen.

Moskau - Die Rakete des Typs RS-24 sei heute vom nordrussischen Übungsgelände Plessetzk von einer mobilen Rampe aus abgefeuert worden und weniger als eine Stunde später zielgenau 6500 Kilometer östlich auf der Halbinsel Kamtschatka auf dem Testgelände Kura niedergegangen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Mit diesen neuen Raketen könne Russland im Ernstfall jede gegnerische Abwehr überwinden, sagte der für Militärfragen zuständige Vize-Regierungschef Sergej Iwanow. "Vom Standpunkt der Verteidigung und Sicherheit her können sich die Russen also sicher fühlen." Auch eine neue Kurzstreckenrakete sei erfolgreich getestet worden.

Die neue Interkontinentalrakete kann mehrere Atomsprengköpfe tragen. Militärexperten zeigten sich überrascht von der Ankündigung. Die Rakete scheine in völliger Geheimhaltung entwickelt worden zu sein, erklärte Alexander Goltz vom Online-Medium "Jeschenedelni Schurnal".

Die RS-24 nutze die Technologie der Topol-M, die von der Nato SS-27 genannt wird, wie ein Sprecher der strategischen Streitkräfte der Nachrichtenagentur AFP sagte. Sie solle die RS-18, die im Westen unter dem alten Namen SS-19 Stilleto bekannt ist, und die RS-20 (SS-18 Satan) ersetzen. Auch die RS-24 entspreche den Auflagen des Abrüstungsabkommens Start-I und des Vertrags zwischen Russland und den USA von 2002, in dem eine Obergrenze von 1700 bis 2000 Atomsprengköpfen für jedes Land festgelegt worden sei, hieß es in Moskau.

Die Erklärung Russlands zielte offenbar auf die von den USA in Europa geplante Raketenabwehr, die für erhebliche Spannungen zwischen Moskau und Washington geführt hat. So wetterte Präsident Wladimir Putin auch heute wieder gegen das Projekt Washingtons. Er warnte davor, Europa durch die Errichtung des geplantes Raketenschildes zu einem "Pulverfass" zu machen. "Wir denken, es ist schädlich und gefährlich, Europa in ein Pulverfass zu verwandeln und es mit neuen Waffenarten zu bestücken." Der Schild schaffe ein "neues und unnützes Risiko für das System der internationalen und europäischen Beziehungen", sagte Putin.

Aber auch SPD-Chef Kurt Beck bekräftigte heute seine Kritik an den Raketenschild-Plänen. In einem Gastbeitrag für den "International Herald Tribune" schrieb er, die USA sollten weitere Konsultationen mit offenem Ausgang in der Nato und im Nato-Russland-Rat führen: "Das heißt, die Mitglieder dieser Organisationen nicht nur über die eigenen Pläne zu informieren, sondern auch die Bereitschaft zu erwägen, sie notfalls aufzugeben."

Die USA haben mehrfach betont, dass ihre Pläne sich nicht gegen Russland richteten und für das Land ihrer Ansicht nach auch keine Bedrohung darstellten. Der Schild solle vielmehr vor Raketenangriffen aus Staaten wie dem Iran schützen.

als/AFP/dpa/AP/Reuters

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