Konfrontation der Großmächte Der Nervenkrieg

Showdown in Syrien: Donald Trump kündigt einen Militärschlag an, Moskau ist alarmiert. Welche Ziele fassen die Amerikaner ins Auge? Wie reagiert Russland? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
"USS Porter"

"USS Porter"

Foto: imago/ ZUMA Press

Donald Trump hat seine geplante Lateinamerikareise abgesagt und am Mittwoch offiziell nur drei Termine. Der US-Präsident wird ein Gesetz unterschreiben, mit seinem Vize, Mike Pence, Mittag essen und abends ein Dinner mit führenden Republikanern haben. Mehr nicht. Im Weißen Haus dürfte dennoch Hochbetrieb herrschen - und ein Land im Fokus stehen: Syrien.

Nach der mutmaßlichen Giftgasattacke des Regimes auf die Rebellenhochburg Duma vor den Toren der Hauptstadt Damaskus am Wochenende attackierte Trump Machthaber Baschar al-Assad und seine Verbündeten Russland und Iran. Er will Vergeltung und kündigte nun einen Militärschlag in Syrien an.

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Die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) mahnte internationale Fluggesellschaften wegen möglicher Luftangriffe bereits zu hoher Vorsicht im östlichen Mittelmeer. Die wichtigsten Fakten zum Showdown in Syrien:

Wie wird ein möglicher Vergeltungsschlag aussehen?

Militärexperten rechnen mit einem Angriff der USA mit "Cruise Missile" - Marschflugkörper, ähnlich wie vor einem Jahr nach dem Giftgasangriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun. Passend dazu meldete das amerikanische Militär, dass der Zerstörer "USS Donald Cook" von Zypern aus gen syrische Küste aufbrach, die "USS Porter" könnte ebenfalls in wenigen Tagen das Seegebiet erreichen.

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"Tomahawk"-Marschflugkörper: Schnell, präzise, teuer

Foto: AFP/ US Navy

Von den Zerstörern hatten die USA damals 60 Raketen abgefeuert, 59 davon erreichten ihr Ziel, allerdings wurde die angegriffene Air Base der syrischen Luftwaffe in Schairat mit russischer Hilfe innerhalb von Wochen wieder aufgebaut und ist längst wieder in Betrieb.

Was sind die möglichen Ziele?

Als Angriffsziele kommen vor allem Basen der syrischen Armee infrage, von denen die Helikopter oder Flugzeuge mit Giftgas gestartet sein sollen. Dort müssten sich auch spezielle Lager für die Kampfstoffe befinden, fast alle von ihnen müssen aufwendig gekühlt werden. Da die Gerätschaften viel Energie brauchen und man Kühllager durch Infrarotaufnahmen sehen kann, haben die USA und ihre Verbündeten diese vielleicht orten können.

Video: Möglicher US-Militäreinsatz in Syrien

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Welche Rolle wird Frankreich spielen?

Auch wenn sich Präsident Macron öffentlich markig äußert und seit Tagen von Vergeltungsschlägen spricht, dürfte seine Armee maximal eine symbolische Rolle bei dem Angriff spielen.

Da Frankreich über keinen Zerstörer in der Region verfügt, käme nur der Einsatz von Kampfjets in Frage, die recht leicht von der modernen Luftabwehr an Syriens Grenzen abgefangen würden, die Russland für Machthaber Assad dort installiert hat. Luftwaffen-Experten halten deswegen den Einsatz der französischen Jets für so gut wie ausgeschlossen.

Wie reagiert Moskau?

Der Kreml und andere Vertreter der Führung senden seit Wochen unterschiedliche Signale: Mal wird für Zurückhaltung geworben, der mutmaßliche Giftgasangriff als Fake News abgetan, dann werden scharfe Warnungen ausgestoßen.

In Moskau wird ebenfalls seit Längerem erklärt, dass "Terroristen" einen Giftgasangriff vorbereiten würden, der als Vorwand für einen amerikanischen Militärschlag gegen die syrische Führung dienen könnte. Ein solcher Angriff werde nicht ohne Folgen bleiben, erklärte Mitte März Generalstabschef Waleri Gerassimow. Er verwies auf die stationierten russischen Soldaten an unterschiedlichen syrischen Militärstandorten, in Damaskus sind etwa Militärberater im Einsatz.

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Russischer Militäreinsatz in Syrien: Moskau unterstützt Damaskus

Foto: Uncredited/ dpa

Damit setzte er die russische Linie: Wenn russische Soldaten bei einem Angriff des Westens zu Schaden kommen, wird Moskau mit einem Gegenschlag reagieren.

Ob Gerassimows Aussage nun noch so Bestand hat, ist unklar, denn der russische Botschafter im Libanon erklärte am Mittwoch auf Arabisch in einem TV-Interview, jede amerikanische Rakete werde abgeschossen.

Wie ist die Stimmung in Russland?

Angespannt, weil nicht klar ist, wie die USA und die westlichen Verbündeten nun vorgehen werden. Die staatlichen Fernsehkanäle und kremlnahe Zeitungen befeuern die Stimmung. In ihren Berichten steht weniger die Frage des mutmaßlichen Giftangriffes in Duma im Zentrum, sondern vielmehr, wie ernst die eigene Bedrohungslage ist.

