Massenflucht aus Aleppo Russland bombt Assad-Milizen den Weg frei
Die Straße, die von der Stadt Asas in Syrien hinüber ins türkische Kilis führt, ist voller Menschen. Tausende sind auf der Flucht. In Umhängetaschen und kleinen Rucksäcken haben sie ihr Hab und Gut notdürftig zusammengepackt. Dies zeigen Aufnahmen von "Shahba Press", einer 2013 von regimekritischen syrischen Journalisten gegründeten Nachrichtenwebsite.
"Ich komme aus dem Norden von Homs", berichtet ein Mann den Journalisten. Sein Bruder, sein Vater und seine Mutter seien durch russische Bombenangriffe getötet worden. Er selbst sei in den Norden Syriens geflohen, von einer Stadt in Aleppos Umgebung zur nächsten. Doch jedes Mal hätten ihn die russischen Bomben wieder eingeholt.
Aber jetzt stecken die Fliehenden fest: Die Türkei hat den Grenzübergang geschlossen. Nur mithilfe von Schleppern kommen die Flüchtlinge in das Nachbarland - für 1000 Dollar pro Person, berichtet der Mann.
"Wir beobachten massive Fluchtbewegungen. Die Menschen fliehen nach Norden zur türkischen Grenze auf der Suche nach Sicherheit", sagt Pablo Marco, der für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Syrien im Einsatz ist. Die Kämpfe im Nordwesten des Landes würden sich intensivieren. Er rechne mit schwerwiegenden Folgen für die Zivilisten.

Fotostrecke: Russland zwingt Tausende zur Flucht
Russland bombt den Pro-Assad-Milizen den Weg frei
Während in dieser Woche eigentlich in Genf über Frieden in Syrien verhandelt werden sollte, bombt Russland im Norden von Aleppo so heftig wie noch nie. Nach russischen Angaben wurden in den vergangenen Tagen über 900 Luftangriffe geflogen.
Es ist jedes Mal dieselbe Strategie: Erst bomben die russischen Kampfjets den Weg frei. Dann rücken Milizionäre in die Trümmerfelder vor, die mit dem Regime von Diktator Baschar al-Assad kooperieren. In der Region um Aleppo sind das derzeit vor allem Libanesen, Iraner und Afghanen - das syrische Regime muss schon länger auf Ausländer setzen, weil ihm die eigenen Leute davonlaufen.
Am Donnerstag war es diesen Milizen gelungen, zwei von Rebellen belagerte Dörfer zu erobern und die wichtigste Verbindungsstraße in den von der Opposition kontrollierten Teil Aleppos zu kappen. Nur noch eine gefährliche umkämpfte Straße sei aus der Stadt hinaus noch offen, berichtet Ärzte ohne Grenzen. Die Schlinge um die einstige Millionenmetropole zieht sich zu.
"Es fühlt sich an, als stehe die Belagerung von Aleppo unmittelbar bevor", sagte David Evans von der US-Hilfsorganisation "Mercy Corps". "Tausende unschuldige Zivilisten rennen um ihr Leben", berichtete er.
Noch immer leben nach verschiedenen Schätzungen zwischen 150.000 und 500.000 Menschen in dem von der Opposition kontrollierten Teil der Stadt. Nun, da die Verbindungsstraße gekappt wurde, kann derzeit keine humanitäre Hilfe mehr dorthin geliefert werden. Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" rechnet damit, dass der Zugang nach Aleppo in den kommenden Wochen immer schwieriger werden dürfte und bald Essen und Medikamente knapp werden könnten.
Aus dem von der Opposition kontrollierten Teil Aleppos hatte zuletzt der syrisch-britische Journalist und regimekritische Aktivist Rami Jarrah im Januar berichtet. Damals sagten ihm viele Einwohner, dass sie trotz des Kriegs weiter in ihren Häusern ausharren wollten.
Für die Gegner von Baschar al-Assad ist die Einkesselung von Aleppo ein schwerer Schlag. Aleppo ist die letzte wichtige Großstadt, in der sie noch stark vertreten sind. Die Stadt Homs mussten die Rebellen bereits nach langer Belagerung und Bombardierung aufgeben.
Die bewaffnete Opposition in Aleppo setzt sich aus einer Vielzahl von Milizen zusammen, wobei die Moderaten stetig an Bedeutung verlieren. Derzeit sind islamistische Gruppen tonangebend. In den vergangenen Tagen soll zudem die radikalislamistische Nusra-Front ihre Präsenz in der Stadt ausgebaut haben. Das berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die über Informanten in Syrien verfügt und deren Angaben sich in den vergangenen Jahren als zuverlässig erwiesen haben.