Syrien Aufstandsbekämpfung à la Teheran

Überwachungstechnik, Knüppel und Berater: Die Hinweise verdichten sich, dass Syriens Regime bei der brutalen Niederschlagung des Aufstandes im Land Hilfe aus Iran erhält. Teheran hat große Sorge, seinen wichtigsten Verbündeten zu verlieren.
Von Yassin Musharbash
Dieses Archivbild stammt von einer Social-Media-Website, angeblich aus Sanamein

Dieses Archivbild stammt von einer Social-Media-Website, angeblich aus Sanamein

Foto: REUTERS TV/ Reuters

Berlin - Sie sind überall und nirgendwo: Iranische "Berater", so sind westliche Diplomatenkreise nach Medienberichten überzeugt, helfen dem syrischen Regime heimlich dabei, die seit fast einem Vierteljahr andauernde Revolte im Land niederzuschlagen.

Bereits Anfang Mai berichtete der "Guardian", dass die Präsenz Irans in Syrien "signifikant" angestiegen sei: Mehrere hundert Iraner, mutmaßlich Angehörige der berüchtigten Revolutionsgarden, würden der befreundeten syrischen Regierung unter die Arme greifen. Die "Berater" würden zwar nicht selbst handgreiflich, stellten aber unter anderem technisches Equipment und Knowhow zur Aufstandsbekämpfung zur Verfügung.

Mittlerweile haben sich diese Hinweise verdichtet. Die "Washington Post" meldete vorvergangene Woche, dass Teheran nicht nur Waffen, Helme und Knüppel zur Verfügung stellt, sondern auch Überwachungstechnologie, mit deren Hilfe die syrische Regierung etwa Facebook- und Twitter-Konten Oppositioneller ausforscht. Diese Bruderhilfe aus Teheran sei auch der Grund, so das Blatt, warum die US-Regierung die Kuds-Brigaden, eine Unterabteilung der Revolutionsgarden, jüngst mit Sanktionen belegt hat - als deutliche Warnung an Iran.

Ein Echo auf Teherans Niederschlagung der "grünen Opposition"

Der britische "Telegraph" ergänzte Anfang dieser Woche, dass offenbar auch iranische Technologie eingesetzt würde, um das Internet zu blocken. Die britische Regierung wolle die entsprechenden "glaubhaften Informationen" zum Anlass nehmen, auch auf EU-Sanktionen gegen die Revolutionsgarden zu drängen.

"Es steht mittlerweile außer Zweifel, dass die iranische Regierung den Syrern bei der Niederschlagung der Opposition Nachhilfe gegeben hat", meint auch der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und Iran-Experte. "Die Methoden, mit denen in den vergangenen zwei Jahren die grüne Oppositionsbewegung in Iran unterdrückt wurde, lassen sich in Syrien derzeit sehr genau beobachten - mal eins zu eins kopiert, mal an syrische Verhältnisse angepasst."

Tatsächlich erkennen Analysten in einigen Methoden, die Syriens Sicherheitskräfte anwenden, ein Spiegelbild der iranischen Vorgehensweise gegenüber der eigenen Opposition. Dazu gehören etwa willkürliche Massenverhaftungen aus Privatwohnungen heraus oder die engmaschige Überwachung des Internets und dessen teilweise Blockierung.

Angst vor Verlust des wichtigsten Verbündeten

Der Grund, aus dem Teheran Syriens Präsidenten Baschar al-Assad an der Macht halten möchte, liegt auf der Hand: Syrien ist der wichtigste arabische Verbündete. Bricht die Achse auseinander, verliert Teheran Einflussmöglichkeiten und Spielräume für das ausgefeilte Taktieren zwischen Eskalation und Deeskalation. Sollten die Unruhen in Syrien zudem auf den Libanon übergreifen, droht der zweite Verbündete Irans, die Hisbollah, in Schwierigkeiten zu geraten.

Zwar hat Syrien verneint, dass es sich Hilfe von Außen holt. Aber westliche Geheimdienste halten dieses Dementi für unglaubwürdig. Irans Regime hatte 2009 einen Aufstand im eigenen Land höchst effektiv niedergeschlagen.

Allerdings greift Syriens Regime nicht nur auf die iranische Expertise zurück, sondern setzt vor allem auf brutale Gewalt. Die Armee und verschiedene Sicherheitsdienste haben mittlerweile über 1000 Demonstranten getötet, zumeist erschossen. Panzer riegeln immer wieder ganze Städte ab, Scharfschützen sollen gegen Zivilisten zum Einsatz gekommen sein.

Außerdem schottet sich Syrien massiv ab - ausländische Journalisten werden nicht ins Land gelassen, die heimische Presse ist gleichgeschaltet, das Staatsfernsehen sendet fast ausschließlich Propaganda. Oppositionelle berichten zudem, dass Passwörter für Facebook- und Twitter-Accounts teilweise durch Folter in Erfahrung gebracht wurden. Mit Hilfe dieser Daten wurden die eigentlichen Inhaber der Konten dann diskreditiert.

Die iranische Technologie könnte bei der Niederschlagung des Aufstands trotzdem eine wichtige Rolle spielen. Unter Berufung auf US-Beamte berichtete die "Washington Post", dass wahrscheinlich Hunderte Oppositionelle allein wegen der iranischen Hilfe bei der Computer-Überwachung festgenommen wurden.

Ähnlich wie in Tunesien und Ägypten, wo Anfang dieses Jahres erfolgreiche Revolutionen gegen langjährige autokratisch regierende Präsidenten gelangen, vernetzt sich die Opposition auch in Syrien über das Internet und soziale Netzwerke. Allerdings ist die Internetverbreitung in Syrien geringer als in den beiden nordafrikanischen Staaten. Die Omnipräsenz der zahlreichen Sicherheits- und Geheimdienste und die Abwesenheit internationaler Berichterstatter macht die Lage für Oppositionelle in Syrien zudem besonders prekär. Viele Informationen gelangen derzeit nur mit Hilfe von Exil-Syrern an die Medien.

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