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Kriegsschäden: Syrien - ein verwüstetes Land

Foto: Analysis by UNITAR-UNOSAT

Syrien nach dem Krieg Der Wiederaufbau - eine Jahrhundertaufgabe

Der Wiederaufbau des zerstörten Syrien wird Hunderte Milliarden Dollar kosten. Das Regime und seine Verbündeten sind mit der Aufgabe überfordert. Der Westen will nur helfen, wenn Assad seinen Kurs ändert.

Der Krieg in Syrien ist noch lange nicht vorbei - aber es zeichnet sich ab, dass Diktator Baschar al-Assad in Damaskus an der Macht bleiben wird. Die Europäische Union, die USA und die Golfstaaten haben nur noch einen Hebel in der Hand, über den sie Druck auf das Regime ausüben können: den Wiederaufbau.

Die Rekonstruktion des Landes wird teuer. Wie teuer, darüber gehen die Angaben weit auseinander:

  • Knapp 300 Milliarden US-Dollar seien nötig, um die Infrastruktur Syriens auf den Stand der Vorkriegszeit zu bringen, heißt es von Seiten der Uno.
  • Assad sprach im Mai von 400 Milliarden Dollar.
  • Andere Experten beziffern die Kosten für den Wiederaufbau auf 1,2 Billionen Dollar.

So oder so: Die Zerstörung ist gewaltig. 10 bis 15 Jahre dürfte es dauern, die Kriegsschäden zu beseitigen und Häuser und Straßen neu aufzubauen.

Diese Fotostrecke gibt einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörungen:

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Kriegsschäden: Syrien - ein verwüstetes Land

Foto: Analysis by UNITAR-UNOSAT

Russland und Iran haben militärisch dafür gesorgt, Assad an der Macht zu halten. Das war für beide Staaten teuer genug. Nach eigenen Angaben hat Moskau bislang mindestens vier Milliarden Dollar für seine Militärkampagne in Syrien ausgegeben, Teheran soll sich Assads politisches Überleben mindestens sechs Milliarden Dollar kosten lassen haben. Deshalb haben beide Regierungen wenig Interesse, weitere Milliarden für den Wiederaufbau des Landes auszugeben.

Assad hofft deshalb auf China: Peking soll eine Führungsrolle beim Wiederaufbau übernehmen. Schon 2017 hat China zwei Milliarden Dollar für entsprechende Projekte in Syrien in Aussicht gestellt. Passiert ist seither aber wenig. Denn die Staatsführung unter Xi Jinping hat immer deutlich gemacht, dass ein stabiles Syrien die Grundvoraussetzung für Investitionen ist.

Putin fordert Aufhebung der Sanktionen gegen Assad

Geht es nach Wladimir Putin, soll der Westen den Wiederaufbau Syriens finanzieren - und das möglichst schnell. Als sich Russlands Präsident Mitte August mit Angela Merkel zum vertraulichen Gedankenaustausch auf Schloss Meseberg traf, präsentierte Putin der Kanzlerin gleich zu Beginn seine forsche Idee: Da der Aufstand gegen Assad weitgehend niedergeschlagen sei, müsse jetzt rasch ein Wiederaufbauplan erstellt werden.

Doch Putin ging noch weiter. Neben einer Art Fonds, den der Westen für den Wiederaufbau einrichten solle, müssten auch die straffen Sanktionen gegen das Regime so schnell wie möglich fallen, anders sei Damaskus nicht handlungsfähig. Spätestens bei einem angedachten Syrien-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 7. September in Istanbul müsse ein Fahrplan her, wie und wann die Nachkriegsphase begonnen werden könnte.

Merkel bremste Putin aus. Ein Wiederaufbauprogramm, ließ sie ihn wissen, sei nur dann denkbar, wenn man sich auf einen politischen Prozess einige, der am Ende zu freien Wahlen führt. Und erst einer legitimen Regierung könne man eine Lockerung des Sanktionsregimes anbieten, so die Kanzlerin. Den geplanten Syrien-Gipfel in Istanbul stellte Merkel dann auch gleich infrage, möglich sei derzeit maximal ein Arbeitstreffen ranghoher Beamter, mehr nicht.

Putin setzt darauf, dass die Europäer schlussendlich dennoch einlenken. Schließlich wollen die EU-Staaten, dass die syrischen Flüchtlinge möglichst rasch in ihr Heimatland zurückkehren. Ohne Unterstützung beim Wiederaufbau wird das aber nicht passieren.

Im Video: Putin und der Syrienkrieg

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Putin bringt rasche Rückführung von Flüchtlingen ins Spiel

Beim Treffen in Meseberg bot der russische Präsident der überraschten Kanzlerin sogar an, man könne sehr schnell mit der Rückführung syrischer Flüchtlinge aus Deutschland beginnen. Berlin solle doch schon mal die Behörden anweisen, die Syrer hierzulande nach Herkunftsorten zu sortieren, dann könnten sie später mit Charterjets zurückfliegen.

Irgendwann war es Merkel dann genug, ist zu hören. Ausführlich beschrieb sie Putin, man habe wenig Vertrauen, dass die Rückkehrer in ihrer Heimat frei leben könnten; vielmehr drohe ihnen Haft, Folter oder sogar der Tod in den Fängen des Assad-Geheimdiensts.

