
Libanon: Der Märtyrerkult der Hisbollah
Krieg in Syrien Hisbollah-Offensive gefährdet Frieden im Libanon
In der Walhalla der Hisbollah wird es eng: Dicht an dicht liegen die Gefallenen der libanesischen Schiitenmiliz in der eigens eingerichteten Heldenhalle des Friedhofs Raudat al-Schahidan im Süden Beiruts. Doch wo die Ehrwürdigkeit des Ortes früher von der strengen Geometrie der Gräberreihen unterstrichen wurde, hat inzwischen Unordnung Einzug gehalten. Wo immer zwischen den marmornen Grabplatten noch ein Plätzchen ist, werden in diesen Tagen in Syrien gefallene Hisbollah-Männer bestattet. In dem Flachbau, in der die Schiitenmiliz ihren Helden huldigen, ist bald kein Platz mehr für neue Tote aus dem Bürgerkrieg im Nachbarland.
Auf zwei frischen Gräbern ist der Zement noch nicht getrocknet: Hier liegen Fadi Jazzar und Osama al-Masri, beide sind am Sonntag in der syrischen Stadt Kusair ums Leben gekommen, beide wurden am Montag mit Pomp und Hisbollah-Blaskapelle beigesetzt.
Die Zeiten, in denen die Schiitenmiliz ihre Teilnahme am syrischen Bürgerkrieg zu verschleiern versuchte und ihre gefallenen Milizionäre diskret beisetzte, sind vorbei: In der Hisbollah-Hochburg Baalbek im an Syrien grenzenden Bekaa-Tal wurden die Toten aus der Schlacht um Kusair am Wochenende gar mit einem Trauerzug durchs Stadtzentrum geehrt.
Die Hisbollah, Gerüchten zufolge mit bis zu tausend Kämpfern in Kusair, hat in der Schlacht um die strategisch wichtige Stadt empfindliche Verluste erlitten und soll Dutzende Kämpfer verloren haben. Nach Angaben von Rebellen sollen viele von ihnen gestorben sein, als sie am Stadtrand in präparierte Sprengfallen gelaufen seien.
Der derzeitige öffentliche Märtyrerkult der "Partei Gottes" ist ungewöhnlich und eine Flucht nach vorne: Angesichts der schnell wachsenden Zahl der in Syrien gefallenen Kämpfer muss die Hisbollah ihr Engagement dort als moralisch gerechtfertigt überhöhen. In atemberaubenden rhetorischen Volten versuchen Hisbollah-nahe libanesische Politiker in diesen Tagen, den syrischen Rebellen große Nähe zu Israel nachzuweisen. Dass das, gerade wenn es um die Qaida-nahe Nusra-Front geht, hochgradig absurd ist, tut der Verve der Vortragenden dabei keinen Abbruch: Die Hisbollah kämpft in Syrien ganz allgemein gegen das Böse und den Unglauben - das ist die Botschaft, die übermittelt werden soll.
Stellvertreterkrieg im Libanon
Im Libanon, der entlang der religiösen und politischen Sollbruchstellen tief gespalten ist, sind solche Aussagen höchst provokant. Das Verhältnis zwischen den Pro-Assad- und Anti-Assad-Lagern im Zedernstaat ist nach dem vergangenen Wochenende so angespannt wie schon lange nicht mehr.
Seit dem Wochenende bekriegen sich im nordlibanesischen Tripolis, der zweitgrößten Stadt des Landes, Anhänger und Gegner des syrischen Regimes. Bislang gab es dabei elf Tote, ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen. Auch südlich von Beirut brodelt es: Am Mittwoch versuchten radikale Sunniten um den Prediger Ahmed al-Assir in Sidon, das Begräbnis eines Hisbollah-Kämpfers zu verhindern.
Im Westen ist man angesichts des wachsenden Einflusses der Hisbollah in Syrien zunehmend besorgt. Der britische Außenminister William Hague sagte am Mittwoch, die Beteiligung der Miliz an dem Bürgerkrieg hätte nicht nur in Syrien selbst, sondern auch in der gesamten Region negative Folgen.
Bundesregierung unterstützt Ächtung der Hisbollah
In der Europäischen Union gibt es Bestrebungen, die Hisbollah auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Nach längerem Zögern unterstützt die Bundesregierung nun die Ächtung. Am Rande eines Treffens zur Syrien-Krise sagte Außenminister Guido Westerwelle, Deutschland sei dafür, "dass zumindest der militärische Arm der Hisbollah von der EU als Terrororganisation gelistet wird".
Der Minister begründete den Wechsel der deutschen Haltung mit zunehmend konkreteren Belegen dafür, dass die Hisbollah auch in der EU Terrorakte verübt habe, und erwähnte konkret die beiden mutmaßlichen Hisbollah-Anschläge auf Zypern und in Bulgarien im Jahr 2012. Mittlerweile haben die Ermittler in beiden Fällen Beweise für eine Verstrickung der Hisbollah vorgelegt.
Bisher hatte sich Deutschland innerhalb der EU gegen eine Listung der Hisbollah gesperrt, da man die Gefahr sah, dass jeglicher Kontakt zur libanesischen Regierung gefährdet werden könnte. In dem fragilen Regierungskonstrukt hat die Hisbollah mehrere Minister. Westerwelle hofft nun, "dass die notwendigen Beratungen innerhalb der EU jetzt zügig abgeschlossen werden können".
Mit der Maßnahme würden führende Funktionäre von Reisen in die EU ausgeschlossen, zudem drohen weitere Sanktionen auch gegen Finanzströme aus Europa an die Miliz.
Dass der bewaffnete Flügel der "Partei Gottes" tatsächlich bald als Terrorgruppe eingestuft wird, halten allerdings auch westliche Beobachter für unwahrscheinlich. Ein solches Abstempeln belaste das Verhältnis zu der Organisation, die - ob einem das gefalle oder nicht - das politische Leben im Libanon dominiere, fasste ein westlicher Diplomat die Zweifel der Skeptiker zusammen.
Angesichts dessen, dass der Krieg in Syrien noch lange nicht vorbei sei, könnte es tatsächlich opportun sein, die Gesprächskanäle offen zu halten, sagt ein hoher Funktionär der Vereinten Nationen: Dabei würde es sicher nicht helfen, wenn der Heldenfriedhof der Hisbollah demnächst als Grabstätte von Terroristen geschmäht werden würde.