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Massaker in Khartum: Blutbad im Ramadan

Foto: Ashraf Shazly/ AFP

Massaker im Sudan Der Frühling der Demokratie ist vorbei

Das Massaker an Oppositionellen in Khartum zeigt: Sudans Militär hat kein Interesse an einem Wandel zu mehr Demokratie. Stattdessen orientiert man sich am Regime des ägyptischen Diktators Sisi.

Kurz nach Sonnenaufgang schlugen die Sicherheitskräfte zu: Sie drangen auf das Zeltlager der Opposition vor dem Hauptquartier der sudanesischen Armee in Khartum vor, schossen auf Demonstranten, setzten Zelte in Brand, prügelten auf Passanten ein. Augenzeugen berichten von einem Massaker, mindestens 13 Menschen seien getötet worden.

Die Lage ist auch Stunden nach der Eskalation noch unübersichtlich. Ärzte berichten, dass Uniformierte sogar in Krankenhäuser eingedrungen seien und Jagd auf angebliche Oppositionelle gemacht hätten. Das Militär unterbindet eine unabhängige Berichterstattung, indem es ausländische Journalisten in einem Hotel festhält und an der Arbeit hindert. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Armee das Al-Jazeera-Studio in Khartum geschlossen.

Seit fast genau zwei Monaten hatten Demonstranten das Hauptquartier des Militärs in der sudanesischen Hauptstadt belagert . So erzwangen sie am 11. April den Sturz des seit fast 30 Jahren amtierenden Diktators Omar al-Baschir. Doch das ist der Oppositionsbewegung - einem Bündnis aus Gewerkschaften, Studentengruppen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen - nicht genug: Sie fordert, dass die Macht in Khartum an eine zivile Regierung übertragen wird. Darauf jedoch will sich der Militärrat, der das Land übergangsweise seit Baschirs Absetzung regiert, nicht einlassen. Gespräche zwischen Opposition und Militär über eine Aufteilung der Macht sind bislang erfolglos.

Das Militär setzt auf die Methode Sisi

Und dieser Montag zeigt, dass die Armee kein ernsthaftes Interesse an einem Übergang zur Demokratie hat. Stattdessen setzt das Militär auf die Methode Sisi: Im August 2013 hatten die ägyptischen Sicherheitskräfte mit ähnlicher Brutalität ein Zeltlager der oppositionellen Muslimbrüder auf dem Rabaa-al-Adawija-Platz in Kairo aufgelöst. Bei dem Massaker wurden mindestens 800 Menschen getötet.

Zwar verurteilte die internationale Gemeinschaft die Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten in Kairo öffentlich. Mittelfristig aber sicherte sich Abdel Fattah el-Sisi mit dem Blutbad die Macht. Und längst wird er von den USA, Russland, der EU und Israel als verlässlicher Partner geschätzt - aller Menschenrechtsverletzungen in Ägypten zum Trotz.

Hinter dem Sturm auf das Zeltlager in Khartum stecken vor allem die sogenannten Schnellen Unterstützungskräfte (RSF). Diese paramilitärische Truppe besteht zu einem Großteil aus früheren Kämpfern der Dschandschawid-Milizen. Diese hatten bei der Niederschlagung des Aufstands in der Provinz Darfur jahrelang schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. In dem Bürgerkrieg wurden rund 300.000 Menschen getötet und rund 2,7 Millionen Personen vertrieben. 2013 wurden die bis dahin eher informell agierenden Dschandschawid in die RSF integriert und so auch formal der Kontrolle der Regierung unterstellt.

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Massaker in Khartum: Blutbad im Ramadan

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Die RSF stehen unter dem Kommando von Mohamed Hamdan Daglo, den im Sudan jeder nur Hemedti nennt. Er hatte sich nach Baschirs Sturz zunächst versöhnlich gegenüber den Demonstranten geäußert, in der vergangenen Woche seine Rhetorik aber verschärft. Er warf ihnen vor, "Chaos" zu stiften, und ließ durchblicken, dass das Militär bereit sei, die Proteste gewaltsam zu unterbinden.

Auf dem Papier ist Hemedti nur stellvertretender Chef des Übergangsrats. Doch in den vergangenen Wochen hat sich mehr und mehr gezeigt, dass er der neue starke Mann in Khartum ist - und das auch bleiben will. Seine Macht stützt sich zum einen auf die Gewehre seiner Untergebenen. Die RSF gelten als Rückgrat des Sicherheitsapparats im Sudan. In und um Khartum hat die Truppe zwischen 10.000 und 30.000 Mann zusammengezogen.

Opposition ruft zu zivilem Ungehorsam auf

Zum anderen genießt Hemedti das Vertrauen der Herrscher in Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - den wichtigsten Unterstützern des Regimes in Khartum. Bei seiner ersten Auslandsreise seit der Ernennung zum Vize des Übergangsrats traf er in Riad mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zusammen.

Hemedti gilt seit Längerem als Verbündeter des saudi-arabischen Thronfolgers - unter anderem, weil er sudanesische RSF-Soldaten in den Jemen entsandt hat, die dort als Teil der von Riad angeführten Militärkoalition Krieg gegen die Huthi-Rebellen führen. Für die Opposition ist der Fall klar: Bei seinem Treffen mit Mohammed bin Salman hat sich Hemedti von seinem Schutzherrn grünes Licht für die Niederschlagung der Proteste geholt, so der Vorwurf.

Die Allianz aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie Regimewechsel durch Volksaufstände ablehnt. Aus ihrer Sicht war der Arabische Frühling ein historischer Fehler, der allein den Muslimbrüdern genutzt hat. Sie setzen stattdessen auf autoritäre Systeme mit einem mächtigen Sicherheitsapparat, wie in Kairo. Dafür haben die Golfstaaten der Militärjunta im Sudan in den vergangenen Wochen insgesamt mehr als drei Milliarden US-Dollar zugesagt.

Die Opposition hat als Reaktion auf das Massaker vom Montag die Sudanesen im ganzen Land zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Als erste sind die Fluglotsen am Hauptstadtflughafen der Aufforderung gefolgt. Sie haben aus Protest gegen das Massaker bis auf Weiteres die Arbeit niedergelegt. Seit Montagmittag sind alle Starts und Landungen in Khartum gestrichen.

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