Syriens Bürgerkrieg Die USA greifen ein

Syriens Bürgerkrieg: Die USA greifen ein
Foto: JIM WATSON/ AFP297 Tage. So viel Zeit ist vergangen, seitdem der US-Präsident dem syrischen Diktator Baschar al-Assad die rote Linie gezogen hat. Assad, der Krieg führt gegen sein eigenes Volk.
"Mr. President, können Sie sich vorstellen, das US-Militär einzusetzen, schon allein um die chemischen Waffen zu sichern?"
Das wurde Barack Obama im August 2012 auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus gefragt, auf der er eigentlich gar nicht ausführlich über Syrien sprechen wollte. Doch er antwortete:
"Ich habe bis jetzt kein militärisches Eingreifen angeordnet. Aber für uns ist eine rote Linie überschritten, wenn eine ganze Menge chemischer Waffen bewegt oder eingesetzt wird. Das würde meine Kalkulation ändern."
Jetzt, 297 Tage später, ist für Barack Obama diese rote Linie überschritten. Der US-Präsident, den man über Monate als zögerlich kritisiert hat, will eingreifen. Am Donnerstagnachmittag wurden Kongressmitglieder informiert, dann lud Obamas Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes die Hauptstadtjournalisten zur Telefonschalte.
"Überzeugende Beweise"
Seit April habe man die Hinweise auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien geprüft, sagt Rhodes: "Nach intensiven Untersuchungen gehen unsere Geheimdienste davon aus, dass das Assad-Regime chemische Waffen, darunter das Nervengas Sarin, eingesetzt hat." 100 bis 150 Menschen seien demnach ums Leben gekommen. Und Präsident Obama habe ja vor einem Jahr klargestellt, dass dies eine rote Linie für ihn darstelle: "Er hat gesagt, dass der Einsatz von Chemiewaffen seine Kalkulation ändern würde. Und er hat sie geändert." Man habe auch Russland, das Assad unterstützt, diese Beweise zugänglich gemacht.
Diese Ankündigung ist ein Paukenschlag.
Längst gehen etwa Franzosen und Briten davon aus, dass das Assad-Regime C-Waffen eingesetzt hat, das Außenministerium in London ließ erst in der vergangenen Woche erneut wissen, es gebe eine "wachsende Menge von überzeugenden Beweisen". Aber alle schauten auf Obama. Und Obama wartete ab. Bis jetzt.
Was aber bedeutet die Verletzung der roten Linie? Obama selbst hatte ja damals im August vom "militärischen Eingreifen" gesprochen. Und nun, US-Truppen gegen Assad? Ausgeschlossen, sagt Rhodes. - Eine Flugverbotszone über Syrien? Keinerlei Entscheidung getroffen. - Waffen für die Rebellen? An diesem Punkt wird der Vize-Sicherheitsberater ein bisschen schwammig. Von "militärischer Hilfe" für den demokratischen Teil der Rebellen spricht er. Obama habe entschieden, "die Opposition stärker zu unterstützen". Dies werde sich von den bisherigen Maßnahmen unterscheiden.
Kleinere Waffen und Munition an ausgewählte Rebellen
Bisher haben die USA sogenannte nicht-letale Hilfe geleistet, etwa mit Schutzwesten oder Kommunikationsmitteln. Innerhalb der Regierung war dies stets umstritten, so hatten im vergangenen Jahr etwa Ex-Außenministerin Hillary Clinton und Ex-CIA-Chef David Petraeus auf Waffenlieferungen gedrungen. Zuletzt hatte auch Ex-Präsident Bill Clinton ein entschiedeneres Eingreifen der USA gefordert.
Rhodes aber will jetzt nicht explizit von Waffenlieferungen reden. Er spricht stattdessen davon, die "Effektivität der Oppositionstruppen" zu verbessern. Was das genau heiße? "Ich kann da jetzt nicht ins Detail gehen", antwortet der Obama-Berater.
Klar ist, mit seinen Formulierungen will Rhodes den Spielraum der Regierung wahren. Erkenntnissen der "New York Times" und "Washington Post" zufolge will Obama ausgewählte Rebellen durchaus erstmals mit kleineren Waffen und Munition versorgen. Zudem würden US-Regierungsvertreter auch erwägen, Panzerabwehrraketen zu liefern; Flugabwehrraketen allerdings seien bisher nicht im Gespräch.
Die große Sorge mit Blick auf schwere Waffen: Was geschähe, wenn diese in die Hände der Islamisten gerieten? Flugabwehrraketen etwa könnten die zivile Luftfahrt in der gesamten Region bedrohen. Amerika werde, so formuliert es der Sicherheitsberater Rhodes, nur Entscheidungen treffen, "die unserem nationalen Interesse dienen".
Botschaft an Irans Regime: Amerika steht zu seinen Ultimaten
Aber der US-Präsident steckt in der Klemme. Einerseits will er unter allen Umständen verhindern, nach Afghanistan und Irak in einen weiteren Krieg verwickelt zu werden; andererseits registriert man in Washington die jüngsten Erfolge von Assads Truppen im Verbund mit der von Iran gesponserten Hisbollah mit großer Sorge. Hilfe für die Rebellen sei gerade jetzt "besonders dringlich", sagt Rhodes.
Dass Obama seine rote Linie nun für überschritten erklären lässt, dürfte deshalb auch als Botschaft an das Mullah-Regime in Teheran zu verstehen sein: Amerika steht zu seinen Ultimaten. Denn eine weitere Linie hat der US-Präsident schließlich mit Blick auf das iranische Atomprogramm gezogen.
Rhodes hat angekündigt, dass sich die USA mit ihren Partnern auf dem G-8-Gipfel im nordirischen Belfast in der kommenden Woche besprechen würden. Womöglich folgen danach Details über die angekündigte Rebellenhilfe. Dies könnte auch der Grund sein, warum der Präsident an diesem Donnerstag noch nicht selbst vor die Presse getreten ist.