Streit um Raketenschild Putin schlägt USA gemeinsame Radarstation in Aserbaidschan vor

Russland geht im Streit um das von den USA in Osteuropa geplante Raketenabwehrsystem zur Gegenoffensive über: Präsident Putin schlug seinem Amtskollegen Bush vor, gemeinsam eine Radarstation in Aserbaidschan zu nutzen. Bush findet das Angebot zumindest "interessant".

Heiligendamm - Nun liegt eine Alternative auf dem Tisch: In einem Gespräch mit US-Präsident George W. Bush hat der russische Präsident Wladimir Putin seinem Amtskollegen auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm überraschend vorgeschlagen, das umstrittene Raketenabwehrsystem in Aserbaidschan zu errichten. Bei diesem Standort am Kaspischen Meer hätte Moskau keine Einwände, ließ Putin Bush wissen.

In Aserbaidschan könnten die USA und Russland laut Putin gemeinsam die Radarstation Gabala im Norden Aserbaidschans nutzen. So könnte ganz Europa vor einer Bedrohung geschützt werden, sagte der russische Präsident. Im Gegenzug könnten die USA aus russischer Sicht auf das geplante Abwehrsystem in Mitteleuropa verzichten, wurde aus dem Weißen Haus nach dem Gespräch Putins und Bushs am Nachmittag bekannt.

Die Station Gabala wird derzeit von den Russen bei Aserbaidschan gemietet. "Ich habe gestern mit dem aserbaidschanischen Präsidenten darüber gesprochen. Sein Einverständnis würde es uns erlauben, die Station gemeinsam zu nutzen", sagte Putin laut Interfax.

Putin sagte der russischen Agentur Interfax zufolge, sollten die USA den Vorschlag annehmen, würde Russland auf die Programmierung neuer Raketenziele in Europa verzichten. "Es würde uns ermöglichen, Bedingungen für eine Zusammenarbeit zu schaffen." Nach dem Treffen sprachen Bush und Putin von einem konstruktiven Dialog. Putin sagte, er sehe keine Probleme, vorausgesetzt, die USA und Russland arbeiteten bei dem Thema transparent zusammen.

Bush nannte das Angebot immerhin eine "interessante Idee". Nun sollen bilaterale Arbeitsgruppen der Verteidigungs- und Außenministerien das Thema erörtern. Außerdem soll das Gespräch von Heiligendamm am 1. Juli in Kennebunkport im US-Staat Maine fortgesetzt werden. Bush hat Putin demnach auf einen Landsitz seiner Familie direkt am Atlantik eingeladen. "Wir haben darin übereingestimmt, einen strategischen Dialog zu führen", sagte Bush und fügte hinzu: "Dies ist eine ernsthafte Angelegenheit."

Der Vorschlag ist eine überraschende Wendung in dem Streit um die US-Raketenpläne, der in den vergangenen Tagen Erinnerungen an Zeiten des Kalten Krieges geweckt. Zunächst hatte Putin in einem Interview gedroht, Russland könnte seine Raketen auf neue Ziele in Europa ausrichten. US-Präsident George Bush kritisierte daraufhin die Demokratie in Russland als mangelhaft.

Vor dem heutigen Treffen hatte Bush erklärt, er wolle Putin davon überzeugen, dass die Abwehrpläne kein Grund zur Aufregung seien. Das Rüstungsprojekt sei nicht gegen Russland, sondern gegen Staaten wie Iran gerichtet. Moskau sei eingeladen, Vertreter der Regierung und der Streitkräfte in die USA zu schicken, "und hoffentlich wird das die Dinge klären". Die USA wollen zehn Abfangraketen in Nordpolen aufstellen und eine zugehörige Radarstellung in Tschechien errichten.

phw/dpa/AFP/AP

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