So sieht es zurzeit in Nordsyrien aus. Nach heftigen Regenfällen vor wenigen Tagen standen etwa 500 Zelte in Flüchtlingslagern in der Region Idlib, nahe der türkischen Grenze, im Schlamm. Und der Winter hat gerade erst begonnen.
Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sind allein in diesem Jahr mehr als 580.000 Menschen vor Kämpfen in der Region um Idlib geflohen. Insgesamt sollen nach Uno-Angaben seit Beginn der Kämpfe 2011 rund zehn Millionen Menschen vertrieben worden sein. Viele von ihnen harren seit Monaten oder Jahren in provisorischen Lagern aus – unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Es gibt kaum fließendes Wasser, kaum Toiletten. Die Menschen versuchen, selbst unter diesen Bedingungen so etwas wie Normalität aufrecht zu erhalten. Für insgesamt 386 Kinder gibt es hier eine provisorische Schule.
Abdulqadir Basha, Schuldirektor
»Syrische Familien, die hier im Camp leben, stellen ihre Zelte tagsüber den Schülern zur Verfügung. Für die Schule gibt es kein eigenes Zelt.«
Mohammed Juma, Erstklässler
»Unsere Füße werden matschig. Durch das Zeltdach tropft Regenwasser herein. Wenn uns kalt wird, versuchen wir, uns zu wärmen, indem wir unsere Hände aneinander reiben.«
Besonders nachts ist das Leben in den Camps hart. Diese Familie ist vor anhaltenden Angriffen hierher geflohen. Vor allem die Kinder frieren.
Bilal Aydo, Vater
»Ich kann kaum Brennholz finden. Morgens suchen wir nach Kartons und verbrennen sie nachts. Unsere Zelte stehen direkt auf dem Boden. Wenn es regnet, sind sie überflutet.«
Einige haben das Glück, einen kleinen Ofen zu besitzen. Doch die Kälte ist derzeit nicht das einzige Problem.
Qassem Ahmad Sharraq Al-Zeit, geflohen aus Idlib
»In diesem Jahr haben wir auch noch die Coronavirus-Pandemie, aber in den Zelten kann sich niemand in Quarantäne begeben. Wir hoffen, dass wir nicht vergessen werden, wenn es um den Impfstoff geht, so wie wir von unserem Land vergessen wurden.«
In Syrien kündigt sich eine zweite Corona-Welle an. Die Gesundheitsbehörden haben in Damaskus in einer großen Sporthalle ein Notfallkrankenhaus errichtet, um die erhöhte Zahl von Patienten bewältigen zu können. 120 Betten wurden aufgestellt, mit 50 Beatmungsgeräten. Von einer derartigen Versorgung sind die Menschen in den Flüchtlingscamps weit entfernt. Und viele von ihnen haben ohnehin ganz andere Sorgen.
Ahmad Mustafa Souf, geflohen aus Idlib
»Seit zehn Jahren werden wir immer wieder vertrieben. Wir ziehen von einem Ort zum anderen, von einem Dorf zum nächsten, von einer Stadt zur anderen. Alle Länder sind mit der Coronavirus-Pandemie beschäftigt. Wir kümmern uns nicht sehr um das Virus, weil wir mit anderen Dingen zu tun haben. Vor allem wollen wir, dass wir sicher in unsere Häuser zurückkehren können und dass der Krieg in unserem Land endet.«
Um zumindest etwas mehr Schutz gegen die Pandemie bieten zu können, hat eine lokale Hilfsorganisation nun rund um das Lager 1000 einfache Zementhütten errichtet, in denen positiv Getestete besser isoliert werden können.
Baraa Babouli, Freiwilligenorganisation Molham
»Wir hoffen, dass Geberländer und Organisationen den Impfstoff anbieten werden und mehr als vier Millionen syrischen Flüchtlingen in Nordsyrien helfen, indem sie die Impfstoffe auch bereitstellen und die Anstrengungen zur Bekämpfung des Coronavirus verstärken.«
Die gemeldeten Corona-Fälle in Nordsyrien nehmen seit Juli kontinuierlich zu. Nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden wurden am 21. Dezember an einem Tag 91 neue Infektionen in der Region gezählt. Hilfsorganisationen vermuten eine hohe Dunkelziffer. Und sie fürchten, dass ein Impfstoff hier erst sehr spät verfügbar sein wird.