"Wenn es morgen Krieg gibt", titelt "Moskowskij Komsomolez" und zählt die Fronten auf, an denen Russland genötigt sei zu kämpfen: der Fall des vergifteten Ex-Doppelagenten Sergej Skripal, der Konflikt in der Ostukraine, die verschärften Sanktionen, die einen Rubelsturz verursacht haben, und Syrien. Das Massenblatt "Komsomolskaja Prawda" fragt gar: "Fängt Macho Trump einen dritten Weltkrieg an?"

Im staatlichen Nachrichtenkanal Rossija 24 wurde gezeigt, wie sich die Menschen für den Fall eines Krieges vorbereiten können, welche Lebensmittel man kaufen solle und dass man vor allem Wasser bunkern müsse - allerdings mit dem Verweis, dass die Panik in den USA viel größer sei.

Was bedeutet die Lage für Putin?

Für den Präsidenten, der am 7. Mai offiziell nach seiner Wiederwahl seine vierte Amtszeit antritt, stellt sich die Situation zwiespältig dar. Einerseits kann er sich als Beschützer Russlands präsentieren. Andererseits ist Moskaus militärisches Engagement in Syrien bei vielen Russen nicht gerade beliebt. Sie fragen sich, warum Milliarden Rubel für den Einsatz ausgegeben werden, wenn es doch im Land selbst eine Menge Probleme wie die steigende Armut gibt.

Auch deshalb hatte Putin Anfang Dezember den Sieg über die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und einen Teilabzug der russischen Einheiten verkündet. Dass nun Russland aufgrund eines mutmaßlichen Giftanschlags der verbündeten syrischen Regierungstruppen in eine direkte Konfrontation mit den USA und dem Westen geraten könnte, birgt große Risiken.

Zwar sieht man sich in Moskau auf Augenhöhe und gar im Vorteil, da man den Luftraum über Syrien kontrolliert. Doch anders als nach dem Giftgaseinsatz 2013 gibt es kaum noch Möglichkeiten, einen Gegenschlag des Westens abzuwenden. Damals hatte Moskau eine elegante diplomatische Lösung auf den Tisch gelegt: Assads Zustimmung zur Beseitigung chemischer Waffen. Fünf Jahre später ist kaum noch Spielraum für diplomatische Angebote.

Kann der Uno-Sicherheitsrat die Krise noch entschärfen?

Die Chancen dafür sind sehr gering. Neben den USA und Russland sind China, Frankreich und Großbritannien ständige Mitglieder im Uno-Sicherheitsrat. Jeder kann einen Resolutionsentwurf des anderen blockieren.

Sitzung des Uno-Sicherheitsrates

Sitzung des Uno-Sicherheitsrates

Foto: Bebeto Matthews/ dpa

Am Dienstag beriet das Gremium über drei Resolutionen zu den jüngsten Ereignissen in Syrien - und alle drei Entwürfe scheiterten:

  • Russland verhinderte einen Resolutionsentwurf der USA. Diesem zufolge sollte untersucht werden, wie genau der Einsatz von Chemiewaffen in Duma stattgefunden habe.
  • Die Vereinigten Staaten plädierten anschließend für eine Resolution, wonach der Sicherheitsrat infolge einer Untersuchung die Schuld selbst zugewiesen hätte. Moskau votierte dagegen.
  • Ein zweiter russischer Resolutionsentwurf scheiterte dann ebenfalls an dem Veto der USA. Dieser rief die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zur Untersuchung der Ereignisse in Duma auf - obwohl die OPCW bereits zuvor erklärt hatte, Ermittler nach Syrien zu schicken.

Mittlerweile soll der russische Syrien-Sondergesandte Alexander Lawrenziew nach Iran gereist sein. Er bezeichnete den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma als "Behauptung".

Wird Israel in einen möglichen US-Angriff eingeweiht?

Israel wird in den kommenden Tagen genau nach Syrien blicken - und dürfte von den USA auch im Vorfeld des Angriffs informiert werden. Israel und Syrien befinden sich seit Jahrzehnten offiziell im Kriegszustand. Beide Armeen sind aufgrund der jüngsten Ereignisse in hoher Alarmbereitschaft. Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma wurde - offenbar davon unabhängig - der syrische Militärflugplatz T4 in der Provinz Homs aus der Luft angegriffen.

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Dabei wurden auch sieben iranische Soldaten getötet. Russland macht Israel dafür verantwortlich, Iran droht mit Vergeltung. Die Regierung in Jerusalem erklärte, sie wisse nicht, wer das Bombardement durchgeführt habe. Noch am Mittwoch soll das israelische Sicherheitskabinett um Premier Benjamin Netanyahu tagen.

Syrien übernimmt Vorsitz bei Abrüstungskonferenz

Möglich ist, dass die angekündigte Antwort Irans auf den Angriff mit der Reaktion des Westens auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma zeitlich zusammenfällt. Damit hätte der Vielfrontenkrieg eine neue Dimension.

Fest steht bislang allein: Das syrische Regime übernimmt ab 28. Mai den Vorsitz bei der Genfer Abrüstungskonferenz, die auch das Verbot von Chemiewaffen überwacht.

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