Streit um Stiftungsfinanzierung Ägypten bringt Deutsche vor Gericht

Razzien, Ausreiseverbote und jetzt Anklagen: Ägypten geht rigide gegen ausländische Nichtregierungsorganisationen vor. 43 Mitarbeiter - darunter zwei Deutsche - müssen sich vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: illegale Finanzhilfe. Außenminister Westerwelle reagiert empört.

Kairo - Trotz internationaler Proteste geht Ägypten weiter unbeirrt gegen Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen vor: Kairo stellt nun 43 Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, darunter zwei Deutsche, vor Gericht. Sie müssen sich wegen verbotener Aktivitäten und der illegalen Annahme von Geldern aus dem Ausland verantworten. Die Entscheidung der Untersuchungsrichter für einen Prozess fiel am Sonntag, berichtete das Staatsfernsehen.

Unter den angeklagten Ausländern sind neben den beiden Deutschen 19 US-Bürger, fünf Serben und drei Bürger arabischer Staaten. Einer der Angeklagten Amerikaner ist Sam LaHood, Sohn des US-Verkehrsministers Ray LaHood. Er leitete das ägyptische Büro des International Republican Institute. Seine Gruppierung nannte die Entscheidung des Gerichts "politisch motiviert" - sie stünde in einer Reihe von Attacken gegen internationale und ägyptische Organisationen, die sich für Demokratie einsetzten.

Ob sich unter den beiden Deutschen auch Andreas Jacobs, Leiter der Konrad-Adenauer Stiftung (KAS) in Kairo, und seine Kollegin befinden, stand am Sonntag zunächst nicht fest. "Wir wissen nicht, ob wir auf der Liste sind", sagte Jacobs SPIEGEL ONLINE. Er lasse den Sachverhalt derzeit von seinen Anwälten prüfen. Das dauere, da der Sonntag ein Feiertag in Ägypten ist: Die Muslime begehen den Geburtstag des Propheten Mohammed. "Wir haben nichts Schriftliches bekommen", so der KAS-Chef. Allerdings, sagte Jacobs, sei bisher nur gegen zwei Deutsche ermittelt worden - nämlich ihn und seine Kollegin.

Vorwürfe "völlig abwegig"

Bereits Ende Dezember waren in Kairo das Büro der KAS und 17 weiteren Organisationen durchsucht, Papiere und Computer beschlagnahmt worden. Die Aktion war Teil von Ermittlungen wegen des Verdachts illegaler Finanzierung aus dem Ausland und fehlender Genehmigungen. Die ägyptische Regierung hatte zur Rechtfertigung der Razzien erklärt, nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak Anfang 2011 hätten ausländische Organisationen illegalerweise Büros in Ägypten eröffnet.

Das Vorgehen der Behörden war international scharf kritisiert worden und hatte zu erheblichen Spannungen mit Washington geführt. Anfang Januar musste Jacobs dann Untersuchungsrichtern fünfeinhalb Stunden Rede und Antwort stehen. Den Vorwurf, dass die KAS ihr Büro illegal - ohne Lizenz - betreibe, bezeichnete der Chef als "völlig abwegig".

Westerwelle empört

Außenminister Guido Westerwelle will die Einschränkung der Arbeit der politischen Stiftungen in Ägypten nicht hinnehmen. Eine solche Behinderung sei "in keiner Weise akzeptabel", sagte der FDP-Politiker am Sonntag der ARD im "Bericht aus Berlin". Deutschland werde außenpolitisch auf Kairo einwirken, damit die Stiftungen ihre Arbeit wie bisher fortsetzen könnten.

Mit der Anklage verschlechtert sich auch das Verhältnis zwischen Kairo und Washington. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums äußerte sich besorgt: Man erwarte Klärung von Seiten der Ägypter. Außenministerin Hillary Clinton drohte ihrem ägyptischen Kollegen Mohammed Amr am Samstag gar mit einem möglichen Stopp der Militärhilfe, falls der Konflikt über die Nichtregierungsorganisationen nicht beigelegt werde. Kairo erhält von den Vereinigten Staaten eine jährliche Unterstützung der Armee von rund 1,3 Milliarden Dollar. In einer Reaktion erklärte Amr am Sonntag, dass die Regierung sich nicht in die Arbeit der Justiz einmischen könne.

Das Datum für den Prozessauftakt stand zunächst nicht fest. Wie aus Justizkreisen am Sonntag verlautete, gilt für alle Betroffenen weiterhin ein Ausreiseverbot. Bis zum Beginn der Verhandlung bleiben sie aber auf freiem Fuß.

Proteste und Krawalle dauern an

Auch am Sonntag - dem vierten Tag in Folge - gab es wieder Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei in Kairo. Vor dem Innenministerium warfen Dutzende Demonstranten Steine und Molotowcocktails auf die Sicherheitskräfte, die ihrerseits Tränengas einsetzte.

Die Protestierenden werfen dem Militärrat und der Polizei vor, nichts gegen die blutigen Fußballkrawalle in Port Said getan zu haben, bei denen 74 Menschen starben. Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit Beginn der Unruhen am Donnerstag in Kairo und Suez zwölf Menschen getötet und 2532 weitere verletzt.

heb/dpad/dpa/AFP
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