Suche nach Gaddafi Das fast perfekte Wüstenversteck
Tripolis/Doha - Er ist noch da, zumindest per Audiobotschaft hat Muammar al-Gaddafi jetzt erneut von sich hören lassen. "Bereitet euch auf eine lange Schlacht vor", rief der 69-jährige libysche Despot dem arabischen Sender al-Dschasira zufolge seinen Anhängern zu. "Wir werden in jedem Tal, in jeder Straße, in jeder Oase und jeder Stadt kämpfen", heißt es demnach in der Botschaft. "Wir sterben lieber, als uns unter westliche Kontrolle zwingen zu lassen."
Es sind verzweifelte Durchhalteparolen des Machthabers, von dem es bereits seit Tagen keine Fernsehbilder mehr gibt. Teile seines Clans, darunter seine Frau, sind bereits nach Algerien geflüchtet, von Gaddafi selbst fehlt weiter jede Spur. Er versteckt sich vor den Rebellen, die inzwischen nahezu das ganze Land kontrollieren.
Wo sich der Despot aufhält, ist zwar unklar - dennoch fällt in Berichten über das mögliche Versteck Gaddafis immer wieder ein Name: Bani Walid. Es gebe konkrete Hinweise, dass Gaddafi in der libyschen Wüstenstadt untergetaucht sei, sagte etwa zuletzt ein führender Vertreter der Rebellen.

Bani Walid liegt rund 150 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Tripolis. Ein Ort, der mit seinen "Häusern aus Porenbetonstein, den unbefestigten Straßen und riesigen Gaddafi-Plakaten wie jede andere Stadt in Libyen" aussehe - so schrieb es "Guardian"-Reporter Ian Black Ende März.
In dem Ort leben überwiegend Angehörige des Warfalla-Stamms. Mit rund einer Million Angehörigen ist er einer der größten Stämme des Landes. Die Warfalla galten lange zusammen mit Gaddafis eigenem Stamm Gaddafa und dem Stamm der Magarha als Stützen des Diktatorenregimes, ihre Mitglieder wurden vom Machthaber mit lukrativen Posten bei den Sicherheitsdiensten und im Militär versorgt.
Dennoch ist völlig unklar, ob sich Gaddafi weiter auf die Unterstützung der Warfalla verlassen kann. Spätestens seit den frühen neunziger Jahren ist das Verhältnis von Rivalität geprägt: 1993 verhinderten libysche Sicherheitskräfte einen Putschversuch von Offizieren, unter ihnen waren viele Warfalla-Angehörige. Sie fühlten sich offenbar gegenüber den anderen Gaddafi-nahen Stämmen benachteiligt. Das Regime schlug mit Festnahmen, Folterungen und Exekutionen brutal zurück.
Von hier aus ist die Sahara nah
Der arabische Sender al-Dschasira zitierte Ende Februar Akram al-Warfelli, einen führenden Warfalla-Vertreter, mit den Worten: "Wir sagen dem Bruder, dass er nicht länger ein Bruder ist und dass er das Land verlassen soll." Dagegen meldete das libysche Staatsfernsehen Mitte März, der Warfalla-Stammesführer habe zur Unterstützung Gaddafis aufgerufen. Die Lage ist unübersichtlich: Ein AP-Reporter sprach zuletzt mit einem 22-jährigen Rebell über Bani Walid. Die Leute dort hätten Angst vor jedem, sagte Marwan Tantoun. "Manche Leute unterstützen uns in Bani Walid, andere stehen auf der Seite von Gaddafi, weil sie von ihm Geld bekommen."
Als Zufluchtsort bietet sich Bani Walid grundsätzlich an: Von Tripolis aus hätte Gaddafi dort schnell untertauchen können, beide Städte sind durch eine Straße verbunden. Der Ort breitet sich über viele Kilometer aus, etliche Bauern haben sich dort mit ihren Höfen angesiedelt. Ein derart unübersichtliches Gelände bietet sich für ein Versteck an. Von Bani Walid ist es zudem nicht weit in die tiefe, unwegsame Wüste. Auch die algerische Grenze liegt nicht in allzu weiter Entfernung. In der Vergangenheit hatte es bereits Berichte gegeben, Gaddafi halte sich in der Gegend der Grenzstadt Ghadames auf, um von dort über seine Aufnahme in Algerien zu verhandeln.
Übergangsrat plant Wahl für verfassunggebende Versammlung
Während Gaddafi versucht, seinen Jägern zu entkommen, plant der Nationale Übergangsrat der Rebellen weiter den Übergang zur Demokratie. Innerhalb von acht Monaten sollten Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung abgehalten werden, sagte der Vertreter des Übergangsrats in London, Guma al-Gamati, am Freitag dem Rundfunksender BBC. Ein Jahr danach solle die libysche Bevölkerung dann einen Präsidenten und ein Parlament wählen. "Wir haben einen klaren Plan erstellt mit einer Übergangsphase von 20 Monaten", sagte Gamati.
Die Übergangsphase habe bereits begonnen, sagte Gamati - obwohl es in Libyen nach wie vor Kämpfe zwischen Rebellen und Anhängern des langjährigen Machthabers gibt. Gaddafi sei "isoliert und beinahe eingekreist", sagte Gamati.
In den kommenden Tagen werde der Übergangsrat vollständig in die libysche Hauptstadt Tripolis umziehen und in den kommenden acht Monaten das Land führen, sagte Gamati. Zum Ende dieser acht Monate solle eine Versammlung aus 200 direkt gewählten Vertretern die Verantwortung übernehmen und eine demokratische Verfassung ausarbeiten. Diese solle in einer Volksabstimmung verabschiedet werden. Ein Jahr nach Einrichtung der verfassunggebenden Versammlung - also in 20 Monaten - sollten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten werden.
Ihre Pläne für die Zeit nach einem Sturz Gaddafis hatten die Rebellen bereits erstellt, bevor sie vergangene Woche Gaddafis Residenz in Tripolis einnahmen. Zahlreiche Staaten, darunter die USA, Frankreich und Deutschland, haben den Übergangsrat der Rebellen inzwischen als rechtmäßige Vertretung des libyschen Volkes anerkannt.