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Die nächste Großschlacht: Vormarsch auf Idlib

Bürgerkrieg in Syrien Assads nächstes Ziel

Etwa elf Millionen Syrer sind auf der Flucht. Eine Rückkehr ist lebensgefährlich, denn der Krieg ist noch nicht zu Ende. Machthaber Assad bereitet eine Offensive auf die Islamisten-Hochburg Idlib vor.

Mindestens 7000 Kinder sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit 2011 im syrischen Bürgerkrieg gestorben oder wurden verstümmelt. Das ist die offizielle Zahl. Die Dunkelziffer soll bei rund 20.000 liegen, heißt es. Insgesamt hat der Konflikt bislang eine halbe Millionen Menschen das Leben gekostet. Und es werden noch mehr werden.

Zwar hat Machthaber Baschar al-Assad mit russischer und iranischer Unterstützung mittlerweile weite Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht. Doch die nächste Großschlacht steht nach der fast vollständigen Eroberung des syrischen Teils der Golanhöhen bereits bevor.

Sie wird in der an die Türkei grenzenden Nordwest-Provinz Idlib stattfinden. Das hat der Diktator bereits in der vergangenen Woche angekündigt - und fast zeitgleich erklärt, sein Regime werde Flüchtlingen, die nach Syrien zurückkommen, eine sichere Heimkehr ermöglichen.

Erst am Wochenende gab es Berichte über Hunderte Syrer, die aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt sind - in ein Land, in dem zwar nicht mehr überall gekämpft wird, aber dort, wo die Kämpfe vorbei sind, die Versorgungslage schwierig ist und das repressive Assad-Regime mit seinen Sicherheits- und Geheimdiensten Andersdenkende brutal verfolgt.

Rund elf Millionen auf der Flucht

Im Zuge der am Mittwoch hierzulande in Kraft tretenden Neuregelung zum Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus (hier lesen Sie mehr zu den Hintergründen), gibt es auch wieder deutsche Politiker, die Abschiebungen nach Syrien nicht kategorisch ausschließen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erklärte etwa, "wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind", müsse die Bundesregierung mehr Menschen "zurückführen". Das dürfte noch lange dauern.

In Deutschland leben momentan mehrere Hunderttausend Syrer. Nach UNHCR-Angaben  sind es in Syriens Anrainerstaaten mehr als fünf Millionen Flüchtlinge, die Schutz vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat gesucht haben:

Hinzu kommen rund sechseinhalb Millionen Binnenflüchtlinge. Mehr als eine Millionen von ihnen lebt heute in Idlib, der letzten Rebellenhochburg im Land. Dort haben Islamisten das Sagen, vor allem Kämpfer des militärisch starken Milizenbündnisses Hayat Tahrir al-Sham, in dem sich viele ehemalige Mitglieder der Nusra-Front gesammelt haben, die einst zur al-Qaida gehörte.

Foto: DER SPIEGEL

Das Regime hatte bei seinen Schlachten um Daraa, Ost-Ghuta und Aleppo immer wieder Dschihadisten, Rebellen und Zivilisten vor zwei Alternativen gestellt, die keine wirklichen waren: bleiben und um das eigene Leben fürchten - oder Flucht in die sogenannte Deeskalationszone Idlib. Die meisten wählten Idlib. Die Strategie Assads, viele Feinde an einem Ort zu konzentrieren, ging auf.

Idlib - und dann Afrin?

Der Kampf um Idlib dürfte mindestens ebenso blutig und brutal werden, wie die bisherigen Großoffensiven Assads. Unklar ist bislang, wie sich die Türkei verhalten wird, schließlich unterstützt die Regierung in Ankara zahlreiche Islamistengruppen in Idlib - und hat selbst Truppen vor Ort.

Wenn Assad mit Hilfe seiner Alliierten in Moskau und Teheran diese Provinz und damit das Land bis zum Westufer des Euphrats weitgehend zurückerobert hat, bliebe bis auf einige wenige Enklaven, in denen sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" festgesetzt hat, und das bislang von den USA gesicherte syrische Kurdengebiet nur noch eine Region übrig, um den Vorkriegsstatus wieder herzustellen: Afrin.

Dort, im Nordwesten Syriens, herrscht mittlerweile Assads Intimfeind, Recep Tayyip Erdogan. Die türkische Armee stellt sich als Ordnungsmacht dar, de facto haben die von ihr unterstützten islamistischen Kämpfer jedoch ein Schreckensregime in Afrin errichtet.

Noch ist fraglich, ob das syrische Regime wirklich versuchen könnte, Afrin vom Nato-Land Türkei zurückzuerobern - und welche Rolle dabei Russland und Iran spielen könnten. Klar ist jedoch bereits jetzt: In diesem Fall würden wieder viele Tausend Menschen flüchten.

Assad ist jedoch bereits in Vorfreude. "Der Zeitpunkt unseres Sieges ist nah", schrieb er nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP in einem Brief anlässlich des 73. Jahrestags der Gründung der syrischen Streitkräfte am Mittwoch. Der bisherige Verlust ihrer Gebiete habe den Aufständischen bereits einen "Vorgeschmack ihrer bitteren Niederlage" gegeben, fügte er hinzu.

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