Studiengebühren Blair übersteht Schicksals-Abstimmung
London - Blair gewann am Abend im Unterhaus in London die notwendige Mehrheit für das in der eigenen Labour-Partei äußerst umstrittene Reformprojekt. Bis zur Abstimmung stand das Ergebnis auf Messers Schneide. Es fiel denkbar knapp mit 316 zu 311 Stimmen aus.
Zahlreiche Mitglieder der Regierungspartei hatten vor der Abstimmung angekündigt, gegen die Vorlage von Blair stimmen zu wollen. Hätte der Premier die Abstimmung verloren, wäre dies seine erste Parlamentsniederlage seit seinem Amtsantritt gewesen.
Die Labour Party hatte vor ihrem überwältigenden Wahlsieg 1997 versprochen, die Studiengebühren von derzeit 1100 Pfund (1600 Euro) im Jahr unangetastet zu lassen. Jetzt sollen sie auf 3000 Pfund erhöht werden. In diesem Rahmen sollen in Zukunft die einzelnen Universitäten individuell ihre Gebühren festsetzen dürfen. Derzeit zahlen Studenten in Oxford genauso viel wie solche, die an einer weniger bekannten Hochschule eingeschrieben sind. Viele Labour-Abgeordnete hatten die Anhebung für unsozial gehalten.
Zu entrichten ist diese Gebühr dem Gesetzentwurf zufolge erst nach Ende des Studiums, wenn der Hochschulabsolvent bereits Einkünfte erzielt. Als Zugeständnis an die Rebellen in der eigenen Partei hat Bildungsminister Charles Clarke außerdem versprochen, dass eine weitere Anhebung während der kommenden beiden Legislaturperioden gesetzlich ausgeschlossen werde.
Nach der Billigung im Unterhaus wird der Gesetzentwurf einem Abgeordnetenkomitee vorgelegt, das über Details der Regelung beraten soll. Stimmt das Parlament dem Entwurf anschließend erneut zu, kann das Oberhaus die Verabschiedung des Gesetzes zwar verzögern oder weitere Nachbesserungen fordern, sie jedoch nicht abweisen.
Eine Niederlage der Regierung hätte für Blair nach Ansicht von Beobachtern noch schwerwiegender sein können als die anhaltende Kontroverse wegen seiner Unterstützung des Irak-Kriegs. Eine Vertrauensfrage Blairs wäre wahrscheinlich gewesen. Seit 1986 unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher ist in Großbritannien keine Regierungsvorlage mehr von der eigenen Partei zu Fall gebracht worden.
Der Sieg verschafft Blair eine kurze Atempause in einer seiner dramatischsten Amtswochen. Am Mittwoch muss er sich dem Bericht des Untersuchungsausschusses zum Selbstmord des britischen Waffenexperten David Kelly stellen. Ein halbes Jahr nach dessen Selbstmord wartet die britische Öffentlichkeit auf die Ergebnisse von Lordrichter Brian Hutton. Dieser könnte Blair im Zusammenhang mit seiner Irak-Politik schwer belasten.