Bürgerkrieg in Syrien BND prognostiziert Vormarsch der Assad-Armee

Der deutsche Auslandsgeheimdienst revidiert seine Einschätzung der Lage in Syrien radikal. Noch 2012 hatte der BND ein schnelles Ende des Assad-Regimes prognostiziert. Die neue Analyse: Das staatliche Militär ist stabiler denn je, die Rebellenbewegung hingegen zerfasert.
Assad-Anhänger in Aleppo (Archivbild): Aufständische reiben sich auf

Assad-Anhänger in Aleppo (Archivbild): Aufständische reiben sich auf

Foto: GEORGE OURFALIAN/ REUTERS

Berlin - Der Auslandsgeheimdienst BND hat sein Lagebild des Bürgerkriegs in Syrien grundlegend revidiert. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE unterrichtete der Chef des Geheimdienstes ausgewählte Sicherheitspolitiker in geheimer Sitzung, dass das Militär von Machthaber Baschar al-Assad derzeit so stabil wie lange nicht mehr agieren könne. Selbst erfolgreiche Offensiven der Assad-Truppen gegen die Einheiten der Rebellen seien jederzeit möglich, so BND-Chef Gerhard Schindler.

Die neue Lageeinschätzung des BND ist eine bemerkenswerte Kehrtwende: Noch im Spätsommer 2012 hatte Schindler in Unterrichtungen für Regierungsmitglieder und Abgeordnete, aber auch in Interviews das Ende Assads in den ersten Monaten des Jahres 2013 vorausgesagt.

Damals argumentierte der BND mit der prekären Versorgungslage des Assad-Militärs, zudem registriere man eine sehr hohe Zahl an desertierten Soldaten bis hoch in die Offiziersränge. Folglich prophezeite der BND die "Endphase des Regimes".

Heute stellt sich die Lage aus Sicht des Bundesnachrichtendienstes anders dar. Der BND-Chef erläuterte anhand von Grafiken und Karten, dass die Truppen von Assad derzeit wieder über voll funktionsfähige Nachschubwege für Waffen verfügten. Auch die zeitweise schwierige Versorgung mit Sprit für Panzer und die Luftwaffe des Regimes laufe wieder. So könne die Assad-Armee spontane Angriffe der Rebellen abwehren und sogar verlorenen Boden zurückgewinnen. Zwar habe Assad kaum Chancen, die Aufständischen zu besiegen, er könne sie aber in Schach halten, so der BND.

BND sieht Lage der Rebellen düster

Die Aussagen des Geheimdienstchefs decken sich mit den wenigen Berichten aus Syrien:

  • Dem syrischen Regime ist es demnach in den vergangenen Wochen gelungen, das Kerngebiet seiner Macht - die Region von Damaskus über Homs an die Küste - wieder zu sichern.
  • Ebenso gelang es den Assad-Truppen, die Rebellen aus mehreren Vororten von Damaskus zu drängen und ihnen die Versorgungsroute nach Süden abzuschneiden.
  • Aktuell schneidet das Regime den Aufständischen auch die Versorgungsrouten nach Westen ab.

Die Lage der Rebellen, unter ihnen auch mehrere Gruppen von islamistischen Kämpfern mit Verbindungen zum Terrornetz al-Qaida, sieht der BND ziemlich düster. Schindler berichtete, dass sich die Aufständischen in Machtkämpfen um die Vorherrschaft in einzelnen Gebieten aufreiben würden. Zudem hätten die Regimetruppen mittlerweile fast alle funktionierenden Nachschubwege für Waffen und zum Abtransport von verletzten Kämpfern gekappt. Jedes neue Gefecht schwäche die Milizen weiter, so der BND-Chef.

Westerwelle und Amtskollege Kerry arbeiten an Friedenskonferenz

Die Prognosen für das Assad-Regime sieht der BND deswegen auf einmal ziemlich positiv. Setze sich der Konflikt wie in den vergangenen Wochen fort, so Schindler, könnten die von der libanesischen Hisbollah-Miliz unterstützten Truppen bis Ende 2013 den gesamten Süden des Landes zurückerobern. Als letztes Rückzugsgebiet der Aufständischen bliebe nur der Norden. Dort hätten kurdische Rebellen ihre Gebiete fest in der Hand.

Die Aussagen Schindlers über die Strukturen der Rebellen lassen wenig Hoffnung auf ernsthafte Verhandlungen zwischen der Opposition und der Assad-Regierung. Demnach gebe es keinerlei funktionierende Befehlskette zwischen den ernannten Oppositionsführern im Ausland und den Milizen in Syrien. Die Kämpfer erkennen die politische Führung laut BND schlicht nicht an.

Die Vereinten Nationen versuchen derzeit intensiv, die beiden Seiten bei einer nicht terminierten Friedenskonferenz in Genf an einen Tisch zu bekommen. Für die Planung reist Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch erneut in den Nahen Osten.

Bei einem Treffen der "Freunde Syriens" will Westerwelle unter anderem mit US-Außenminister John Kerry in der jordanischen Hauptstadt Amman sprechen. Schon am Wochenende dämpfte Westerwelle bei einem Besuch Hoffnungen für einen schnellen Erfolg. Bisher sei noch nicht mal klar, ob das Assad-Regime überhaupt zu Gesprächen bereit sei.

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