Bundeswehr nach US-Attacke in Syrien Tornados bleiben vorerst am Boden

Der US-Luftschlag in Syrien hat Auswirkungen auf die Bundeswehr. Auf Befehl der Anti-IS-Koalition fliegen die deutschen Tornados und alle anderen Kampfjets nach SPIEGEL-Informationen vorerst keine Einsätze.
Tornado der Bundeswehr in Incirlik, Türkei (Archivbild)

Tornado der Bundeswehr in Incirlik, Türkei (Archivbild)

Foto: DPA/ Bundeswehr/ Oliver Pieper

Die von US-Präsident Donald Trump angeordneten Marschflugkörper-Attacken auf eine Militärbasis in Syrien haben Folgen für den Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr. Nach SPIEGEL-Informationen stoppte das US-geführte Hauptquartier der internationalen Koalition zum Kampf gegen den "Islamischen Staat" schon Stunden vor dem Angriff in der Nacht auf Freitag aus Sicherheitsgründen alle Operationen über Syrien.

Nach der Order blieben und bleiben vorerst auch die deutschen Aufklärungsjets vom Typ Tornado auf der Luftwaffenbasis Incirlik in der Südtürkei am Boden, genauso wie die Flugzeuge anderer Nationen. Wann die Missionen der "Operation Inherent Resolve" (OIR) wieder aufgenommen werden, steht bisher nicht fest.

Die Koalition fliegt seit Monaten regelmässig Luftschläge gegen Stellungen des IS in Syrien und dem Irak, die Bundeswehr-Tornados liefern mit ihren hochauflösenden Kameras Aufklärungsbilder.

USA wollten Unfälle vermeiden

Der vorübergehende Einsatzstopp ging auf aktuelle Hinweise der Amerikaner zurück, die in den letzten beiden Tagen die Angriffe mit Tomahawk-Raketen bereits intensiv vorbereiteten. Für die Attacken mit den Marschflugkörpern wollten die USA zum einen den Luftraum über Syrien freihalten, um mögliche Unfälle oder gar Kollisionen mit Flugzeugen der Koalition, die aus mehr als 60 Ländern besteht, zu vermeiden.

Zudem wurde laut Insidern befürchtet, dass die durch Russland massiv aufgerüstete syrische Luftabwehr oder eigene russische Raketenbatterien auf syrischem Territorium nach den Angriffen Racheaktionen ausführen könnten.

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US-Einmischung in Syrien: Attacke aus dem Mittelmeer

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Dass Russland jedoch tatsächlich gegen die Flugzeuge der internationalen Allianz vorgeht, scheint unwahrscheinlich. "Putin riskiert für Präsident Assad viel, aber sicher keinen Krieg mit den USA", hieß es in Bundeswehrkreisen. Man warte nun ab, wann das Hauptquartier in Kuwait die nächsten Flüge plane, dann würden auch die deutschen Tornados wieder fliegen. Als Argument wurde auch genannt, dass die russische Flugabwehr in Syrien durchaus einige der US-Raketen hätte abfangen können.

Eine Sprecher von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wollte den Flugstopp für die Koalition nicht kommentieren. Die Einsatzdetails seien geheim, jede Preisgabe könnte die Misson gefährden, hieß es zur Begründung. Ein Grund dafür ist auch, dass niemand in der Koaliton den Eindruck entstehen lassen möchte, die von Trump befohlenen Schläge gegen das Regime schwächten den internationalen Kampf gegen den IS. Zudem, so ein ranghoher Militär, sollten sich die IS-Kämpfer am Boden nicht in Sicherheit wähnen, weil die Kampfjets ihre Mission für kurze Zeit aussetzen.

Von der Leyen war noch in der Nacht von ihrem US-Kollegen James Mattis über den Angriff unterrichtet worden, parallel informierten die Amerikaner auch das Kanzleramt. Das Vorgehen zeigt, dass Washington daran interessiert zu sein scheint, die engsten Verbündeten im Boot zu halten. Zunächst gelang das, am Freitag jedenfalls war von den europäischen Regierungen keinerlei Kritik am US-Vorgehen zu hören.

Bei der Bundeswehr wurden die Raketenangriffe auf die syrische Luftbasis von Militärs eher als symbolische Aktion des neuen US-Präsidenten als eine Wende im Syrien-Konflikt gewertet. Strategisch sei die angegriffene Basis nicht besonders wichtig, Russland habe nur ab und an Hubschrauber dort stationiert. Zudem sei auf den ersten Bildern nach dem Angriff zu sehen, dass die Schäden begrenzt und zum Beispiel die Start- und Landebahn noch intakt seien. Trotzdem, so eine erste interne Bewertung, seien die Raketen ein wichtiges politisches Zeichen an Syriens Machthaber Bashar al-Assad, "dass der Einsatz von Chemiewaffen in Zukunft nicht mehr ohne Sanktionen bleibt".

Auch innenpolitisch, so das Papier, erfülle die Attacke für Trump gleich mehrere Zwecke. Ganz anders als sein Vorgänger Obama wolle sich der Republikaner als Präsident präsentieren, der ohne lange Abwägung und Beratung mit verschiedensten Militär-Experten oder dem Kongress zuschlagen kann. Ein Angriffsbefehl in 48 Stunden sei eindeutig "eine völlig neue Qualität, mit dem Vorteil der Überraschung aber auch mit allen Risiken", sagte ein hochrangiger Offizier. Zudem signalisiere Trump nach innen aber vor allem nach Moskau, "dass er in Zweifel auch gegen die Interessen Russland zu agieren gewillt ist", heißt es in der Analyse des Ministeriums.

Videoanalyse zu US-Luftschlag: "Trump ist ein Stimmungspolitiker"

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