Streit um Kriegsgrund US-Kongress will Klärung

In den Streit über die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen schaltet sich jetzt auch der amerikanische Kongress ein. Zwei Ausschüsse des Senats wollen klären, ob die US-Regierung die Gefahr, die von den Waffen Saddams Husseins ausging, übertrieben hat. Und auch Tony Blair erwartet in Großbritannien Ärger.

Washington - Noch in diesem Monat würden gemeinsame Anhörungen beginnen, teilte der republikanische Senator John Warner mit. Besonders die Glaubwürdigkeit von Präsident George W. Bush, Außenminister Colin Powell, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und CIA-Direktor George Tenet werde in Zweifel gezogen. Es sei wahrscheinlich, dass alle drei auch vor dem Ausschuss aussagen müssten, berichtet BBC.

Der Geheimdienst CIA solle umgehend seine Dokumente zur Verfügung stellen, kündigte Warner an. Der demokratische US-Senator Bob Graham sagte im Fernsehsender CNN, sollten keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden, stelle dies ein "schweres Scheitern" der Geheimdienste dar.

Powell hatte sich bei seinem entscheidenden Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat im Februar auf CIA-Material bezogen, dass die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen verdeutlichen sollte. Doch frühere US-Geheimdienstexperten beschuldigen die US-Regierung, noch nie seien Geheimdienstinformationen auf solch systematische Art verdreht worden, um die Zustimmung des Kongresses für einen Krieg zu gewinnen. Rumsfeld habe das Geheimdienstmaterial über den Irak "in fast krankhafter Weise stark verzerrt", zitiert das US-Magazin "Time" einen Nachrichtenoffizier.

CIA-Chef Tenet hat die Vorwürfe bestritten und die "Integrität" der Informationssammlung zu den irakischen Massenvernichtungswaffen verteidigt. Auch Powell verteidigte den Geheimdienst. Das für seinen Uno-Auftritt genutzte Material entstamme soliden Informationen, sagte der US-Außenminister auf seinem Flug ins ägyptische Scharm al-Scheich.

Labour macht Druck

Ärger erwartet auch Großbritanniens Premier Tony Blair. Auch er muss wegen der anhaltenden Zweifel am Kriegsgrund mit einer parlamentarischen Untersuchung rechnen. Der Labour-Abgeordnete Tony Wright sagte BBC, er halte eine offizielle Untersuchung für "nahezu unvermeidlich". Auch Blair wird vorgeworfen, er habe die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen dramatisch übertrieben.

"Ich glaube, die jüngste Entwicklung legt nahe, dass die Regierung nicht korrekt vorgegangen ist, was die Informationen betrifft", sagte Wright. In Großbritannien konzentriert sich die Kritik auf ein im September veröffentlichtes Regierungsdossier, in dem es hieß, Irak könne chemische und biologische Waffen binnen 45 Minuten einsetzen. Über 50 Labour-Abgeordnete haben einen Antrag unterzeichnet, der die Veröffentlichung von Belegen für das Dossier fordert. Dasselbe verlangt die konservative Opposition. Für eine förmliche Untersuchung der Vorwürfe gegen Blair gibt es allerdings noch keine sichere Mehrheit im Parlament. Nur die kleine Liberaldemokratische Partei hat sich klar dafür ausgesprochen.

Blix: Wir hatten keine Beweise

Ein irakischer Wissenschaftler sprang Washington und London unterdessen bei. Jederzeit hätten in für zivile wie militärische Zwecke gleichermaßen nutzbaren Industrieanlagen im Irak chemische und biologische Waffen produziert werden können. Die Aussagen des Irakers vom 7. Mai wurden der "Washington Post" von der US-Regierung zur Verfügung gestellt. Zwei im Nordirak gefundenen Lastwagen, die nach Angaben Washingtons als mobile Labors zur Herstellung von biologischen Kampfstoffen ausgestattet waren, seien Beweis für diese Strategie.

Uno-Chefwaffeninspektor Hans Blix stellte unterdessen erneut klar, dass sein Team keine Beweise habe, dass Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Es habe aber zahlreiche Hinweise auf chemische und biologische Waffen gegeben, schrieb Blix in seinem am Montag vorgestellten Abschlussbericht für den Weltsicherheitsrat.

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