Syrienkrise Ex-Botschafter rechnet mit Militärschlag von Trump

"Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsverlust gleich": Der frühere US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, geht nach den Drohungen Donald Trumps von einer Militäraktion gegen das syrische Regime aus.
US-Zerstörer "Donald Cook" im Mittelmeer

US-Zerstörer "Donald Cook" im Mittelmeer

Foto: ALYSSA WEEKS/ AFP

"Die Raketen werden kommen": Mit diesen Worten hatte Donald Trump Syriens Schutzmacht Russland auf einen Militärschlag der USA gegen das Regime von Baschar al-Assad vorbereitet. Doch seit dieser Ankündigung auf Twitter ist noch nichts passiert. Zieht der US-Präsident zurück?

Nach Einschätzung des früheren US-Botschafters in Deutschland, John Kornblum, wird Trump wegen seiner Drohungen mit einem Militärschlag kaum noch anders können, als in Syrien anzugreifen. "Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurück können", sagte Kornblum den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsverlust gleich. Ich gehe davon aus, dass es eine US-Militäraktion in der einen oder anderen Form geben wird."

Trump hatte seine Drohung am Donnerstag zwar leicht abgeschwächt: "Ich habe niemals gesagt, wann ein Angriff auf Syrien stattfinden würde." Kornblum führt die Äußerungen Trumps auf dessen "Verärgerung" zurück. "Er hat sich von seinen Emotionen leiten lassen und dabei verbal zu schnell geschossen."

Die USA und auch Frankreich machen Syriens Regime für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in der Stadt Duma verantwortlich. Bei dem Angriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt sollen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 42 und 85 Menschen getötet worden sein.

Die Debatte, ob es hundertprozentige Beweise für die Chemiewaffenattacke der Syrer gebe, bezeichnete Kornblum als "eine sehr deutsche Frage". "Man weiß ganz genau, dass die Syrer das waren. Die Kette der Indizien ist eindeutig."

Ex-Botschafter Kornblum (Archivaufnahme)

Ex-Botschafter Kornblum (Archivaufnahme)

Foto: HANS EDINGER/ ASSOCIATED PRESS

Trump telefonierte mit May

Kanzlerin Angela Merkel hat die Beteiligung Deutschlands an einem Militäreinsatz ausgeschlossen. Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Konfrontation der Großmächte USA und Russland im Nahen Osten als "besorgniserregend" bezeichnet. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder in einem Kalten Krieg mit immer neuen Brandherden landen", sagte Kauder im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die EU müsse sich in der Weltpolitik mehr engagieren. Sie sei derzeit "viel zu wenig präsent", beklagte Kauder.

Die USA und seine Verbündeten arbeiten derweil weiter an einer gemeinsamen Strategie für den Angriff. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, hieß es aus dem Weißen Haus. "Wir werten weiter Geheimdiensterkenntnisse aus und sind in engen Abstimmungen mit unseren Partnern und Alliierten", sagte Sprecherin Sarah Sanders.

Als Option für eine Reaktion gelten gezielte Raketenangriffe auf ein Objekt oder mehrere ausgewählte Ziele. Sehr heikel daran wäre, dass in Syrien stationierte russische Truppen getroffen werden könnten. Syriens Schutzmacht Russland weist die Vorwürfe gegen Damaskus zurück. Das russische Außenministerium rief zur Besonnenheit auf.

Trump telefonierte noch in der Nacht zum Freitag mit der britischen Premierministerin Theresa May. In einer Mitteilung der Downing Street hieß es, Trump und May seien sich einig, dass der Einsatz von Chemiewaffen durch das syrische Militär "nicht unbeantwortet" bleiben könne und dass ein weiterer Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime verhindert werden müsse. Über ein geplantes Telefonat Trumps mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron lag zunächst keine offizielle Erklärung vor.

Ermittler der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) sind auf dem Weg nach Syrien. Sie sollen dort ab Samstag mit Untersuchungen beginnen.

Video: US-Militärschlag wäre "nur noch ein Akt der Bestrafung"

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als/dpa
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