Streit um Nuklearprogramm Israel fühlt sich durch Iran-Atombericht gestärkt

Iranisches Atomkraftwerk Buschehr (Archivbild): Sorge um das Nuklearprogramm
Foto: Abedin Taherkenareh/ dpaErst zehn Seiten Fachchinesisch, dann, unter Punkt 53, der Knüller: "Die Behörde ist ernsthaft besorgt über die möglichen militärischen Dimensionen des iranischen Nuklearprogramms." Mit diesem Satz hat die Internationale Atomenergieorganisation IAEA im Streit um das iranische Atomprogramm am Dienstag erstmals klar Stellung bezogen: Mindestens bis zum vergangenen Jahr arbeitete Iran demnach an der Entwicklung einer Atombombe und führte verschiedene Projekte und Experimente zur Entwicklung eines atomaren Sprengkopfes durch. Stichhaltige Beweise, dass Teheran seine nuklearen Träume aufgegeben habe, gebe es nicht. Es sei durchaus möglich, dass Iran nach wie vor an der Bombe baue, so die Schlussfolgerung der IAEA.
Auf den ersten Blick ist das keine Überraschung: In Militärkreisen gilt es als offenes Geheimnis, dass Iran versucht, spaltbares Material für Atomwaffen herzustellen und einen nuklearen Sprengkopf zu entwickeln. "Die meisten Informationen waren Israel und den westlichen Geheimdiensten schon seit Jahren bekannt", sagte der israelische Iran-Experte Eitan Livne am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa.
Neu ist dagegen, dass nun auch die IAEA sich denen anschließt, die vor einer Atommacht Iran warnen. Denn in den langen Jahren, in denen von 1997 bis 2009 der Ägypter Mohamed ElBaradei der Wiener Behörde vorstand, hatten sich deren Iran-Berichte immer gleich gelesen: Wien habe Iran zur Mitarbeit und Transparenz aufgefordert, Teheran sich jedoch taubgestellt und Inspektoren nur begrenzt Zugang gewährt.
Auch das Fazit, das ElBaradei aus den knappen Berichten zog, klang Jahr für Jahr ähnlich: Beweisen könne man den Iranern nichts, also müsse man sie machen lassen. 2005 bekam der Ägypter für seine Tätigkeit den Friedensnobelpreis, 2009 übergab er sein Amt an den Japaner Yukiya Amano. Amano hat in Wien andere Saiten aufgezogen: Unter seiner Ägide ist nun der bisher umfangreichste und detaillierteste Iran-Bericht vorgelegt worden. Amano hat damit bewiesen, dass seine Uno-Behörde Biss hat.
"Ein Kollaborateur des Ajatollah-Regimes"
Die Regierung in Israel reagiert mit Genugtuung. Der Bericht bestätige den Verdacht, dass Iran Atomwaffen herstellen wolle, sagte Premier Benjamin Netanjahu. Die internationale Gemeinschaft müsse das unterbinden. Es passt genau zur Strategie der Regierung Netanjahu, die in den vergangenen Tagen eine lautstarke Drohkulisse gegen Iran aufgebaut hatte.
Unzufrieden mit den halbherzigen Versuchen der Weltgemeinschaft, Irans Atomprogramm besser zu kontrollieren, hatte Jerusalem eine laute öffentliche Diskussion über einen möglichen israelischen Erstschlag gegen Irans Atomprogramm vom Zaun gebrochen. Nach Einschätzung von Beobachtern sollte damit Druck auf Israels Verbündete ausgeübt werden, Teheran mit weiteren Sanktionen in seine Schranken zu weisen - auch und gerade vor dem Hintergrund der bevorstehenden Veröffentlichung des Iran-Berichts der IAEA.
Seitdem Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschaderklärt hat, Israel müsse "von der Landkarte" gewischt werden, leben die Israelis mit einer sehr realen Angst vor einer iranischen Bombe. Jerusalem warnt seit Jahren, Teheran arbeite an der Entwicklung von Nuklearwaffen und müsse gestoppt werden. Nun fühlt sich Israel endlich ernst genommenund hofft darauf, dass der IAEA-Bericht umgehend politische Folgen für Teheran haben wird.
Israel hofft nun auf China und Russland
Der Report aus Wien verleiht der Drohung Jerusalems, notfalls im Alleingang gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen, zusätzlichen Nachdruck. Israel hofft, dass der Bericht zusammen mit den israelischen Angriffsdrohungen auch Russland und China dazu bewegen wird, im Uno-Sicherheitsrat ihren Widerstand gegen weitere Sanktionen gegen Teheran aufzugeben.
"Russland und China sind die Schlüsselstaaten", sagte Iran-Experte Livne. Auch sie müssten begreifen, dass das iranische Atomprogramm "eine Gefahr für den Weltfrieden" darstelle. Wenn Europa, die USA, China und Russland die Bombe nicht in diesem Winter stoppten, könne Israel nicht für eventuelle Alleingänge verantwortlich gemacht werden, schrieb Ben Caspit in der Zeitung "Maariv".
Allerdings, so schreibt er weiter: Auch die IAEA habe seit Jahren gewusst, was es mit dem iranischen Atomprogramm auf sich habe. Doch ausgerechnet diejenigen, die der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen Einhalt gebieten sollten, hätten untätig zugesehen, wie Iran Schritt für Schritt die Fähigkeit erlangt habe, eine Atombombe zu bauen. Der "ägyptische Clown" ElBaradei sei deshalb "ein Kollaborateur des Ajatollah-Regimes", so Caspit. "Er hat den Iranern die wertvolle Zeit verschafft, die sie brauchten."
Mit der Rolle ElBaradeis beschäftigt sich auch die "Jedioth Achronot": "Der Report muss in Ägypten harte Fragen auslösen", fordert die "Jedioth Achronot". Der Hintergrund: ElBaradei will bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr antreten. Ägypten gilt als wichtiger Verbündeter Israels im Nahen Osten - ob das so bleibt, hängt vor allem davon ab, wer künftig dort regieren wird.