Das Beispiel Homs

Das syrische Regime selbst ist mit dem Wiederaufbau überfordert. Das zeigt sich exemplarisch in der Stadt Homs. Bereits im Mai 2014 eroberten Regierungstruppen und verbündete Milizen die drittgrößte Stadt des Landes von den Rebellen zurück. In den vier Jahren seither ist in Sachen Wiederaufbau aber kaum etwas passiert. Man beschränkt sich im Wesentlichen auf die Rekonstruktion symbolisch wichtiger Bauwerke.

Mit Hilfe christlicher Organisationen wurden einige Kirchen rekonstruiert. Der tschetschenische Warlord Ramzan Kadyrow finanziert über die nach seinem Vater benannte Ahmed-Kadyrow-Stiftung den Wiederaufbau der Chalid-Ibn-al-Walid-Moschee. Der Suk, der historische überdachte Markt in der Altstadt, ist zumindest zum Teil wiederhergestellt worden - mit Mitteln aus einem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Die Viertel, die einst die Hochburgen der Opposition waren - allen voran Baba Amr, sind jedoch auch nach vier Jahren noch immer Geisterstädte.

Chalid-Ibn-al-Walid-Moschee in Homs

Chalid-Ibn-al-Walid-Moschee in Homs

Foto: ANDREY BORODULIN/ AFP

In Homs wie auch in anderen Landesteilen sind die früheren Hochburgen der Rebellen die am schwersten zerstörten Gebiete. Das Regime zeigt wenig Interesse daran, dass die vertriebenen Bewohner dieser Gegenden wieder in ihre Heimat zurückkehren und ihre Häuser wiederaufbauen. Assad selbst sprach schon vor einem Jahr davon, durch den Krieg zwar Infrastruktur verloren, aber dafür "eine gesündere und homogenere Gesellschaft" erhalten zu haben.

Jamil Hassan, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit internationalem Haftbefehl gesuchte Chef des Luftwaffengeheimdienstes, soll unlängst bei einem Treffen der Militärführung gesagt haben: "Ein Syrien mit zehn Millionen vertrauenswürdigen Menschen, die der Führung gehorchen, ist besser als ein Syrien mit 30 Millionen Vandalen."

Enteignung per Dekret

Das im April von Assad erlassene "Dekret 10" bietet die rechtliche Grundlage, um Flüchtlinge auszusperren und Vertriebene zu enteignen. Der syrische Staat kann auf Basis dieses Dekrets bestimmte Gebiete freigeben, falls ehemalige Bewohner ihren Besitz nicht nachweisen können. Dort können dann Syrer hinziehen, die Assad gegenüber loyal eingestellt sind.

Zerstörungen in Aleppo

Zerstörungen in Aleppo

Foto: Sergei Grits/ AP

Und dann sind da ja noch die Gebiete, von denen bisher nicht absehbar ist, ob und wann sie jemals wieder unter die Kontrolle des Regimes gelangen. Die Türkei hat im Norden eine eigene Besatzungszone errichtet, die von der türkischen Armee und verbündeten Milizen kontrolliert und dadurch vor Angriffen des syrischen und russischen Militärs geschützt wird. Trotz der Wirtschaftskrise investiert Ankara dort viel Geld in den Wiederaufbau der Infrastruktur.

Anders sieht es mit dem großen Gebiet nordöstlich des Euphrat aus. Die Region um Rakka wurde jahrelang von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) kontrolliert und ist schwer zerstört. Das Gebiet, das mehr als ein Viertel der Staatsfläche ausmacht, wird von dem kurdisch dominierten Milizenbündnis "Syrische Demokratische Kräfte" (SDF) kontrolliert. Allerdings ist die Zukunft der Region völlig offen. Assad lässt keinen Zweifel daran, dass er das Gebiet zurückerobern will. Und den Kurden fehlen internationale Unterstützer, die ihnen helfen könnten, das Gebiet zu halten.

Im Video: Flüchtlingsschicksale - Aeda und Bassam aus Damaskus

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USA ziehen Hilfe zurück

Die US-Regierung hat deshalb in der vergangenen Woche beschlossen, geplante Hilfsgelder in Höhe von 230 Million Dollar für zivile Stabilisierungsprojekte im ehemaligen IS-Territorium zurückzuhalten. Der Großteil des Geldes war für die Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung, aber auch für die Minenräumung vorgesehen. Die Hilfen waren noch von Ex-Außenminister Rex Tillerson zugesagt worden, den Trump im März aus dem Amt warf. Ohne einen politischen Prozess werde Washington kein Geld in den Wiederaufbau Syriens investieren, heißt es.

Anstelle der USA haben sich nun verbündete Länder bereit erklärt, die Hilfsprojekte mit rund 300 Millionen Dollar zu finanzieren - unter anderem ist Saudi-Arabien mit 100 Millionen Dollar dabei, die Vereinigten Arabischen Emirate mit der Hälfte. Auch Kuwait gehört zu den Geldgebern aus der Region. Die saudi-arabische Botschaft in den USA verkündete via Twitter, es handele sich um die größte jemals gegebene Spende für die Region.

Doch so lange der Krieg in Syrien nicht vorüber ist, kann alles, was in den nächsten Monaten wiederaufgebaut wird, auch schnell wieder zerstört werden.

Mitarbeit: Dominik Peters
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