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Ägypten gegen Äthiopien: Streit ums Nilwasser

Foto: William Lloyd-George/ AFP

Streit um Nilwasser Mursi droht Äthiopiens Dammbauern

Äthiopien will den Nil mit einem Mega-Damm aufstauen - und sorgt damit für Empörung in Kairo. Ägyptens Präsident Mursi fürchtet für sein Land Wasserknappheit. Schon spricht er von einem Krieg.

Mohammed Kamel Amr ist einer der einflussreichsten Diplomaten, die Ägypten zu bieten hat. Seine Karriere führte ihn in die USA, nach Saudi-Arabien, auch in der ägyptischen Vertretung bei den Vereinten Nationen war Amr stationiert. Seit Juli 2011 ist er Außenminister.

Nun steht für Amr eine Reise an, in der sein ganzes diplomatisches Geschick gefordert sein wird. In den kommenden Tagen soll Amr in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba reisen und einen Konflikt um das Wasser des Nils lösen. Der Streit darum, wem es gehört und wer es wie nutzen darf, könnte andernfalls in einem Krieg enden.

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hatte Äthiopien Anfang der Woche erstmals indirekt mit einem bewaffneten Konflikt gedroht. "Wir wollen keinen Krieg", sagte Mursi vor Anhängern seiner Partei in Kairo. "Doch wir können es nicht hinnehmen, dass unsere Sicherheit gefährdet wird." Deshalb stünden "alle Optionen offen", so der Präsident.

Auslöser des Streits ist ein gigantischer Staudamm, mit dem Äthiopien den über sein Staatsgebiet fließenden Blauen Nil aufstauen will. Ende Mai hat das Land damit begonnen, den Flusslauf dafür um 500 Meter zu verlegen.

Der "Große Äthiopische Renaissance-Damm" soll Elektrizität produzieren, viel Elektrizität: In der ersten Bauphase, die binnen drei Jahren abgeschlossen sein soll, würde das 3,2 Milliarden Euro teure Werk eine Leistung von 700 Megawatt entfalten. Nach der endgültigen Fertigstellung soll die Leistung dann auf 6000 Megawatt steigen - es wäre das größte Wasserkraftwerk des Kontinents. Der Staudamm soll 1780 Meter lang und 145 Meter hoch werden.

Den gewonnenen Strom will Äthiopien an seine Nachbarländer verkaufen und so die Staatskasse füllen. Verbrauchen, etwa zur Bewässerung, wollen die Äthiopier das Wasser nach eigenen Aussagen nicht: Ist es einmal durch die Turbinen geströmt, soll es ungehindert Richtung Norden fließen.

Angst um Lebensgrundlage

Trotzdem ist Kairo in Aufruhr. Die Empörung hat verschiedene Ursachen: Zum einen ist da Angst um die Lebensgrundlage, die das Nilwasser für das ganze Land darstellt. Ägypten argumentiert, dass aus dem entstehenden Stausee weit mehr Wasser verdunsten würde als aus einem ungehindert fließenden Fluss. Insofern käme weniger Wasser in Ägypten an, der Pegel des Stroms würde sinken. Dies würde nicht nur die auf Bewässerung angewiesene Landwirtschaft schädigen, auch die Schifffahrt werde beeinträchtigt, argwöhnt Ägyptens nationalistische Presse.

Vor allem aber ist die Eskalation ein Manöver, mit dem die unter Druck stehenden Muslimbrüder und ihr Präsident versuchen, von der desolaten innenpolitischen Lage abzulenken. Kritiker werfen der Regierung Mursi vor, Ägypten zu einer islamistischen Diktatur umzubauen. Am 30. Juni wollen sich Millionen Oppositionelle zu Massenprotesten versammeln und Neuwahlen erzwingen. Da kommt es Mursi gelegen, sich für etwas stark zu machen, das jedem Ägypter am Herzen liegt: den Nil, den der Präsident gern salbungsvoll "Gottes Geschenk an Ägypten" nennt.

Geschicktes Ablenkungsmanöver

Kairo hat den Streit offenbar angestachelt: Vergangene Woche saßen mehrere hochrangige Politiker in einem Fernsehstudio und besprachen, dass man Äthiopien nicht nachgeben dürfe. Angeblich wussten die Männer nicht, dass ihre Diskussion live übertragen wurde. Junis Machjum, Führer der radikalislamischen Nur-Partei, gab sich besonders kriegerisch: Erst schlug er vor, Ägypten könne Rebellengruppen in Äthiopien in ihrem Kampf gegen die Regierung in Addis Abeba unterstützen. Und wenn das nichts nütze, müsse der ägyptische Geheimdienst eben den Damm zerstören.

Befürworter des Dammbaus argumentieren, Ägypten, das von allen zehn Nilanrainern den bei weitem größten Anteil des Flusswassers nutze, habe kein Recht auf den unverhältnismäßig hohen Verbrauch. Doch Gespräche über einen neuen Verteilungsschlüssel sind immer wieder gescheitert. Die Zeit, in der Kairo aus einer bis in die Pharaonenzeit zurückreichende Tradition heraus einen Anspruch auf das Nilwasser ableiten kann, scheinen jedenfalls vorbei. Die anderen Anrainer sind inzwischen zu gut organisiert, um diese Vormachtstellung länger hinzunehmen. So soll sich Äthiopien für die Finanzierung seines Damms die Unterstützung chinesischer Banken gesichert haben.

Addis Abeba hat ägyptische Forderungen, den Bau zu stoppen, von sich gewiesen. "Nichts wird den Renaissance-Damm stoppen. Keine Drohung wird ihn stoppen", sagte ein Regierungssprecher dem britischen "Guardian". Ägypten betreibe "psychologische Kriegsführung".

Äthiopiens Regierung behauptet, dass eine Kommission von Experten aus Sudan, Ägypten und Äthiopien zu dem Schluss gekommen sei, dass der Dammbau internationalen Standards entspreche und keinen Schaden für andere Anrainer bedeute. Der Bericht ist bislang nicht veröffentlicht worden.

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